Vorwürfe im US-WahlkampfHunter Bidens Schuldspruch macht Trumps Opfer-Narrativ nichtig
Die Republikaner behaupten, die Justiz verfolge den Ex-Präsidenten aus politischen Gründen. Der Schuldspruch gegen den Präsidentensohn widerlegt das.
Nun haben Amerika und der Rest der Welt also noch eine Premiere erlebt, mitten im Wahlkampf. Erst kürzlich wurde erstmals in der Geschichte des Landes ein ehemaliger Präsident und aktueller Präsidentschaftskandidat verurteilt, Donald Trump. Er bewirbt sich seitdem als offizieller Straftäter um die Rückkehr ins Weisse Haus. Jetzt wurde zum ersten Mal in Amerika der Sohn eines amtierenden US-Präsidenten zur Rechenschaft gezogen, Hunter Biden.
Hier Trump Sr., fast 78, dort Biden Jr., 54. Zwischen beiden Männern liegen eine Generation und auch sonst viele Unterschiede, inhaltlich haben ihre Fälle nichts miteinander zu tun. Bei Donald Trump ging es um Schweigegeld für eine Pornoqueen, das er über einen Fixer bezahlen und im Geschäftsbericht verstecken liess, damit die Affäre nicht aufflog. Das war Betrug und half ihm beim Wahlsieg 2016, womöglich würde sonst kein Mensch mehr über diesen Mann reden.
Hunter Biden dagegen kaufte sich 2018 einen Colt, obwohl Drogensüchtige laut Gesetz die Finger davon lassen müssen. Der Käufer log damals, clean zu sein. Später gab er sogar in seiner Biografie zu, dass er in jenem Jahr persönlicher Turbulenzen phasenweise alle 15 Minuten Crack geraucht habe. Kurz, sein Kauf und elftägiger Besitz waren verboten. Die Republikaner wollen von verschärften Waffenregeln sonst nicht so viel wissen – in diesem Fall sind sie Feuer und Flamme.
Die Reaktionen zwischen den Lagern fallen insgesamt sehr verschieden aus, dabei handelte sich in der einen wie in der anderen Sache um rechtsstaatliche Verfahren. Die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelte, Geschworene wurden ausgewählt, Zeugen gehört, Beweise vorgelegt. Ankläger und Verteidiger trugen ihre Argumente vor, die Angeklagten verweigerten die Aussage, das ist ihr Recht. Am Ende kam die Jury jeweils einhellig zu diesem Ergebnis: schuldig.
Theoretisch könnten Trump und Biden im Gefängnis landen
Bei Donald Trump ereignete sich das alles in New York, bei Hunter Biden in Wilmington, Delaware. Das sind ausser den Tatorten die Heimstädte der Verurteilten, demnächst werden die Richter jener Strafkammern das Strafmass verkünden. Theoretisch könnten der ältere Trump und der jüngere Biden im Gefängnis landen, praktisch werden ihnen eher sanftere Folgen wie Bewährung, Geldstrafen und Sozialarbeit bevorstehen. Die zwei sind Ersttäter und in diesem Rahmen keine Schwerverbrecher.
Am Dienstag umarmte Joe Biden beim Zwischenstopp in Wilmington seinen Sohn, der aus dem Gericht kam. Das Bild des Tages. Die erste Frau und die Tochter von Biden Sr. starben 1972 bei einem Autounfall, die Söhne Beau und Hunter überlebten. 2015 erlag Beau einem Gehirntumor, 2024 wurde Hunter eines Verbrechens überführt, während sich sein Vater mit den Kriegen in der Ukraine oder dem Nahen Osten befasst.
Am Mittwoch flog der amerikanische Präsident zum G-7-Gipfel nach Italien, wo die Staatenlenker die Sorge umtreibt, dass bald wieder Trump im Oval Office wüten könnte. Aber Joe Biden behauptet anders als sein Herausforderer nicht, dass den Prozessen daheim politische Manöver zugrunde liegen. Er sagte vor und nach Hunter Bidens Verurteilung, dass er ausser Präsident auch Vater sei, aber das Ergebnis akzeptiere. Auf eine mögliche Begnadigung will der oberste Amerikaner verzichten.
Kein Protest von den Demokraten
Von keinem Demokraten ist in dieser Causa ein Aufschrei zu vernehmen. Ganz im Gegenteil zur republikanischen Erregung über die juristische Bearbeitung der Akte Trump. «Die Kluft ist atemberaubend und erinnert uns daran, dass eine politische Partei der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet ist und die andere nicht», sagte der demokratische Abgeordnete Jim McGovern bei einer Anhörung im Kongress, die «New York Times» erinnerte daran. «So einfach ist das.»
Donald Trump hält sich für das Opfer der Justiz, gesteuert von Joe Biden und seinen Leuten, die ihm seiner Meinung nach schon den Wahlerfolg 2020 geklaut haben, obwohl Biden eindeutig der Sieger war. Die übrige Prominenz der Republikaner steht nahezu geschlossen hinter ihm und schürt ebenfalls den Eindruck, die Strafverfolger tanzten nach Bidens Pfeife.
Der Prozess gegen Hunter Biden beweist das Gegenteil. Noch dazu steht bei ihm bereits vor der Wahl die nächste Folge an, es geht dann um Steuerhinterziehung. Bei Donald Trump indes dürften sich die drei anstehenden Verhandlungen wegen Wahlbeeinflussung, Verschwörung und des Hortens von Staatsgeheimnissen bis nach der Wahl hinziehen, sofern sie überhaupt beginnen. Sein Anwaltsheer nützt jedes Mittel der Verzögerung, das die US-Verfassung einräumt, darunter eine Eingabe beim Obersten Gerichtshof.
Richter Thomas soll sich von Gönnern einladen lassen
Derzeit befasst sich die höchste Instanz mit seinem Wunsch, für seine Amtszeit Immunität zu geniessen. Zu den Entscheidern zählt der Richter Clarence Thomas, den der Verdacht begleitet, er lasse sich gerne von rechtslastigen Gönnern einladen. Im Gremium der wichtigsten Juristen sitzt ausserdem Samuel Alito, vor dessen Häusern Flaggen aus dem Dunstkreis von Trumps Maga-Bewegung gehisst wurden. Zuletzt tauchte ein Mitschnitt auf, wonach Alito wünscht, die Nation möge sich der «Godliness» zuwenden, der Frömmigkeit.
Der Katholik Biden gilt als frommer Mensch, aber er unterstützt die Trennung von Staat und Kirche. Und das Justizministerium seiner Regierung benannte sowohl für zwei Ermittlungen gegen Donald Trump als auch gegen Hunter Biden einen Sonderermittler. Das widerspricht dem Vorwurf der Parteilichkeit, ansonsten bleibt da ein Personalproblem der amerikanischen Rechtsprechung.
Viele Richter, vorneweg am Supreme Court, werden vom jeweiligen Präsidenten ernannt. Viele Staatsanwälte lassen sich wie Politiker in ihre Ämter wählen. Der New Yorker Alvin Bragg, Demokrat, hatte seiner Wählerschaft versprochen, Trump zur Verantwortung zu ziehen. Die Richterin Maryellen Noreika in Delaware liess einen Deal mit der Staatsanwaltschaft zugunsten von Hunter Biden platzen – ernannt hatte sie 2018 der Präsident Donald Trump.
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