Exodus in Downing StreetJohnson verliert hochrangige Berater
Die «Partygate»-Affäre und eine Verschwörungstheorie führen zu einem Exodus in der Downing Street. Selbst treue Gefolgsleute wenden sich vom britischen Premier ab.
Um den britischen Premier Boris Johnson wird es zunehmend einsamer: In der «Partygate»-Affäre hat das Personalkarussell in der Downing Street Fahrt aufgenommen. Binnen weniger Stunden nahmen am Donnerstagabend vier hochrangige Mitarbeiter ihren Hut. Die Rücktritte lassen die Saga rund um einen Regierungssitz im Chaos nicht abreissen. Entscheidend ist jedoch, wie viele Abgeordnete der konservativen Tory-Partei Johnson bereits ihr Misstrauen ausgesprochen haben – und wie viele es noch tun werden.
Downing Street teilte am Donnerstagabend mit, dass sowohl Stabschef Dan Rosenfield als auch Johnsons privater Sekretär Martin Reynolds ihre Kündigung eingereicht hätten und diese akzeptiert worden sei. Beide arbeiten noch weiter, bis es Nachfolger für sie gibt. Reynolds war in der «Partygate»-Affäre stark unter Beschuss geraten, da er vor einer der Lockdown-Partys in der Downing Street eine Mail an rund 100 Mitarbeiter mit der Aufforderung «Bringt euren eigenen Alkohol mit» herumgeschickt haben soll.
Vorher hatten bereits Kommunikationschef Jack Doyle und die hochrangige Beraterin Munira Mirza gekündigt, wie der «Spectator» und die «Daily Mail» enthüllten.
Doyle hatte an mindestens einer der umstrittenen Lockdown-Partys in der Downing Street teilgenommen. Einem Bericht der Zeitung «Daily Mail» zufolge sagte Doyle, die vergangenen Wochen hätten sein «Familienleben schrecklich belastet».
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Besonders der Abgang von Mirza, für die der missglückte Angriff von Boris Johnson auf den Oppositions-Chef Keir Starmer, bei der sich der Premier einer in rechten Kreisen verbreiteten Verschwörungstheorie bediente, das Fass zum Überlaufen brachte, gilt als herber Schlag für Johnson.
«Mit einer Verschwörungstheorie punkten»
Mirza drückte ihre Enttäuschung darüber aus, dass Johnson sich dafür zwar erklärt, aber nicht entschuldigt hatte – und forderte ihn auf, dies noch zu tun. «Es ist nicht zu spät für Sie, aber, es tut mir leid das zu sagen, es ist zu spät für mich», schrieb sie in einem dramatischen Abschiedsbrief.
Mirza nannte als Grund für ihre Kündigung Johnsons «infamen» Angriff auf den Labour-Chef Keir Starmer Anfang der Woche. Johnson hatte dem Oppositionsführer am Montag im Parlament vorgeworfen, er habe es als Leiter der Staatsanwaltschaft von 2008 bis 2013 persönlich versäumt, den Sexualstraftäter Jimmy Savile strafrechtlich zu verfolgen.
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Diese in rechtsextremen Kreisen verbreitete Verschwörungstheorie gilt weithin als widerlegt. Starmer warf Johnson daraufhin vor, «die Verschwörungstheorien gewalttätiger Faschisten nachzuplappern, um politisch billig zu punkten». Nach dem Tod des einstigen Star-Moderators Jimmy Savile 2011 war bekannt geworden, dass er über etwa 40 Jahre hinweg hunderte Kinder und Erwachsene missbrauchte, ohne dafür belangt zu werden.
«Der Bunker bricht zusammen»
Dem Portal «Politico» zufolge soll der überraschende Abgang von Mirza, die 14 Jahre für Johnson gearbeitet hat und bislang als eine seiner treuesten Unterstützerinnen galt, das Karussell in Gang gesetzt haben. Unklar ist bislang, wie freiwillig die weiteren Rücktritte waren. In seiner Reaktion auf die offizielle Untersuchung hatte Johnson eine weitreichende Reform des britischen Amtssitzes angekündigt. So sollten etwa Zuständigkeiten klarer zugewiesen und ein neuer Koordinierungsposten geschaffen werden. Über personelle Konsequenzen wurde dabei zunächst nichts bekannt.
Johnsons ehemaliger Chefberater Dominic Cummings, der inzwischen ein ausgemachter Gegner des Regierungschefs ist, erklärte, Mirzas Rücktritt sei ein «untrügliches Signal, dass der Bunker zusammenbricht».
Während der Corona-Lockdowns haben in der Downing Street Berichten zufolge immer wieder Partys stattgefunden, bei denen Corona-Regeln gebrochen wurden und bei denen Johnson teilweise auch selbst dabei gewesen sein soll. Ein Untersuchungsbericht wirft den Verantwortlichen Führungsversagen und Regelbrüche vor, ausserdem ermittelt die Polizei. Einige Abgeordnete seiner eigenen Partei haben Johnson bereits schriftlich ihre Unterstützung entzogen. Der BBC zufolge sollen bereits 17 Briefe bei dem zuständigen Komitee eingegangen sein, bei 54 käme es zu einem Misstrauensvotum.
AFP/fal
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