Vor der Beerdigung von FranziskusTrikolore auf halbmast für den Papst? Frankreich streitet über hehre Prinzipien
Die scharfe Trennung von Staat und Kirche ist für die Franzosen unverhandelbar. Wie passt Staatstrauer für den Pontifex dazu?

Auch Trauer kann Anlass zum lauten Kulturkampf sein, wie die Franzosen gerade erleben, Staatstrauer zumal. Auf Anordnung des französischen Premierministers François Bayrou sollen am Samstag, wenn in Rom Papst Franziskus beerdigt wird, an allen öffentlichen Gebäuden der Republik die Trikoloren auf halbmast hängen: an den Ministerien, den Schulen, den Gerichten, einfach überall. Und das ist schon allerhand, zumindest für Frankreich.
Das Prinzip des Laizismus, Frucht aus der Trennung von Staat und Kirche, ist hier seit 1905, nun ja, sakrosankt. Gesetzlich verankert im Fundament der Republik, unverhandelbar. Es vergeht kein Tag, an dem nicht mindestens ein Politiker im Land sich auf den Geist des Laizismus beruft, oft aus politischem Kalkül. Der Dreiklang Liberté, Égalité, Fraternité ist erst richtig rund, wenn er einen vierten Nachhall hat: Laïcité! Auch der Christdemokrat François Bayrou, ein streng gläubiger Katholik, der seine fünf Kinder in eine katholische Schule mit brutalen Züchtigungsmethoden schickte, gehörte früher öffentlich zur Fraktion der unbeugsamen Laizisten.
Macron soll dafür sein – das macht es nicht weniger kontrovers, im Gegenteil
Vor zwanzig Jahren, als Johannes Paul II. gestorben war und sich die damalige französische Regierung für Landesfahnen auf Trauerhöhe entschied, war Bayrou empört, wie die Zeitung «Le Monde» erinnert, sie hat im Archiv nachgeschaut. «Ich hätte sicher nicht so entschieden», sagte Bayrou damals. «Fahnen auf halbmast entsprechen nicht dem Vorsatz, dass wir zwischen den persönlichen spirituellen Überzeugungen und politischen und nationalen Überlegungen unterscheiden müssen.» Müssen!

Nun ist alles anders. Aus der Entourage des Premiers hört man, Bayrou habe seine Meinung im Alter geändert, das komme auch schon mal vor. Franziskus sei ja auch etwas ganz anderes, der sei schliesslich der «Papst der Armen» gewesen. Ausserdem habe Bayrou den Beschluss mit den Fahnen auf halbmast mit Emmanuel Macron, dem Präsidenten der Republik, be- und abgesprochen. Das macht ihn nicht weniger kontrovers, im Gegenteil.
Aus dem linken und dem liberalen Lager heisst es nun, die Regierung mache beim Papst eine Ausnahme, wie sie für einen säkularen Staat wie den französischen nicht statthaft sei. Jorge Mario Bergoglio, so die Überlegung, sei natürlich schon auch ein Staatschef gewesen, Herrscher über Vatikanstadt. Doch viel stärker wog natürlich seine Rolle als religiöses Oberhaupt von 1,4 Milliarden Menschen.
Franziskus war nie der Papst der extremen Rechten. Aber die Hommage ist ihr lieb
So richtig glücklich ist auch das Lager der extremen und identitären Rechten nicht: Mit seinem Engagement für die Migranten war der Argentinier nie ihr Papst, er war ihnen viel zu progressiv, sie trauern ihm nicht nach. Andererseits sind sie nun begeistert über diese Hommage an den katholischen Kirchenfürsten, weil sie darin unbedingt eine offizielle Bekräftigung der christlichen Wurzeln des Landes lesen wollen. In ihren Augen ist das gleichzeitig eine Ab- und Ausgrenzung anderer Religionen, des Islam vorab.
So läuft nun also in Frankreich ein politischer Kulturkampf um die passende Masthöhe der Trikoloren, während sie in Rom den allürenlosesten Papst der Neuzeit zu Grabe tragen, in einmaliger Kargheit. Franziskus machte sich bekanntlich nicht viel aus Symbolen. Die Geschichte mit der Fahne hätte ihn wohl amüsiert.
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