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Meinung

Kommentar zum Bundes­gerichtsurteil
Vergewaltigung: Es darf keine Frage der Minuten sein

Demo für das Vergewaltigungsopfer vom St. Johann, Appelationsgericht Basel
Bäumleingasse 1. Die Berichterstattung zum Urteil «Vergewaltigungsfall Elsässerstrasse» hat viele Reaktionen hervorgerufen. Sonntag 08. August 2021. Foto @ nicole pont.
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Ja, es waren nur elf Minuten. Elf Minuten, die das Leben einer jungen Frau aus Basel für immer veränderten. Während dieser Zeitspanne wurde sie an einem frühen Morgen im Februar 2020 von zwei Männern im Alter von 33 und 17 Jahren vor ihrem Hauseingang in Basel zu sexuellen Handlungen gezwungen. Sie drangen oral und vaginal in sie ein, obwohl sie sich wehrte, obwohl sie mit ihren Händen um sich schlug. Als der jüngere Täter ihr ins Gesicht ejakulierte, schrie sie so laut, dass die beiden endlich von ihr abliessen und flüchteten.

Das Basler Appellationsgericht kam 2021 bei dem damals 33-Jährigen zu einem strafmildernden Befund. Die Tat habe «vergleichsweise kurz» gedauert, ausserdem habe das Opfer mit dem «Feuer gespielt», indem es vor der Tat in einem Club falsche Signale ausgesandt habe. Die Frau hatte in besagtem Club Sex mit einem anderen Mann gehabt. Das Urteil sorgte schweizweit für Empörung und Protestaktionen.

Man kommt nicht umhin, sich die zynische Frage zu stellen, was denn nun bitte die angemessene Anzahl Minuten ist, damit eine Vergewaltigung als «lange» Tat gilt.

Das Bundesgericht hat in einem am Mittwoch publizierten Bericht festgehalten, dass das Verhalten des Opfers vor der Tat keinen Einfluss auf das Strafmass haben darf. Das heisst: Die Tatsache, dass die Frau vor der Tat freiwillig entschied, mit einem Mann ungeschützten Sex zu haben, darf nicht zugunsten ihres späteren Vergewaltigers ausgelegt werden. So weit, so logisch.

In einem anderen Punkt hat das Bundesgericht das Basler Gericht jedoch nicht korrigiert: Es sei korrekt, dass die Dauer der Vergewaltigung bei der Strafe berücksichtigt worden sei. Das ist in Anbetracht der Brutalität einer solchen Tat bestürzend. Man kommt nicht umhin, sich die zynische Frage zu stellen, was denn nun bitte die angemessene Anzahl Minuten ist, damit eine Vergewaltigung als «lange» Tat gilt.

Das Bundesgericht hat es verpasst, den Fehlentscheid des Basler Appellationsgerichts richtigzustellen und damit ein Zeichen zu setzen. «Vergleichsweise relativ kurz» lautet der Wortlaut in dem Bundesgerichtsurteil. Damit wird nicht nur eine brutale Tat bürokratisiert und verharmlost, sondern auch das Opfer im Stich gelassen.