Reaktionen auf Corona-Demo in Bern«Solche gewalttätigen Demos sind völlig unangebracht»
Feuerwerk gegen das Bundeshaus, Wasserwerfer im Einsatz: Parlamentarier reagieren mit deutlichen Worten auf die Eskalation gestern auf dem Bundesplatz.
«Solche gewalttätigen Demos sind völlig unangebracht», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann als Reaktion auf den Protest gestern auf dem Bundesplatz (zum Bericht), der teils eskalierte und auf den die Polizei mit dem Einsatz von Wasserwerfern reagierte.
«In unserem Land darf man demonstrieren, wir haben die freie Meinungsäusserung. Aber es muss immer gewaltfrei sein», sagt die Fraktionspräsidentin der Grünen, Aline Trede. Der Bundesrat müsse dafür sorgen, dass die Radikalisierung nun nicht weiter geht und einigend wirken. Er dürfe jetzt nicht schüren, sondern müsse nüchtern informieren. «Die Grundrechte sind bei uns ja gewahrt, und unsere Massnahmen in der Schweiz sind im Vergleich zu anderen Ländern sehr moderat» sagt die Bernerin. Nordmann gibt auch zu bedenken, dass man Dank der direkten Demokratie in zwei Monaten über das Covid-Zertifikat abstimmen könne.
«Wir müssen jetzt zusammenhalten und nicht nicht mit Freiheitstrychler-Shirts herumlaufen und so eine zusätzliche Spaltung bewirken», sagt Trede. Bundesrat Ueli Maurer zeigte sich vor Tagen mit genau einem solchen T-Shirt und hatte damit teils für Unmut gesorgt. Er missachte das Kollegialitätsprinzip und unterlaufe damit die offizielle Corona-Politik des Bundesrats, so die Kritik.
Auch Bundespräsident Guy Parmelin äusserte sich zu den Vorkommnissen vom Donnerstagabend. Im Anschluss an die Bundesratssitzung vom Freitag sagte er vor den Medien. «Ich verurteile alle Akte der Gewalt. Man kann seine Meinungen ausdrücken, aber es gibt Grenzen», sagt Parmelin. Gewalt nütze niemandem, zumal man in der Schweiz über breite, direktdemokratische Rechte verfüge. Den Auftritt von Ueli Maurer im Hemd der Freiheitstrychler kommentierte er auf eine Journalistenfrage hin nicht. Gebe es etwas zu diskutieren, tue dies der Bundesrat intern, falls Bedarf dafür bestehe, sagte Parmelin.
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Auch die Ratspräsidenten im Bundeshaus verurteilen die Ausschreitungen. Nationalratspräsident Andreas Aebi (SVP, Bern) sagt, «ich war gestern Nacht nicht im Bundeshaus und habe die Auswüchse nicht erlebt». Der höchste Schweizer Politiker in diesem Jahr meint: «Wegen ein paar Hitzköpfen lassen wir uns nicht aus der Fassung bringen.» Deren Verhalten sei unschweizerisch und dem Zusammenhalt im Land nicht förderlich.
«Nun sieht man, wozu das führt, wenn Bundesrat Maurer Trump spielt.»
Für Ständeratspräsident Alex Kuprecht (SVP, Schwyz) ist klar: «Mit Gewalt und Demonstrationen lösen wir kein einziges Problem.» Das Virus interessiere sich nicht für Demos, sagt Kuprecht. Er verstehe die Welt nicht mehr, wie man aufgrund der Corona-Massnahmen gewalttätig werden könne. Auch dann, wenn er lese, dass Impfgegner in einen Gebärsaal eingedrungen seien. Zum Sessionsbeginn hatte Kuprecht als Ratspräsident dazu aufgerufen, einander die Hand zu reichen.
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Grünen-Chef Balthasar Glättli schreibt auf Twitter: «Nun sieht man, wozu das führt, wenn Bundesrat Maurer Trump spielt.» Ob es wirklich «einen echten Sturm aufs Bundeshaus» brauche, «bis er merkt, dass ein Bundesrat nicht Öl ins Feuer giessen sollte in einer solchen Situation».
Nause: «Möglichen Sturm aufs Bundeshaus» verhindert
Schätzungsweise drei- bis viertausend Menschen haben am Donnerstagabend in der Berner Innenstadt gegen Corona-Schutzmassnahmen demonstriert. Als Teilnehmer an einem Zaun vor dem Bundeshaus rüttelten, setzte die Polizei den Wasserwerfer ein.
Nach einem Aufruf, mit dem Rütteln an diesem am Boden verankerten Zaun aufzuhören, kam es auch zu einem Einsatz von Gummischrot. Zudem versprühte die Berner Kantonspolizei Reizstoff. Dies aber in geringen Mengen, wie nach Schluss der unbewilligten Kundgebung Reto Nause auf Anfrage sagte, der Sicherheitsdirektor der Stadt Bern. Dieser dankte der Polizei auf Twitter für deren Einsatz. Sie habe so einen «möglichen Sturm aufs Bundeshaus» verhindert.
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Die Berner Kantonspolizei meldete per Twitter, es habe einen Verletzten gegeben. Dies nach der Konfrontation von Personengruppen. Nachdem die Polizei den Wasserwerfer einsetzte, warfen Demo-Teilnehmer Gegenstände in Richtung Bundeshaus und zündeten Feuerwerk.
Auf die Frage, ob der Schutzzaun, der auch schon bei anderen Gelegenheiten vor dem Bundeshaus installiert worden war, denn nicht fest verankert sei, sagte Nause, das sei der Fall. Doch seien Leute hochgeklettert und diese Sperre sei tabu. Die Leute seien ja zuvor «abgemahnt» worden.
«Zertidiktat Nein»
Die Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmer waren gestern am früheren Abend beim Bahnhof Bern losgezogen und marschierten dann in einem langen Zug durch die Altstadt. Zu sehen waren Transparente wie «Zertidiktat Nein» und «Freiheit statt digitale Diktatur». Immer wieder rief die Menge «Liberté, Liberté», französisch für «Freiheit».
Zweimal während des Umzugs stellte sich eine Gruppe von mutmasslichen Mitgliedern von Berns links-alternativer Szene dem Umzug in die Quere. Es kam zu Gerangeln. Mit gelben Westen ausgestattete Demonstrationsteilnehmer entfernten am Rand des Bundesplatzes resolut die quer über die Strasse gestellten Absperrgitter.
Voraus die Freiheitstrychler
Der Umzug startete, als die sogenannten Freiheitstrychler auf dem Bahnhofplatz angekommen waren, und die Menge verliess den Bundesplatz, als diese Trychler in Richtung Bahnhof aufbrachen. Kurz zuvor hatte die Polizei die Kundgebungsteilnehmer aufgerufen, die unbewilligte Kundgebung zu verlassen. Sonst werde sie aufgelöst. Gegen 22 Uhr löste sich die Demo vor dem Bundeshaus auf.
Aufgerufen worden war zur Kundgebung in den Sozialen Medien. Zahlreiche Schweizerfahnen und Kantonsfahnen waren zu sehen. Den Wappen nach zu urteilen, kamen die Teilnehmer aus mehreren Kantonen.
* mit Material der Agentur Keystone-SDA
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