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Beunruhigende Vogelgrippe
Wie in den USA ein neues Pandemievirus entstehen könnte

Kühe im Stall neben einer sitzenden schwarz-weissen Katze auf dem Boden.
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In Kürze:
  • Seit 2022 verbreiten Wildvögel besonders ansteckende Influenzaviren weltweit auf Geflügel.
  • In den USA sind Millionen von Geflügel und zahlreiche Kuhherden von der Vogelgrippe betroffen.
  • US-Behörden warnen davor, Rohmilch zu trinken, pasteurisierte Milch sei unbedenklich.
  • In der Schweiz gibt es bislang keine Nachweise von H5N1-Viren bei Säugetieren.

Wildvögel übertragen seit 2022 besonders ansteckende Influenzaviren auf Geflügel. Vor knapp einem Jahr sind erstmals in den USA Vogelgrippeviren auf Kühe übergesprungen und kürzlich erneut eine Variante, die Menschen gefährlich werden könnte.

Wie geht die USA mit der Krise um, und wie ist die Situation in der Schweiz?

Seit wann gibt es diese Art von Vogelgrippe?

Die Vogelgrippeviren mit dem Namen Influenzavirus A (H5N1), die inzwischen fast weltweit kursieren, tauchten erstmals 1996 auf. Seit 2020 ist die Situation eskaliert. Das Virus H5N1 hat sich zu einer Variante verändert, die seitdem unzählige Wildvögel getötet sowie ganze Geflügelzuchten in vielen Ländern in Afrika, Asien und Europa ausgelöscht hat. Ende 2021 erreichte das Virus Nordamerika. Allein in den USA sind mehr als 166 Millionen Tiere in den Geflügelzuchten wegen H5N1 verendet oder gekeult worden. Deshalb sind in den USA die Eier knapp.

Und dann ist das Virus immer öfter auf Säugetiere übergesprungen, auf Katzen, Füchse, Seelöwen, Robben und sogar Eisbären - und auch auf Kühe.

Wie infiziert das Vogelgrippevirus Kühe?

Vor knapp einem Jahr sind erstmals in den USA Vogelgrippeviren auf Kühe übergesprungen. Inzwischen sind über 970 Herden betroffen, die meisten in Kalifornien, dem Staat mit der grössten Milchwirtschaft der USA, wie kürzlich die Vereinigung der Amerikanischen Veterinäre (AVMA) bekannt gab. Dieses Ausmass sei «bedenklich», schätzt das Institut für Virologie und Immunologie (IVI) die Situation ein. Das IVI ist eine Forschungsanstalt, die zum Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) gehört.

Man weiss nicht genau, wie sich die Kühe infizieren konnten. Vermutlich ist die Streu in den Ställen verunreinigt gewesen und die Viren sind über die Milchkanäle in die Euter eingedrungen. Die Annahme ist, dass sich die Viren über Melkmaschinen in den Herden verbreiten.

Sind auch Menschen betroffen?

Ja. Weltweit hat die WHO seit 2003 mehr als 800 Fälle dokumentiert, wo sich Menschen mit dem Vogelgrippevirus H5N1 infizierten. Über die Hälfte der Ansteckungen mit den früheren Vogelgrippeviren endeten tödlich. Im Vergleich zum Ausmass der Infektionen bei Vögeln sind die menschlichen immer noch selten.

In den USA haben sich etwa 70 Menschen mit der Vogelgrippe angesteckt, davon 40 Personen über Kühe. Die Kranken zeigten eher milde Krankheitsverläufe mit Grippesymptomen und Bindehautentzündungen. Die Dunkelziffer könnte aber weit höher liegen, wie eine Untersuchung an Tierärztinnen zeigt. Die US-Seuchenschutzbehörde CDC berichtete, dass von 150 untersuchten Veterinären drei Antikörper gegen das H5N1-Virus im Blut aufwiesen – obwohl bei den Tieren, mit denen sie Kontakt hatten, keine entsprechenden Infektionen bekannt waren.

Beunruhigend ist für Fachleute, dass seit kurzem in den Kuhherden in den USA ein weiterer Genotyp des Vogelgrippevirus zu finden ist, genannt D1.1. (zuvor war es der Genotyp B3.13.). Die Behörden schauen nun besonders hin, denn an einer D1.1.-Infektion ist bereits ein älterer Mensch mit Vorerkrankungen in den USA gestorben, und eine 13-Jährige in Kanada war daran schwer erkrankt.

Können sich Menschen über Lebensmittel anstecken?

Das ist möglich. Die US-Behörden versichern aber den Konsumentinnen und Konsumenten, dass der Verzehr von Eiern und Geflügelfleisch sicher sei, vor allem weil die Produkte gekocht werden. Und auch pasteurisierte Milch gilt als unbedenklich. Problematisch sei jedoch Rohmilch, warnt zum Beispiel die Behörde FDA. Ausgerechnet der neue Gesundheitsminister Robert Kennedy hat aber Ende letzten Jahres Rohmilch als besonders gesund angepriesen und die FDA auf X unter anderem dafür kritisiert, die Verbreitung von Rohmilch «aggressiv» zu unterdrücken.

