Presseschau zum geplatzten EU-Deal«Verschrottet», «Brücke angesägt», «grosser Bruch», «Schwexit»
In europäischen Medien wird umfassend über die Entscheidung des Bundesrats, die Verhandlungen mit der EU abzubrechen, berichtet. Meist ist die Einschätzung von Kritik geprägt – ausser in Grossbritannien.
Der Abbruch der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU hat in Europa ein grosses Medienecho ausgelöst. Noch während der Bundesrat in Bern die Medien informierte, hatten schon verschiedene deutsche Leitmedien die Nachricht ganz oben auf ihren Websites platziert. «Schweiz lässt Rahmenabkommen mit der EU platzen», hiess es etwa beim «Handelsblatt» oder bei Tagesschau.de. «Zeit Online» verzeichnete zwei Stunden nach der Ankündigung des Bundesrats schon mehr als 300 Kommentare von Leserinnen und Lesern. Lebhaft diskutierten EU-Kritiker mit Kritikern der Schweizer Politik.
«Entscheidung in Bern: Die Schweiz sägt an der Brücke nach Europa» überschrieb die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) einen Bericht ihres Schweiz-Korrespondenten. «Kurzfristig dürfte das Scheitern des Rahmenvertrags keine grossen Folgen haben für die Schweiz. Die bestehenden bilateralen Verträge sind weiterhin gültig», hiess es dort. «Mittel- und langfristig drohen diese aber zu erodieren. Damit wird der Marktzugang aufwendiger und teurer.»
Auch die «Süddeutsche Zeitung» sah die Entwicklung eher kritisch. Unter der Überschrift «Schweiz lässt Vertrag mit der EU platzen» kommt die Schweiz-Korrespondentin der Zeitung zu dem Schluss: «Mit dem Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen droht eine Art Schwexit. Die Beziehungen zwischen Bern und Brüssel werden wohl schleichend erodieren.»
Auf grosses Interesse stiess die Entscheidung des Bundesrats auch in Grossbritannien – das nach seinem Bruch mit der EU, dem Brexit, selbst seine Beziehung zum europäischen Staatenbund neu definieren muss. Die «Financial Times» schrieb von der Frustration in Brüssel, «das seit Mai 2014 Hunderte Stunden für Verhandlungen (mit der Schweiz) investiert» habe. Nun sei die Frustration noch grösser, nachdem «Bern Jahre der Verhandlungen verschrottet» habe. Dabei habe die Schweiz bisher «wie kein anderes Land» eine einmalige Beziehung zur EU gehabt.
In den EU-kritischen britischen Boulevardmedien war eine gewisse Genugtuung zu erkennen. «Noch eine blutige Nase für Ursula von der Leyen nach dem Abschluss des Brexit im Januar», meinte etwa die «Daily Mail» online. Die Forderung «des Blocks», also der EU, nach Freizügigkeit sei «ein zu hoher Preis» gewesen, den die Schweiz nicht zu zahlen bereit sei, analysierte das Blatt.
«Schweiz KASSIERT Gespräche mit der EU … ‹Wir müssen UNSERE Interessen schützen›», titelte die Boulevardzeitung «Daily Express» auf ihrer Website, betonte im Bericht jedoch, dass die Beziehungen der Schweiz zur EU sehr eng bleiben würden. Deutlich nüchterner fiel ein Bericht des staatlichen Senders RTE im benachbarten Irland aus. «Indem die Schweiz dem neuen Abkommen den Rücken kehrt, könnte ihre Quasimitgliedschaft in der EU mit der Zeit gestört und letztlich gefährdet werden», schrieb der Korrespondent.
Mit einer gewissen Sorge berichteten Medien in Österreich über die Ereignisse in der Schweiz. «Das enge Verhältnis zur Europäischen Union wird auf die Probe gestellt», meinte etwa die Wiener Tageszeitung «Der Standard». In «Die Presse», ebenfalls aus Wien, war zu lesen: «Nach dem Brexit kündigt sich der nächste grosse europäische Bruch an.» Die Schweiz riskiere «eine schrittweise Abkoppelung vom Binnenmarkt».
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