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Reise in den Nahen Osten
Joe Bidens Bittgang zu einem Paria

Nach einem Besuch in Israel reist er direkt nach Saudiarabien weiter: US-Präsident Joe Biden.
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Das hochseriöse aussenpolitische Magazin «Foreign Policy» hat neulich eine scharfsinnige Analyse publiziert. Der Nahe Osten, hiess es da, sei ein Ort geworden, wo sich die grossen Ideen amerikanischer Präsidenten zum Sterben hinlegten. Diese grausame Realität habe Joe Biden erkannt. Deshalb habe er sich in den ersten eineinhalb Jahren seiner Präsidentschaft von der Region ferngehalten. Aber nun fährt Biden doch.

Aber er wird keine eigenen hochtrabenden Pläne mitbringen, nicht nach Israel, wo er an diesem Mittwoch eintrifft, und nicht nach Saudiarabien, wohin er am Freitag weiterfliegt (lesen Sie auch den Kommentar dazu). Es war dennoch höchste Zeit für Biden, Israel einen Besuch abzustatten. Es wäre ein Affront für den traditionellen Verbündeten gewesen, wenn ein US-Präsident das Land nicht in der ersten Hälfte seiner Amtszeit besucht hätte.

«Wir müssen Russlands Aggression etwas entgegensetzen, wir müssen uns bestmöglich aufstellen, um China auszustechen.»

Joe Biden über seine Reise nach Saudiarabien

Kontrovers diskutiert wird in den USA vielmehr, dass Biden Ende Woche nach Saudiarabien weiterreisen wird. Er selbst hatte im Wahlkampf versprochen, den saudischen Kronprinzen Muhammad Bin Salman zum Paria zu erklären, weil der 2018 den kritischen Journalisten Jamal Kashoggi umbringen liess. Doch nun stattet er dem starken Mann in Riad nicht nur einen Besuch ab, er tut das auch auf besonders bedeutungsvolle Weise: Er fliegt direkt von Israel in das Königreich, als erster US-Präsident. Normalerweise gestattet Saudiarabien keine Direktflüge aus Israel.

Bidens Annäherungsversuche sind einfach zu erklären: Muhammad Bin Salman ist auf Bidens Liste der Bösewichte nach unten gerutscht, weil sich Wladimir Putin brutal vorgedrängt hat. Daraus machte Biden kein Geheimnis, als er Anfang der Woche in einem Gastbeitrag in der «Washington Post» seine Reisediplomatie erklärte: «Wir müssen Russlands Aggression etwas entgegensetzen, wir müssen uns bestmöglich aufstellen, um China auszustechen.» Dafür müsse er direkt mit jenen Ländern reden, die dabei helfen könnten.

Gilt nun plötzlich wieder als Verbündeter der USA: Der saudische Kronprinz Muhammad Bin Salman. 

Helfen soll Saudiarabien in erster Linie, indem es mehr Öl fördert. Weil das potenziell die Spritpreise senken könnte, käme das der Wirtschaft zugute, aber natürlich auch – was Biden unerwähnt liess – seiner Partei. Den Demokraten steht bei den Zwischenwahlen im November eine gewaltige Schlappe bevor, und die hohen Energiepreise sind dafür ein wichtiger Grund. Allerdings bezweifeln Marktbeobachter, dass eine leichte Steigerung der saudischen Ölproduktion die Preise an Amerikas Tankstellen purzeln lassen würde: Alle realistischen künftigen Ausweitungen der Fördermenge seien bereits in die heutigen Preise mit einberechnet.

Zudem haben die Saudis kaum Anreize, Biden zu helfen. Der US-Präsident dürfte sie zu locken versuchen, indem er ihnen Beistand im Fall eines iranischen Angriffs in Aussicht stellt. Nur wissen die Saudis bestens Bescheid, dass Biden innenpolitisch angeschlagen ist. Sie dürften davon ausgehen, dass die Republikaner bei den Zwischenwahlen im Herbst die Mehrheit im Kongress erobern werden und bereits in zwei Jahren wieder ein Republikaner zum Präsidenten gewählt wird. Der dürfte Bidens Nahostpolitik wieder rückgängig machen, so, wie es Donald Trump mit Barack Obamas Atomabkommen mit dem Iran getan hatte. Zum Sterbenlassen grosser Ideen bleibt da gar keine Zeit.