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Spezial-«Arena» zum EU-Deal
Viele Schuldzuweisungen und nur einer freut sich

Spezial-«Arena» nach dem Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen: Moderator Sandro Brotz mit (von links) Beat Walti (FDP), Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte) und Cédric Wermuth (SP).
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Es war ein historischer Moment, als am Mittwoch die Staatssekretärin Livia Leu nach Brüssel reiste, um einer Mitarbeiterin der EU-Kommission den Brief von Bundespräsident Guy Parmelin (SVP) zu übergeben. Darin stand, dass der Bundesrat die Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen nicht weiterführen wolle.

SRF verschob aus diesem Anlass kurzerhand den «Kulturplatz» und liess in einer Spezial-«Arena» die Parteikader reden, streiten, den Moment würdigen. Die unterschiedlichen europapolitischen Ansichten prallten nochmals mit aller Wucht aufeinander.

Für SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi war es ein «Freudentag»: Er sprach von einem «Sieg für die Freiheit», das Schweizervolk wolle sich nicht der EU unterwerfen.

«Sieg für die Freiheit»: Für den Zuger Nationalrat und SVP-Fraktionschef war der Mittwoch ein Freudentag.

Der Zuger Nationalrat war allerdings der Einzige im Studio, der sich vorbehaltlos freute. Andere waren enttäuscht. GLP-Präsident Jürg Grossen sprach von einem «historischen Fehlentscheid des Bundesrats». Und Mitte-Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter sagte: «Es wird uns wehtun.» Die Geschichte werde «uns nicht recht geben», erklärte die Baselbieterin, die sich innerhalb ihrer Partei für das Abkommen starkgemacht hatte. Andere – etwa Parteipräsident Gerhard Pfister – hatten es früh schon abgeschrieben.

Schuld sind die anderen

Grund für das Scheitern sei das Unvermögen des Bundesrats, die politischen Kräfte zu einer Allianz zu vereinen, «die Ränge zu schliessen», meinte Schneider-Schneiter. Auch SP-Co-Chef Cédric Wermuth ist der Ansicht, dass das Abkommen am Bundesrat scheiterte, «primär am Aussenminister». Ignazio Cassis (FDP) sei «gar nie richtig in Brüssel» gewesen und habe die Schweizer Lohnempfänger mit einem «Buebetrickli» überlisten wollen (Anmerkung: Indem er Vorschläge zur Reform der flankierenden Lohnschutzmassnahmen ins Spiel brachte). Der politische Wille zu erfolgreichen Verhandlungen habe gefehlt, sagte Wermuth.

Allerdings wird auch Wermuth beziehungsweise der SP dieser politische Wille abgesprochen: Die SP hat zusammen mit den Gewerkschaften bei der Verhinderung des Rahmenabkommens eine wichtige Rolle gespielt. Indem sie ein Entgegenkommen der Schweiz bei den Lohnschutzmassnahmen verhinderte, sorgte sie gemeinsam mit konservativen Kräften von rechts, die das Abkommen als Ganzes ablehnen, dafür, dass der Bundesrat das Projekt schliesslich fallen liess.

Lohnempfänger hätten mit einem «Buebetrickli» überlistet werden sollen: SP-Co-Chef Cédric Wermuth.

Für Wermuth sind aber die FDP-Bundesräte schuld. Für FDP-Fraktionschef Beat Walti wiederum sind es die SP-Bundesräte. Sie hätten mehr Partei- als Sachpolitik gemacht.

«Schuld sind immer die anderen», warf Moderator Sandro Brotz darauf ein. «Nein, ich bin enttäuscht vom Gremium», sagte Beat Walti. «Es ist ein schlechter Tag für die Konkordanz.»

«Es ist ein schlechter Tag für die Konkordanz.»

Beat Walti, Fraktionschef der FDP

Man solle die Lage nicht so dramatisieren, meinte hierzu Thomas Aeschi. Es sei an der Zeit, dass die Schweiz wieder selbstbewusster auftrete, auch gegenüber der EU. Dass sie sich ihrer Stärken bewusst werde. Angesichts der vielen Importe aus der EU, angesichts vieler Tausend ausländischer Studenten, die hier in der Schweiz gratis und franko studieren dürften.

China-Vorwurf trifft wunden Punkt

Grünen-Chef Balthasar Glättli wiederum warf der SVP vor, dass sie mit ihrer Vision einer Wirtschaftspolitik Grundwerte und Menschenrechte aussen vor lasse. Der Bundesrat habe in den letzten Jahren häufiger «die grösste Diktatur der Welt» besucht als die europäischen Partner in Brüssel. Gemeint ist China. «Wenn das das SVP-Modell ist, hat das mit Souveränität und dem Respekt vor den Menschenrechten und der Demokratie wenig zu tun», sagte Glättli.

Der Vorwurf schien Aeschi für einen Moment aus der Fassung zu bringen: Er sprach nicht mehr ruhig, sondern schrie fast schon. Wortfetzen: nicht einseitig noch mehr EU-Recht übernehmen; zusammenschaffen, wo es sinnvoll ist; nicht nur auf Brüssel schauen, nicht «gleich kurze Spiesse wie die EU» haben, sondern längere Spiesse. Es war keine eigentliche Antwort, mehr eine echauffierte Rechtfertigung. Glättli hatte offenbar einen wunden Punkt getroffen.

Doch wie weiter? Alle Vertreter von FDP bis SP waren sich einig, dass man sich jetzt zusammenraufen und anfangen müsse, Sachpolitik zu betreiben im Interesse der Schweiz. Doch es zeigte sich gleich in den folgenden Minuten, dass keinerlei Konsens darüber herrscht, was unter konstruktiver Sachpolitik in dieser Angelegenheit zu verstehen ist.