US-Vizepräsidentin nach 100 TagenViele Aufgaben für Kamala Harris – und eine grosse Frage
Infrastruktur, Migration, Impfprogramm: Joe Biden hat seine Vizepräsidentin stark eingebunden. Was lässt sich daraus für ihre Zukunft ablesen?
Was macht eigentlich Kamala Harris? Diese Frage war in Washington in den ersten Wochen der neuen US-Regierung öfter zu hören. Zwar sah man die Vizepräsidentin ständig an der Seite von Joe Biden, und wenn der Präsident über seine Pläne redete, sprach er stets im Plural – wir. Das sollte den Eindruck vermitteln: Biden und Harris, das ist ein Team von Gleichberechtigten. Doch was macht Harris genau? Das war bis vor kurzem nicht so klar.
Nun, nach 100 Tagen Amtszeit, lautet die Frage eher: Was macht Kamala Harris eigentlich nicht? Am Mittwoch, bei seiner ersten Rede vor dem Kongress, übertrug Biden seiner Vize fast beiläufig eine weitere Aufgabe – eine von vielen, die inzwischen zu ihrem Portfolio gehören.
Ein öffentlicher Vertrauensbeweis
Biden sprach im Kongress über sein Infrastrukturpaket, mit dem nicht nur Strassen und Brücken repariert, sondern auch das Strom- und Wassernetz erneuert und schnelles Internet in die ländlichen Gebiete gebracht werden soll. «Ich bitte die Vizepräsidentin, diese Anstrengungen zu leiten», sagte Biden und wandte sich mit einem Nachsatz an Harris, die hinter ihm sass: «Wenn Sie möchten. Weil ich weiss, dass es dann erledigt wird.»
Das war ein sehr öffentlicher Vertrauensbeweis seitens Bidens, aber es war nicht der erste. Harris, die erste Frau und die erste Schwarze im Amt der Vizepräsidentin, hat in den vergangenen Wochen eine Reihe von Dossiers übernommen, die zu den Schwerpunkten der neuen Administration gehören – darunter im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Harris soll dabei helfen, dass das Corona-Impfprogramm möglichst viele Amerikaner erreicht, die als Impfskeptiker gelten. Von ihnen gibt es in der afroamerikanischen Gemeinde überdurchschnittlich viele. Harris koordiniert auch die Bemühungen der Administration, den mehr als zwei Millionen Frauen zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu verhelfen, den sie im Zug der Pandemie verlassen haben. Zudem soll sie sich um die Hilfsmassnahmen für Geschäfte kümmern, die von Schwarzen oder Latinos geführt werden.
In konservativen Kreisen ist Harris mit dem Migrationsthema zur Zielscheibe geworden.
Vor allem aber hat Biden Harris mit einer Mission beauftragt, die man als den schwierigsten Job in Washington bezeichnen könnte: Sie soll in Zusammenarbeit mit den Regierungen von El Salvador, Guatemala und Honduras verhindern, dass sich so viele Migranten auf den Weg in die USA machen. Der Anstieg der illegalen Einwanderung ist für die Biden-Regierung ein politisches Problem. Harris soll es lösen, möglichst bald – auch wenn sie selbst die Erwartungen dämpft. «Wir werden dies nicht über Nacht lösen können», sagte sie.
In konservativen Kreisen ist Harris damit zur Zielscheibe geworden, weil sie im Migrationsthema ein Mittel sehen, sich auf die Biden-Administration einzuschiessen. Einige Demokraten, die hoffen, dass Harris vielleicht schon 2024 selbst für die Präsidentschaft antritt, sind deshalb unglücklich darüber, dass Biden seine Vize mit dieser heiklen Aufgabe derart exponiert.
Das ist sie, die Frage, die fast immer mitschwingt, wenn vom Verhältnis zwischen den beiden die Rede ist: Wird Harris den heute 78 Jahre alten Präsidenten zu beerben versuchen? Und wenn ja, wann?
Was die Umfragen sagen
Die Berater der Vizepräsidentin betonen, dass Harris nicht an ihre eigene Zukunft denke, sondern sich ganz in den Dienst der jetzigen Administration stelle – was dem Präsidenten bewusst sei. Biden frage Harris in jeder Sitzung nach ihrer Meinung, sagte Harris’ Stabschefin Tina Flournoy. Weil die beiden wegen der Pandemie nicht viel reisten, würden sie zudem viel mehr Zeit miteinander verbringen, als das unter anderen Umständen der Fall wäre.
Zumindest was die öffentliche Meinung angeht, verliefen die ersten 100 Tage jedenfalls auch für Harris ganz in Ordnung. In einer CNN-Umfrage kommt sie auf einen Zustimmungswert von 53 Prozent. Das ist nicht spektakulär. Aber es macht sie genauso beliebt wie Biden.
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