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Repressionen in Venezuela
Maduro-Regime kehrt zu alter Härte zurück

Venezuelan President Nicolas Maduro greets supporters during a rally to support his government in Caracas on January 23, 2024. (Photo by Gabriela Oraa / AFP)
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Immerhin: Man weiss jetzt, wo sie ist. Eine Woche ist vergangen, seit Rocio San Miguel am Flughafen von Caracas festgenommen wurde. Die 57-Jährige ist eine der bekanntesten Menschenrechts­aktivistinnen in Venezuela, eine profilierte Anwältin und Vorsitzende von Control Ciudadano, einer Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Arbeit der im Land enorm mächtigen Streitkräfte zu überwachen.

Immer wieder wurde San Miguel bedroht und beschimpft. Die Regierung von Nicolas Maduro warf ihr vor, eine Spionin zu sein oder gar einen Umsturz zu planen. Ganz unerwartet kam die Festnahme also nicht, dennoch aber ist sie ein Schock.

Vorwurf des Terrorismus und der Verschwörung

Einerseits, weil es lange keinerlei Informationen über das Schicksal von San Miguel gab. Mittlerweile weiss man, dass ihr wohl Terrorismus vorgeworfen wird, Heimatverrat und die Beteiligung an einer Verschwörung. Und seit Dienstagabend ist auch klar, dass die Menschenrechtsaktivistin anscheinend im Helicoide einsitzt, einem ikonischen Gebäude in Caracas, das einst als Einkaufszentrum geplant war, heute aber der Sitz des Geheimdienstes ist.

Gleichzeitig steht die Verhaftung von San Miguel in einer Reihe mit weiteren Festnahmen, die es in den vergangenen Wochen gegeben hat, darunter Journalisten und Aktivisten sowie Mitarbeiter von Oppositionspolitikern. Die Regierung von Nicolas Maduro, so scheint es, geht immer härter gegen Kritiker vor – was insofern verwundert, als es noch vor kurzem so ausgesehen hatte, als würde das Land endlich in die entgegengesetzte Richtung steuern, nicht weniger Demokratie also, sondern mehr.

TOPSHOT - Venezuelan President Nicolas Maduro passes by the sword of the liberator Simon Bolivar and paintings of the late Venezuelan President Hugo Chavez (R) and liberator Simon Bolivar as he walks to the dais to give his state of the nation address to parliament, at the National Assembly headquarters in Caracas on January 15, 2024. (Photo by Federico PARRA / AFP)

Seit einem Vierteljahrhundert wird Venezuela vom «Chavismo» regiert, erst von Hugo Chavez selbst, dem Namensgeber, dann von seinem Nachfolger, Maduro. Ihm wirft die Opposition systematischen Wahlbetrug vor, gleichzeitig attestieren die Vereinten Nationen der Regierung Venezuelas schwere Menschenrechtsverbrechen. Über Jahre verhängten die USA immer neue Sanktionen, und 2020 wurde sogar ein Kopfgeld auf den Staatschef ausgesetzt: 15 Millionen Dollar Belohnung für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen.

Interesse des Westens an Öl aus Venezuela

Vor knapp zwei Jahren dann auf einmal: Tauwetter. Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine war der Westen abgeschnitten von russischem Gas und Öl. Und Öl hat Venezuela immer noch mehr als jedes andere Land der Welt: geschätzte 300 Milliarden Barrel, gelagert oft direkt unter der Erdoberfläche.

Auf einmal reisten wieder US-amerikanische Delegationen nach Caracas, und es wurden wieder zarte Handelsbande geknüpft. Die Grenzen zu Nachbar Kolumbien wurden geöffnet, und lange verwaiste Botschaftsgebäude in Caracas füllten sich abermals mit Leben. Auch im Land selbst schienen Dinge in Bewegung zu geraten: Politische Gefangene wurden freigelassen, und sogar von Wahlen war die Rede – frei und fair, so jedenfalls war die Idee. Und irgendwann im zweiten Halbjahr 2024 sollen diese Wahlen stattfinden.

TOPSHOT - Venezuelan opposition leader, Maria Corina Machado, speaks during a press conference outside her party headquarters in Caracas on January 29, 2023. Venezuela opposition leader Maria Corina Machado, who has been disqualified from running in this year's election, vowed Monday that President Nicolas Maduro would not get to choose his rival in the race. (Photo by Federico Parra / AFP)

Der Punkt, an dem die Aufbruchstimmung kippte, waren wohl die Vorwahlen, welche die Opposition im letzten Oktober abhielt, um schon einmal einen Kandidaten zu küren. Mehr als zwei Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner nahmen teil, viel mehr als erwartet. Und am Ende gewann mit rund 90 Prozent der Stimmen auch noch Maria Corina Machado, eine Konservative, die Margaret Thatcher zu ihren grössten Vorbildern zählt und die sozialistische Regierung in der Vergangenheit als «Mafia» bezeichnet hat.

Oppositionschefin von Wahlen ausgeschlossen

Im Regierungsviertel in Caracas schrillten die Alarmglocken. Gegen die Organisatoren der Vorwahlen wurden rechtliche Schritte eingeleitet, wegen des Verdachts der Verletzung von Wahlfunktionen, Identitätsdiebstahls, Geldwäsche und krimineller Vereinigung. Und obwohl die USA mit dem Wiedereinsetzen von aufgehobenen Sanktionen drohten, bestätigte ein Gericht Ende Januar ein Urteil, das Machado wegen angeblicher finanzieller Unregelmässigkeiten von der Teilnahme an Wahlen ausschliesst.

FILE - Venezuelan activist Rocio San Miguel, who leads a private organization focused on national security and defense issues, talks during a conference in Caracas, Venezuela, on Sept. 14, 2011. The administration of Venezuelan President Nicolás Maduro has arrested San Miguel, the government confirmed Sunday, Feb. 11, 2024. (AP Photo/Fernando Llano, File)

Nun also auch noch die Verhaftungen: Mitarbeiter aus Machados Büro sind darunter, aber eben auch die Menschenrechts­aktivistin Rocio San Miguel. Eine Vielzahl von Organisationen in Venezuela und auch im Ausland haben die Festnahme verurteilt, Amnesty International genauso wie Human Rights Watch. Und auch die UNO-Menschenrechtskommission liess verlauten, man verfolge den Fall Rocio San Miguel mit grosser Sorge: «Wir fordern ihre sofortige Freilassung und die Wahrung ihres Rechts auf Rechtsbeistand.»

Immerhin: Einige ebenfalls inhaftierte Familienmitglieder der Menschenrechts­aktivistin scheinen mittlerweile wieder auf freiem Fuss zu sein. Sie selbst aber sitzt weiterhin in Haft.