Saudiarabien, USA und IsraelDreierabkommen ist mehr Wunsch als Wirklichkeit
Die USA hoffen, dass Saudiarabien Israel anerkennt. Aber kein arabischer Führer wird ohne Palästinenserstaat einer solchen Annäherung zustimmen können.
Der Durchbruch stehe kurz bevor, verkünden US-amerikanische Diplomaten in diesen Tagen, man sei sich in vielen Details einig geworden mit Saudiarabien. Gerade erst war der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, in Riad, um mit Kronprinz Mohammed bin Salman über so sensible Themen wie ein ziviles Nuklearprogramm und ein Verteidigungsabkommen zu diskutieren. In den grossen Fragen sei Einigkeit erzielt worden, verkünden die Diplomaten – und klingen dabei teilweise recht euphorisch.
Ein Abkommen zwischen den USA und Saudiarabien wäre in der Tat ein so grosser Schritt, der noch wenige Jahre zuvor undenkbar erschien. US-Präsident Joe Biden hatte das Land nach dem Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi 2019 noch als Paria bezeichnet und zu Beginn seiner Amtszeit den Fokus auf die asiatische Region gelegt. Saudiarabien wandte sich enttäuscht ab, suchte den Kontakt zu China, das später sogar eine Annäherung an den Erzfeind Iran vermittelte.
Diskussion um ziviles Atomprogramm in Saudiarabien
Die Furcht, den Einfluss im Nahen Osten an die Chinesen zu verlieren, bewog die Amerikaner zum Umdenken. Saudiarabien soll im Pakt mit den Amerikanern die Möglichkeit erhalten, ein ziviles Atomprogramm zu entwickeln, dazu gibt es Sicherheitsgarantien und den Zugang zu modernen Waffen und künstlicher Intelligenz. Aber auch die grössten Optimisten in der US-Regierung kommen nicht umhin, einzugestehen, dass dem Deal bisher der dritte Partner fehlt, ohne den er nicht funktioniert: Das Abkommen ergibt nur gemeinsam mit den Israelis Sinn.
Das grosse Ziel von Biden ist es, Saudiarabien dazu zu bewegen, Israel erstmals anzuerkennen, im Gegenzug sollte das Königreich wieder unter den US-Schutzschirm dürfen. Bereits vor dem 7. Oktober sah es so aus, als stünde das Abkommen kurz bevor, der Terror der Hamas änderte alles. Eines der Motive der Terrorgruppe war es wohl, die immer weiter fortschreitende Normalisierung zwischen Israel und grossen Teilen der arabischen Welt, die das Problem der Palästinenser ignoriert hatte, zu beenden.
Der saudische Kronprinz stellt eine Bedingung
Schon vor dem Terror der Hamas und dem Gegenschlag Israels war die Annäherung an Israel ein saudisches Eliteprojekt des Kronprinzen. Er wollte für die Entwicklung seines Landes weg vom Öl ein stabiles politisches Umfeld schaffen – während 98 Prozent der Bevölkerung die Annäherung ablehnten, wie Umfragen zeigten. Ein Wert, der seit dem verheerenden Krieg der Israelis gegen Gaza und die Palästinenser noch gestiegen sein dürfte. Der Preis des Abkommens ist damit ein völlig anderer geworden.
Vor dem Krieg hatte Kronprinz bin Salman vage von Verbesserungen für die Palästinenser gesprochen, nun macht er «eine Zweistaatenlösung, die den Bestrebungen und legitimen Rechten des palästinensischen Volkes entspricht», zur Bedingung. Eine Forderung, die Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wiederholt abgelehnt hat, weshalb man auf saudischer Seite auch deutlich weniger euphorisch ist als auf amerikanischer.
Fotos des Treffens mit dem US-Sicherheitsberater wurden in den staatlichen Medien nicht veröffentlicht, in einer Pressemitteilung wurde recht nüchtern davon berichtet, dass mit dem Gast die «halb fertige Version eines Entwurfs» besprochen worden sei.
In der Realität scheint das Dreierabkommen noch weniger als halb fertig zu sein. Ein palästinensischer Staat ist in weiter Ferne, nicht einmal das Ende des Kriegs und eine vage Perspektive für den Wiederaufbau Gazas sind in Sicht. Israels Ministerpräsident Netanyahu sieht sein Ziel des Machterhalts mit jedem Kriegstag ein Stück näherrücken.
Benny Gantz, Oppositionsführer und Mitglied des Kriegskabinetts, sprach zwar vor wenigen Tagen Netanyahu ein Ultimatum aus und forderte einen Plan für Gaza nach dem Krieg sowie eine weitere Annäherung an Saudiarabien. Aber auch Gantz sprach nicht von einem Staat für die Palästinenser – den auch die Mehrheit der israelischen Bevölkerung zum jetzigen Zeitpunkt ablehnt.
Arabische Liga kann nichts mit Hamas anfangen
Von arabischer Seite ist bisher ebenfalls wenig Einfallsreiches zur Befriedung des Gaza-Konflikts zu hören. Die politische Führung der meisten Länder von Ägypten bis zum Golf kann wenig mit der Hamas anfangen, die Stimmung in der Bevölkerung ist aber meist eine ganz andere. Sechs Monate brauchte die Arabische Liga, um seit November erneut wegen Gaza zusammenzukommen.
In Bahrain forderte sie vor wenigen Tagen eine Friedenstruppe unter Aufsicht der Vereinten Nationen, was wiederum Netanyahu ablehnen wird. Seit Netanyahu durch den Internationalen Strafgerichtshof ein Haftbefehl droht, wird er noch weniger mit internationalen Organisationen kooperieren wollen, die sich aus seiner Sicht gegen Israel verschworen haben.
Der amerikanische Optimismus scheint dieser Tage vor allem Stimmungsmache im US-Wahlkampf zu sein. In Gaza dagegen gibt es wenig bis keine Gründe zur Hoffnung. Der Krieg geht weiter, die beiden Grenzübergänge, über die bisher alle Hilfe nach Gaza kam, sind geschlossen. Die Vereinten Nationen haben in Rafah die Verteilung der Hilfe eingestellt, weil kein Nachschub kommt. Ägypten und Israel beschuldigen sich gegenseitig, dafür verantwortlich zu sein. Auch für dieses Problem gibt es bislang noch keine Lösung.
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