Atomstreit mit dem IranNukleardeal droht kurz vor dem Ziel zu scheitern
Die Verhandlungen von USA und Europäern mit Teheran mag noch niemand für erledigt erklären. Doch es stellt sich die Frage, ob der Iran noch ein Interesse hat an dem Atomabkommen.
Es sind gewundene Ausführungen, zu denen der Sprecher des US-Aussenministeriums, Ned Price, auf Fragen nach dem Atomabkommen mit dem Iran greift. Man halte daran fest, solange eine Rückkehr zu der Vereinbarung noch im Interesse der USA sei. Allerdings hatten europäische wie amerikanische Diplomaten zu Beginn des Jahres gewarnt, wenn es nicht gelänge, den Deal aus dem Jahr 2015 bis Ende Februar wiederzubeleben, werde das Atomprogramm des Iran so weit fortgeschritten sein, dass er seinen Wert verliere.
Diese inoffizielle Frist ist um Monate überschritten. Das Abkommen, einst als Meisterwerk der Diplomatie gefeiert, könnte einen leisen Tod sterben. US-Präsident Joe Biden würde damit eines seiner aussenpolitischen Ziele verfehlen und sich mit einer neuen Eskalation im Nahen Osten konfrontiert sehen. Die letzte Verhandlungsrunde fand am 11. März in Wien statt. Seither liegt ein fertiger Text vor – eigentlich.
Differenzen um Sanktionen gegen Revolutionsgarden
Es gab schon Pläne, die Aussenminister nach Wien kommen zu lassen. Doch dann verhinderte zunächst eine Intervention Russlands den Abschluss. Aussenminister Sergei Lawrow hatte gefordert, die westlichen Sanktionen wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine dürften in keiner Weise die Handelsbeziehungen zwischen Moskau und Teheran beeinträchtigen. Das hat er inzwischen wieder zurückgenommen.
Doch nun hakt es zwischen dem Iran und den USA bei der Frage, ob auch die Sanktionen gegen die Revolutionsgarden aufgehoben werden. Verhängt hatte diese der damalige US-Präsident Donald Trump im April 2019 wegen der Unterstützung von Terrorismus – nicht im Kontext mit dem Nuklearprogramm.
Erst vor wenigen Tagen beschuldigte Israel die Revolutionsgarden, die Ermordung eines US-Generals in Deutschland geplant zu haben. In Syrien und im Irak greifen von ihnen kontrollierte Milizen US-Truppen und diplomatische Einrichtungen an. Und sie attackieren die engsten US-Verbündeten in der Region: Israel, Saudiarabien, die Vereinigten Arabischen Emirate.
Auf mögliche Kompromisslinien lässt sich das Regime in Teheran nicht ein.
US-Unterhändler Robert Malley hatte die Forderung der Iraner nach Washington getragen, doch im Weissen Haus lässt man sich darauf nicht ein. Der Iran habe Verhandlungen über Themen ausserhalb des Nukleardossiers strikt abgelehnt, heisst es. Der Widerstand im US-Kongress ist enorm, auch bei vielen Demokraten. Im November stehen wichtige Zwischenwahlen für Repräsentantenhaus und Senat an. Aussenpolitisch würde eine solche Entscheidung das Verhältnis zu Israel und den Ölmonarchien am Golf weiter belasten.
Auf mögliche Kompromisslinien wiederum lässt sich das Regime in Teheran nicht ein. Ein solcher Vorschlag lautete, dass die USA die Revolutionsgarden von der Sanktionsliste streichen, die Islamische Republik dafür aber garantieren müsse, weder US-Einrichtungen im Nahen Osten zu attackieren noch US-Regierungsvertreter weltweit. Teheran hat geschworen, die Tötung des Revolutionsgarden-Generals Qassim Soleimani im Januar 2020 durch eine US-Drohne am Flughafen von Bagdad zu rächen, und will mit militärischen Nadelstichen einen Abzug der US-Truppen aus der Region erzwingen.
Fortschritte des iranischen Atomprogramms
Die einzige Möglichkeit, die er sehe, um die Listung aufzuheben, bestehe darin, dass der Iran «die notwendigen Schritte unternimmt, um die Aufhebung zu rechtfertigen», sagte US-Aussenminister Antony Blinken vergangene Woche im Senat. Der Iran wisse, was zu tun sei.
Aus Teheran heisst es dagegen, die USA seien im Bilde über die roten Linien des Iran. Der EU-Verhandlungsführer Enrique Mora war Ende März nach Teheran gereist, um den Stillstand zu durchbrechen. Man könne die Frage der Revolutionsgarden zu einem späteren Zeitpunkt klären, schlug er vor. Wenn der Iran andere berechtigte Forderungen vorbringe, seien die USA bereit, darauf einzugehen.
Der Iran will neben einer Wiederauflage des Atomdeals andere Wege gefunden haben, die US-Sanktionen zu neutralisieren.
Gerade wartet Mora auf einen neuen Termin in Teheran. Der Iran begeht die Feiertage zum Ende des Ramadan. Die Europäer wollen einen letzten Versuch starten. Spätestens wenn die Internationale Atomenergiebehörde Anfang Juni ihren Bericht vorlegt, werden die Fortschritte des iranischen Atomprogramms ebenso deutlich werden wie die derzeitige Weigerung Teherans, mit den Inspektoren umfassend zu kooperieren.
Für gescheitert mag die Verhandlungen noch niemand erklären, doch fragen sich gerade die Europäer, ob der Iran noch ein Interesse hat an dem Abkommen. Das Land verdient mit seinen Ölexporten vor allem an China gut. Zwar könnte es wohl doppelt so viel Öl ausführen wie die zuletzt 870’000 Barrel pro Tag. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine bringen die aber deutlich mehr Geld ein.
Und der Iran könnte etwa in Asien weitere Kunden finden. Präsident Ebrahim Raisi jedenfalls spricht davon, dass seine Regierung neben einer Wiederauflage des Atomabkommens andere Wege gefunden habe, die US-Sanktionen zu neutralisieren.
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