Empfehlung der EthikkommissionVorteile für Corona-Geimpfte: Im Flugzeug ja, im Zug nein
Die Kommission hält es für vertretbar, wenn geimpfte Personen in bestimmten Situationen Vorteile erfahren. Eine gesetzliche Regelung ist derzeit in Arbeit.
Wer in Polen bereits geimpft ist, muss nach der Einreise nicht mehr in Quarantäne. Er oder sie muss sich auch nicht mehr um die Personenlimite für private Treffen scheren, denn sie gilt für ihn oder sie nicht.
In vielen weiteren europäischen Staaten brüten die Politiker derzeit über solchen Plänen: So arbeitet etwa Dänemark unter Hochdruck an einem digitalen Ausweis, mit dem sich Geimpfte auf Dienstreisen ausweisen können – und vielleicht sogar Zutritt zu Konzerten oder Sportveranstaltungen erhalten.
In der Schweiz nimmt die Debatte nun ebenfalls Fahrt auf. Die nationale Ethikkommission hat ihre Empfehlungen präsentiert: Aus Sicht der Kommission lässt es sich unter bestimmten Bedingungen rechtfertigen, wenn für gewisse Aktivitäten des täglichen Lebens vorübergehend eine Impfbescheinigung verlangt wird oder wenn für Geimpfte manche Einschränkungen fallen.
Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Impfung nicht nur vor einer Erkrankung schützt, sondern auch vor einer Übertragung des Virus. Dies ist derzeit noch nicht erwiesen. Zudem müssten alle impfwilligen Personen Zugang zur Impfung haben – laut dem aktuellen Impfplan soll dies bis spätestens Ende Juli der Fall sein. Weiter müsse garantiert werden, dass es allen Menschen, ob geimpft oder ungeimpft, möglich ist, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen.
Die Ethikkommission unterscheidet zudem klar zwischen verschiedenen Situationen: Eine Aufhebung der Quarantänepflicht und der maximalen Gruppengrösse hält sie für rechtfertigbar. Auch wenn Fluggesellschaften einen Impfnachweis verlangten, sei dies unter Umständen legitim, da sonst namentlich bei langen Flügen die Sicherheit nicht gewährleistet werden könne. Anders verhält es sich laut den Ethikerinnen im Kino, im ÖV oder an Konzerten: Dort könne auch mit geringeren Einschränkungen wie etwa einer Maskenpflicht und Abstandsregeln ein sicheres Umfeld für die Besucher geschaffen werden.
Bund prüft Optionen
Heute gilt für private Veranstalter die Vertragsfreiheit. Das heisst: Theoretisch dürften sie schon jetzt geimpfte Kunden bevorzugen – ganz ohne zusätzliche Regelung. Allerdings ist der Interpretationsspielraum gross, und es gibt viele Grauzonen. Die Ethikkommission plädiert denn auch klar dafür, dass alle offenen Fragen explizit geregelt werden. «Eine Regelung würde demokratische Legitimation und Klarheit in diesem sehr sensiblen Bereich schaffen und vor allem ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen verhindern», sagt Andrea Büchler, die Präsidentin der Kommission.
Tatsächlich arbeitet der Bund bereits an einer solchen Regelung, wie Ingrid Ryser, Sprecherin des Bundesamts für Justiz, auf Anfrage bestätigt. «Das Thema wird in der Bundesverwaltung intensiv diskutiert.» Eine erste Analyse zur Rechtslage wurde vor Weihnachten vorgenommen, inzwischen laufen auch Gespräche mit dem Eidgenössischen Datenschützer.
Das Bundesamt für Justiz prüfe sowohl «mögliche Regelungen, um die Ungleichbehandlung auszuschliessen, als auch Regelungen, um die Ungleichbehandlung explizit zuzulassen», sagt Ryser. Die neuen Regeln könnten beispielsweise Teil einer Lockerungsstrategie sein oder Einfluss auf die Schutzkonzepte haben. Mögliche Optionen werden dem Bundesrat laut Ryser «nächstens» unterbreitet.
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