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Meinung

Kommentar zu falschen Wahlresultaten
Unsere tägliche Datenpanne gib uns heute

Nach der Abstimmung sind Stimmenzaehler in einer Turnhalle in Zuerich mit dem Auszaehlen der Wahlzettel beschaeftigt, aufgenommen im Jahr 1964. Als Stimmzaehler sind nur Maenner zugelassen. Jedoch darf in der Turnhalle geraucht werden. (KEYSTONE/Str)
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Von «diametral veränderten Machtverhältnissen» schrieb das «St. Galler Tagblatt» am Sonntag. Vier Sitze mehr für die FDP im Stadtparlament. Eine Partei, die bei den kantonalen Wahlen vor einem halben Jahr verloren hat, gewinnt in der Stadt plötzlich massiv? In St. Gallen hat das einige Leute stutzig gemacht.

Zu Recht, wie sich nun zeigt. Die Zahl der Wahlzettel der FDP wurde falsch ins System übertragen, was dazu führte, dass ihr fünf Sitze zu viel zugeteilt wurden. Der Grund: menschliches Versagen. Folgen hat das nicht nur für die FDP. Die St. Gallerinnen und St. Galler dachten rund 24 Stunden lang, die Bürgerlichen hätten neu die Mehrheit im Stadtparlament. In Wirklichkeit bleibt es bei einer Mitte-links-Mehrheit.

Ein Jahr, eine Pannenserie

Die Stadt ist nicht alleine. Die Häufung von Fehlern bei Abstimmungen und Wahlen seit dem letzten Herbst ist frappant:

  • Oktober 2023: Die Mitte überholt die FDP bei den nationalen Wahlen erstmals – dachte zumindest die ganze Schweiz für einige Tage. Bis das Bundesamt für Statistik verkündete, dass es sich verrechnet hatte. Und die Wähleranteile korrigierte.

  • Juni 2024: Der Kanton Zug muss die Abstimmung zur Transparenzinitiative für ungültig erklären. Er hat zum ersten Mal mit Stimmzetteln gearbeitet, die sich auftrennen liessen – und zählte danach Stimmen mit, die eigentlich für ungültig hätten erklärt werden sollen. Diesen Sonntag wurde die Abstimmung wiederholt.

  • August 2024: Jetzt ist es das Bundesamt für Sozialversicherungen, das einen Fehler eingestehen muss. Betroffen sind die Finanzperspektiven für die AHV – die unter anderem relevant waren für die Abstimmung über die Erhöhung des Frauenrentenalters und der Mehrwertsteuer. Grüne und SP legen Abstimmungsbeschwerde ein, ziehen sie weiter ans Bundesgericht. Noch ist unklar, ob die Abstimmung wiederholt werden muss.

  • September 2024: In Appenzell Innerrhoden wurden die Stimmen für die beiden nationalen Vorlagen zwar richtig ausgezählt – aber dann in einem Bezirk falsch übertragen. Das BVG-Resultat war bei der Biodiversität drin und umgekehrt. Beide Vorlagen wurden klar abgelehnt, sowohl im Kanton als auch national. Aber man stelle sich vor, dass dies bei einer Initiative passiert wäre, die nur am Ständemehr gescheitert ist, also der Konzernverantwortungsinitiative. Fehler in einem Kanton können grosse Folgen haben.

Ja, die Fehler wurden gefunden – aber es sind zu viele

Die Fehlerquellen lagen bei all diesen Fällen an unterschiedlichen Orten. Aber sie haben etwas gemeinsam: Sie schaden dem Vertrauen in unsere Demokratie. Verstärkt wird das noch, wenn Behörden nach Fehlern so lapidar kommunizieren wie Appenzell Innerrhoden. Der Kanton liess verlauten, in Zukunft werde man sich «wieder strikte» an das Vieraugenprinzip halten. Wie genau soll man diese Aussage verstehen? Übertrug da in letzter Zeit eine Person ohne jegliche Kontrolle nationale Abstimmungsresultate?

Ja: Alle diese Fehler wurden gefunden und transparent gemacht. Teilweise sehr schnell, teilweise nach Monaten. Aber trotzdem drängt sich die Frage auf: Gibt es weitere Fehler, die nicht bemerkt werden – oder, noch schlimmer, unter den Teppich gekehrt werden? Allein die Tatsache, dass man sich in der Schweiz diese Frage stellen muss, ist bedenklich. Denn mangelndes Vertrauen hat Konsequenzen.

Als Grund für das Nein zur BVG-Reform wird unter anderem der Vertrauensverlust gegenüber Regierung und Parlament genannt. Was keine abwegige Interpretation ist, zumal eine so deutliche Ablehnung einer Behördenvorlage selten ist. Dies nur auf den Rechenfehler bei der AHV zu schieben, wäre sicher zu einfach.

Aber Rechenfehler und Datenpannen im Zusammenhang mit Abstimmungen können Konsequenzen haben, die über die betroffene Vorlage hinausgehen. Gemeinden, Kantone und alle Bundesämter müssen sich dessen bewusst sein. Sie müssen wenn nötig noch mehr Kontrollen einbauen, um Fehler zu vermeiden – oder zu entdecken, bevor falsche Ergebnisse kommuniziert werden.