Corona verschont Pensionskassen Vorsorgewerke haben den Stresstest bisher gut überstanden
Der Börsensturz im Frühling verhiess nichts Gutes. Trotzdem stehen Pensionskassen heute gut da. Dank Kurzarbeit gibt es auch bei den Sparbeiträgen für Versicherte kaum Einbussen.
Zeitweise kursierte die Befürchtung, die Pandemie könnte die Pensionskassen wegen Börsenverlusten hart treffen. Manche wiederum äusserten die etwas makabre These, dass die berufliche Vorsorge von der Übersterblichkeit profitiere. Weder das eine noch das andere ist wahr, wie ein Rückblick auf das vergangene Jahr zeigt.
Da Pensionskassen mit durchschnittlich rund einem Drittel des verwalteten Vorsorgekapitals in Wertschriften investiert sind, haben die Aktienmärkte einen unmittelbaren Einfluss auf die Finanzen. Fallen die Börsenkurse, sinkt auch der Deckungsgrad. Dieser Wert gibt Auskunft darüber, wie weit laufende und künftige Renten finanziert sind. Ideal ist ein Deckungsgrad zwischen 110 und 120 Prozent – so bleibt ein Polster, das Rentenzahlungen in schwierigen Zeiten sicherstellt. Fällt der Deckungsgrad unter 100 Prozent, müssen Vorsorgewerke Sanierungsmassnahmen einleiten.
Nach dem Ausbruch der Pandemie sind die Börsenkurse dramatisch eingebrochen. Deshalb fiel der durchschnittliche Deckungsgrad von 113 Prozent Anfang Jahr auf rund 103 Prozent Ende März. Diese Zahlen stammen von der Pensionskassenberaterin PPCmetrics. Sie basieren auf Angaben von 322 meist grösseren Pensionskassen, die total mehr als 700 Milliarden Franken Vorsorgekapital verwalten, und wurden für diese Zeitung aktuell aufbereitet. Zum Vergleich: Das gesamte Vorsorgevermögen in der Schweiz beträgt rund 1000 Milliarden Franken.
Bei knapp einem Drittel der berücksichtigten Pensionskassen lag der Deckungsgrad Ende März unter 100 Prozent. Doch erfreulicherweise erholte sich die Börse rasch wieder. Ende November gab es nur noch bei 8 Prozent der untersuchten Pensionskassen eine Unterdeckung.
Keine Abstriche für Versicherte bei Kurzarbeit
«Die Pensionskassen haben den Börsensturz recht gelassen gemeistert, weil sie in den vorangegangenen guten Börsenjahren Reserven äufnen konnten», sagt Jérôme Cosandey, Vorsorgeexperte beim Thinktank Avenir Suisse. Und auch für die Versicherten rechnet Cosandey kaum mit Einbussen, was in wirtschaftlich schwierigen Zeiten keine Selbstverständlichkeit ist. Denn wenn Stellen verloren gehen, bezahlt die Arbeitslosenkasse keine Sparbeiträge in die berufliche Vorsorge. Doch während der Corona-Krise haben bisher viele Unternehmen auf Kurzarbeit umgestellt. «Anders als bei der Arbeitslosigkeit, werden bei Kurzarbeit weiterhin die vollen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge in die Pensionskasse überwiesen», erläutert Cosandey.
Marco Jost von PPCmetrics rechnet damit, dass die schweizerischen Pensionskassen dieses Jahr eine Rendite von etwa 2 bis 2,5 Prozent erwirtschaften werden, was dem Durchschnitt der vergangenen Jahre entspricht. Das bedeutet, dass sich auch bei der Verzinsung nichts ändern dürfte: Die Versicherten erhalten auf ihrem Vorsorgekapital in der Regel einen Zins zwischen einem und zwei Prozent.
Die Übersterblichkeit bringt Pensionskassen kaum finanzielle Vorteile
Wenn Menschen früher sterben, müssen Pensionskassen weniger Renten auszahlen, weshalb mehr Geld in der Kasse bleibt. Obwohl während der ersten und insbesondere während der zweiten Welle mehr Menschen gestorben sind als in anderen Jahren, gehen Experten davon aus, dass dies keine oder höchstens geringfügige und vorübergehende Folgen für Vorsorgewerke hat. Marco Jost verweist darauf, dass jene Leute, welche Corona gut überstehen, trotzdem mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung rechnen können. Deshalb gleicht sich der Effekt der Übersterblichkeit mit der Zeit wieder aus. «Die erste Welle vom Frühling ist so betrachtet bereits kompensiert», sagt Jost. Zudem ist denkbar, dass aufgrund der aktuellen Vorsichtsmassnahmen diesen Winter weniger Menschen an Grippe erkranken.
Wie Cosandey ergänzt, sterben oft hochbetagte Menschen an Corona, die bereits an anderen Erkrankungen leiden und nur noch eine geringe Lebenserwartung haben. Aus den genannten Gründen rechnen weder er noch Jost damit, dass die durch Corona verursachte Übersterblichkeit die Finanzlage der Pensionskassen spürbar beeinflussen.
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