Gibt es H5N1-Viren auch in Kühen in der Schweiz?

Nein. Zumindest seien hierzulande weder in Kühen noch bei anderen Säugetieren oder gar beim Menschen Vogelgrippeviren nachgewiesen worden, bestätigt das BLV.

Die Situation ist in der Schweiz eine andere, da Vogelgrippeviren derzeit kaum zirkulieren. Es werden nur vereinzelt tote infizierte Wildvögel gefunden. So gab es im Januar beispielsweise vier Nachweise – zwei infizierte Silbermöwen im Kanton Thurgau, ein Schwan im Kanton Bern, eine Möwe im Kanton Luzern. Anfang Februar wurden im Kanton Bern zwei verendete Wildvögel gefunden. Man sollte also auf keinen Fall tote Vögel berühren, warnt das BLV, sondern der Wildhut, der Polizei oder dem zuständigen Veterinärdienst melden.

Könnte in den USA ein neues Pandemievirus entstehen?

Damit H5N1 zu einem Pandemievirus wird, müsste es sich noch besser an Menschen anpassen und zudem die Fähigkeiten erlangen, sich von Mensch zu Mensch zu verbreiten. Ob das in Zukunft passiert, ist nicht klar. Es gibt dabei aber einige besorgniserregende Entwicklungen. Ein US-Team fand kürzlich heraus, dass es im Erbgut der Vogelgrippeviren, die Kühe infizieren, lediglich eine Mutation erfordert, damit sich die Viren gut an den Menschen anpassen und damit leichter infizieren könnten.

Eine andere Gefahr ist, wenn die Vogelgrippeviren auch Schweine infizieren. Der Grund: Schweine gelten als Risikospezies bei der Entwicklung von sehr gefährlichen Influenzaviren. Sie sind anfällig für Infektionen mit Schweinegrippeviren, Vogelgrippeviren und Menschengrippeviren. Damit können sie zu einer Art «Mischgefäss» werden, wo komplett neuartige Influenzaviren entstehen können. Influenzaviren können nämlich untereinander Teile ihres Erbguts austauschen.

Die grösste Sorge ist, dass beispielsweise Vogelgrippeviren mit menschlichen Influenzaviren genetisches Material austauschen und es so zu einem Pandemievirus kommt. Tatsächlich haben sich in sehr seltenen Fällen in den USA Schweine infiziert.

Gibt es Impfungen, die Tiere vor der Vogelgrippe schützen?

Ja, es gibt mehrere Impfstoffe. Zuletzt wurde Mitte Februar ein Impfstoff von der US-Firma Zoetis in den USA zugelassen, der Geflügel vor der Vogelgrippe schützen soll. Das heisst aber noch nicht, dass er tatsächlich eingesetzt wird. Der Vorteil wäre, dass infizierte Vögel nicht mehr an der Infektion sterben. Der Nachteil ist, dass sich geimpfte Vögel trotzdem mit dem Virus infizieren und es weitergeben könnten. Vereinzelt geschehen ist das beispielsweise in Frankreich, wo seit Oktober 2023 Millionen von Enten mit einem anderen Impfstoff der Pharmafirma Ceva immunisiert werden. Wirtschaftliche Nachteile entstehen zum Beispiel, weil viele Länder keine Produkte von geimpften Nutztieren importieren. Laut dem Schweizer Institut für Virologie und Immunologie (IVI) gibt es in Europa keine einheitliche Politik zur Vogelgrippeimpfung. Es bräuchte jedoch gemäss IVI eine «koordinierte, internationale Lösung».

Wie lässt sich die Entwicklung eines Pandemievirus aufhalten?

Die kursierenden Viren müssen gut verfolgt und untersucht werden in Wildvögeln und in Nutztieren. Das heisst, Ausbrüche müssen sofort gemeldet und eingedämmt werden – etwa, indem die Tiere isoliert, getötet oder vorsorglich geimpft werden. Die Frage ist, wie die neue US-Regierung diese Massnahmen durchführt. Fachleute sind besorgt, wenn sich die USA tatsächlich, wie Donald Trump angekündigt hat, aus der WHO zurückziehen würden.

Und die Seuchenschutzbehörde (CDC), die dem Gesundheitsministerium untersteht, wird gerade geschwächt. Robert Kennedy hat direkt am Tag eins nach seiner Ernennung 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Die Frage ist, wie sorgsam künftig die nötigen Daten erhoben und ausgetauscht werden, die es braucht, um weltweit rechtzeitig Pandemien zu kontrollieren und einzudämmen.

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