Kommentar zu Bundeshaus-KrawallenVon «senkrechten Schweizern» und anderen
Radikale Corona-Skeptiker fabulieren schon seit geraumer Zeit von einem Sturm aufs Bundeshaus. Die Gesellschaft muss sich nun zusammenraufen und geeint gegen Gewalt einstehen.
«Liberté!», schrien die Gestalten, die am eisernen Schutzzaun vor dem Bundeshaus rüttelten.
«Liberté!», riefen die rund 50 Massnahmenkritiker, die am vergangenen Sonntag ins Freiburger Kantonsspital eindrangen.
Vieles mag in dieser Pandemie diskutabel sein, kaum etwas schwarz-weiss. Doch eines ist klar: Wer sich so gebärdet, kämpft nicht für die Freiheit in der Schweiz, sondern gegen sie.
Konnten unsere Bundesräte vor nicht allzu langer Zeit noch allein im Zug reisen, war dies mehr als nur Folklore. Es stand für vieles, worauf wir zu Recht stolz sind: Begegnungen auf Augenhöhe, Bescheidenheit und eben: Freiheit.
Wenn nun ein schwerer Zaun das Bundeshaus vor Eindringlingen schützen muss, dann zeigt dies, dass etwas ins Rutschen geraten ist in diesem Land.
Sicher: Es haben sich schon andere Gruppierungen im Land Scharmützel mit der Polizei geliefert. Und auch auf dem Bundesplatz wird nicht zum ersten Mal illegal demonstriert. Doch wenn radikale Corona-Skeptiker in Chats seit Wochen zu einem Sturm aufs Bundeshaus aufrufen, erscheinen die Geschehnisse in einem anderen Licht. Bereits kam es zu ersten Angriffen auf Journalisten, Politikerinnen werden mit Vergewaltigungs- und Todesdrohungen zugedeckt.
Vielleicht glaubten die Randalierer, eine Hundepfeife gehört zu haben, bevor sie auf dem Bundesplatz «Ueli» skandierten.
Bei den Radikalisierten handelt es sich um einen kleinen, harten Kern. Der grosse Teil der Massnahmenskeptiker äussert seinen Protest friedlich. Umso dringender ist es, dass sich diese Menschen nun in aller Vehemenz von Gewalt distanzieren.
Und dass Politiker zweimal nachdenken, bevor sie eine Kutte der Freiheitstrychler überstreifen oder über die Impfskepsis «senkrechter Schweizer» sinnieren. «Dog whistling» nennt man solch zweideutige Botschaften ans eigene Publikum im Englischen. Vielleicht glaubten die Randalierer, eine Hundepfeife gehört zu haben, bevor sie auf dem Bundesplatz «Ueli» skandierten.
Tatsache ist: Die Corona-Massnahmen in der Schweiz gehören zu den mildesten weltweit. Und nirgends sonst haben die Bürgerinnen so viele Mitspracherechte, im November stimmen wir zum zweiten Mal über das Covid-Gesetz ab. Es passt zu unserer politischen Kultur, dass im Vorfeld zuweilen hart über die Verhältnismässigkeit von Massnahmen diskutiert wird. Doch Gewalt, in welcher Form auch immer, können echte «Verfassungsfreunde» niemals gutheissen.
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