Altkanzler Schröder nach Moskau-Reise«Wer glaubt denn ernsthaft, dass ein russischer Präsident die Krim je wieder aufgeben könnte?»
Gerhard Schröder ist nach Gesprächen mit dem russischen Präsidenten zuversichtlich, dass im Ukraine-Krieg eine Verhandlungslösung gefunden werden kann. Von einer persönlichen Distanzierung zu Putin hält er nichts.
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich nach Gesprächen in Moskau zuversichtlich gezeigt, dass Russland im Krieg gegen die Ukraine eine «Verhandlungslösung» anstrebt. Das jüngst erzielte Abkommen der Kriegsparteien zu den Getreide-Exporten aus der Ukraine sei ein «erster Erfolg», den man vielleicht «langsam zu einem Waffenstillstand ausbauen» könne, sagte das SPD-Mitglied in einem Interview mit dem Magazin «Stern» und dem Sender «RTL/ntv». Er habe sich vorige Woche in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen.
Der Altkanzler steht seit langem wegen seiner Nähe zu Putin und zur russischen Öl- und Gaswirtschaft in der Kritik. Schröder bezeichnete den Krieg nun erneut als «Fehler der russischen Regierung», verteidigte aber gleichzeitig seine Kontakte nach Moskau. «Aber warum sollte ich mit Gesprächen, die rechtlich möglich sind und mich und meine Familie nicht in Schwierigkeiten bringen, aufhören?» fragte er in dem Interview.
Es sei «ein grosser Fehler, mögliche Zugeständnisse der Ukraine als russischen «Diktatfrieden» vorab zu verunglimpfen», sagte Schröder. Er fügte zugleich hinzu: «Wenn Sie sich mal die Probleme anschauen, die wirklich relevant sind, so sind sie lösbar.» So sei es zum Beispiel «abwegig», dass die Ukraine die Krim militärisch wieder zurückerobere. Beim Thema Nato-Mitgliedschaft habe selbst der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski gesagt, «dass es eine Alternative gebe, etwa eine bewaffnete Neutralität für die Ukraine, ohne Nato- Mitgliedschaft, wie Österreich».
«Komplizierter» sei es mit Blick auf den Donbass im umkämpften Osten der Ukraine. «Dazu wird man eine Lösung nach dem Schweizer Kantonsmodell finden müssen», sagte Schröder weiter. Die eigentliche Frage müsse lauten: «Will man den Konflikt überhaupt lösen?» Dann müsse es Zugeständnisse auf beiden Seiten geben.
Die Krim ist aus seiner Sicht verloren
Schröder betonte in dem Interview, die Schwarzmeer-Halbinsel Krim – die Russland bereits 2014 annektiert hatte – sei aus seiner Sicht für Kiew verloren. «Die Vorstellung, dass der ukrainische Präsident [Wolodimir] Selenski die Krim militärisch wieder zurückerobert, ist doch abwegig», sagte er. «Wer glaubt denn ernsthaft, dass ein russischer Präsident die Krim je wieder aufgeben könnte?»
Ausdrücklich lobte Schröder die Vermittlungsbemühungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in dem Konflikt. «Aber ohne ein Ja aus Washington wird es nicht gehen», schränkte Schröder mit Blick auf die Haltung der US-Regierung ein. Es gebe in Russland «wirkliche Einkreisungsängste, die aus der Geschichte gespeist sind», sagte er weiter und fügte hinzu: «Und die haben ja leider auch ihre Berechtigung.»
Schröder lehnte erneut einen Bruch mit seinem Freund Putin ab. Er habe «mehrfach den Krieg verurteilt» und frage zugleich, ob eine «persönliche Distanzierung von Wladimir Putin wirklich irgendjemandem etwas bringen» würde. Er habe «Entscheidungen getroffen und dazu stehe ich». Der Altkanzler fügte hinzu: «Vielleicht kann ich noch mal nützlich sein. Warum soll ich mich also entschuldigen?»
Schröder war bereits Anfang März nach Moskau gereist und hatte mit Putin über den Ukraine-Krieg gesprochen. Auch danach hatte er von einem Interesse Putins an einer Verhandlungslösung berichtet.
Gegen Schröder läuft derzeit ein Parteiausschlussverfahren wegen seiner Nähe zu Putin und seines Engagements für russische Staatskonzerne. Aus der SPD waren insgesamt 17 entsprechende Anträge von Kreis- und Ortsverbänden eingegangen.
SDA/AFP/sep
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