Saudische Friedensinitiative für die UkraineVom Paria zum Vermittler
Kronprinz Mohammed bin Salman veranstaltet eine Ukraine-Konferenz, an der 30 Staaten vertreten sind – nicht aber Russland. Was ist zu erwarten von dem Gipfeltreffen in Jidda?
Für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, auch bekannt als MbS, ist das kommende Wochenende bereits ein erfolgreiches Wochenende. Denn nationale Sicherheitsberater und andere hohe Regierungsbeamte aus fast 30 Ländern werden ins Königreich reisen, um zwei Tage lang über Wege aus dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu beraten. Angekündigt sind unter anderem Vertreter der Ukraine, der USA, der EU sowie aus Chile, Indonesien, Ägypten und der Türkei.
Noch vor wenigen Jahren wurde bin Salman von einigen dieser Führer gemieden, immerhin sahen Geheimdienste ihn als Auftraggeber für den Mord am saudischen Publizisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul 2018. Doch spätestens nach Beginn des Ukraine-Krieges und den gestiegenen Ölpreisen erwuchs bei vielen Staatenlenkern die Erkenntnis: Der Herrscher in Riad ist zu mächtig, um ihn als «Paria» zu behandeln, wie US-Präsident Joe Biden im Wahlkampf 2020 angekündigt hatte.
Das neue Image, das Riad anstrebt: Wir können mit allen – mit China, dem Iran und eben auch mit Russland und der Ukraine.
Stattdessen will sich Mohammed bin Salman nun als Vermittler inszenieren, dessen Einfluss über die Region hinaus wirkt. Anfang des Jahres besuchte sein Aussenminister Prinz Faisal bin Farhan al-Saud Kiew und sicherte der Ukraine humanitäre Hilfe in Höhe von 400 Millionen US-Dollar zu. Ausserdem half Saudiarabien im vergangenen September bei einem Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine. Das neue Image, das Riad seit kurzem anstrebt: Wir können mit allen – mit China, dem Iran und eben auch mit Russland und der Ukraine.
Beste Beziehungen zwischen Riad und Moskau
«Der Friedensgipfel», wie er von einigen arabischen Medien bereits getauft wurde, findet in der Küstenstadt Jidda statt und wird vom saudischen nationalen Sicherheitsberater Musaid al-Aiban geleitet. Russland wurde nicht eingeladen, wird das Treffen aber laut Kremlsprecher Dmitri Peskow «verfolgen». Man müsse erst verstehen, was die Ziele der geplanten Gespräche seien und was besprochen werden solle, sagte Peskow am Montag. Alle Versuche, eine friedliche Lösung zu fördern, seien «eine positive Bewertung wert».
Die Abwesenheit Russlands sagt nichts über die weiterhin sehr guten Beziehungen zur Golfmonarchie aus. Zwar hat Saudiarabien die Resolutionen des UNO-Sicherheitsrats gebilligt, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilten. Doch wie viele Länder in der Region hat auch Saudiarabien es vermieden, der westlichen Forderung nach einem Bruch mit Russland nachzukommen.
Stattdessen stimmt sich Riad im Ölkartell Opec+ mit Moskau bezüglich der Energiepreise ab – und brüskiert damit regelmässig US-Präsident Joe Biden. Man kann also davon ausgehen, dass Saudiarabien beim Gipfeltreffen am Wochenende auch die russische Haltung im Blick behalten wird.
Wenig Resonanz für Selenskis Zehn-Punkte-Friedensplan
Bereits Mitte Mai war der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski Gast des Gipfeltreffens der Arabischen Liga in Saudiarabien und traf dort auf Mohammed bin Salman. Selenskis Aufforderung, sich von Russland zu distanzieren, stiess jedoch auf ebenso wenig Resonanz wie sein Zehn-Punkte-Friedensplan, über den in Jidda diskutiert werden soll. Zuerst hatte Selenski seine zehn Punkte im September 2022 an der UNO-Vollversammlung präsentiert, ausführlich dann am 15. November 2022 per Videoansprache bei einem Treffen der G-20-Staaten in Indonesien.
Die Punkte sind ein Forderungskatalog an Russland – vom Rückzug aller russischen Truppen aus allen besetzten ukrainischen Gebieten einschliesslich der Krim über eine unbefristete Verlängerung des nun von Wladimir Putin aufgekündigten Schwarzmeer-Getreidekorridors bis hin zur Freilassung Hunderttausender deportierter Ukrainer. Zudem solle die internationale Gemeinschaft ein Tribunal zur Verfolgung russischer Kriegsverbrechen schaffen sowie Preise für russische Energieexporte begrenzen und einen Topf zur Entschädigung ukrainischer Schäden einrichten. Zudem solle die Ukraine Sicherheitsgarantien bekommen.
Mit Ausnahme einer von G-7 und EU Anfang Dezember 2022 beschlossenen Preisobergrenze für russisches Öl von 60 Dollar pro Fass ist nichts davon verwirklicht, in absehbarer Zeit besteht auch keine Chance auf eine Verwirklichung. Als Selenski seine zehn Punkte präsentierte, hatte seine Armee grosse Erfolge in der Ostukraine erzielt und Cherson befreit. Das US-Militär analysierte indes Anfang Februar 2023, die Ukraine könne nur «bescheidene Geländegewinne» erzielen.
«Weltweiter Friedensgipfel» mit Staats- und Regierungschefs
Diese Voraussage hat sich bestätigt: Ein ukrainischer Sieg ist nicht in Sicht – und damit auch keine Umsetzung des Zehn-Punkte-Plans. Bis anhin fehlt jedweder Anhaltspunkt für Fortschritte an der Friedensfront. Putin hat die Forderungen der Ukraine schon im Dezember 2022 zurückgewiesen und seitdem mehrmals bekräftigt, dass er den Krieg fortführen will und zu keinerlei Rückzug bereit ist.
Für Saudiarabien wäre die Ausarbeitung eines Kompromisses gerade zu diesem festgefahrenen Zeitpunkt ein grosser Erfolg. Im Juni hatten bereits ähnliche Gespräche in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen stattgefunden. Für dieses Jahr soll noch ein «weltweiter Friedensgipfel» auf Ebene von Staats- und Regierungschefs geplant sein, um den Krieg zu beenden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.