Angriff auf KryptowährungenUS-Investoren wollen mit Tricks die Macht über Bitcoin und Co.
Fünfzig Lobbyisten lässt die grösste Investmentfirma Andreessen Horowitz für sich arbeiten – allesamt undercover. Das Ziel: ein Monopol über digitale Bezahlmittel.
Während die Kryptowährungen neue Höchstwerte erklimmen, strebt die erfolgreichste US-Risikokapitalfirma eine Dominanz im Kryptomarkt an. Andreessen Horowitz hat mit 2,2 Milliarden Dollar den grössten Kryptofonds gestartet und will damit möglichst vielen Start-ups in den USA zum Durchbruch verhelfen.
Parallel lobbyiert das Unternehmen mit Sitz in Menlo Park im kalifornischen Silicon Valley für eine lasche Regulierung der digitalen Währungen, um einen Vorteil gegenüber etablierten Finanzakteuren zu erlangen.
Gute Beziehungen bis in höchste Regierungskreise
Der Venture-Capital-Gigant, der mit Facebook, Airbnb, Twitter und anderen Technologieunternehmen grosses Geld gemacht hat, nützt mit seiner Offensive ein Beziehungsnetz bis in die Regierung Biden hinein aus.
Katie Haun ist Co-Direktorin des mit 2,2 Milliarden Dollar dotierten Krypto-Investitionsfonds. Sie arbeitete zuvor im Justizministerium: Dort brachte sie Agenten vor Gericht, die Bitcoins von der illegalen Handelsplattform Silk Road gestohlen hatten, gegen die sie ermittelt hatten.
Tomicah Tillemann, ein früherer Berater von Joe Biden, fungiert als Cheflobbyist von Andreessen Horowitz in Washington. Zum Team von mehr als fünfzig Lobbyisten und Beratern zählen ferner William Hinman, früherer Direktor der Börsenaufsicht SEC, Brent McIntosh, Ex-Mitarbeiter im Finanzministerium der Regierung Trump, und Jai Ramaswamy, ehemaliger Leiter der Geldwäschereieinheit im Justizministerium der Regierung Obama.
Doch keiner dieser Insider liess sich als Lobbyist registrieren. Man sehe die derzeitige Offensive nicht als Lobbying, sagte Tillemann der «New York Times». «Vielmehr wollen wir mit der Politik zusammenarbeiten, um Lösungen in beiderseitigem Interesse zu erzielen.»
«Dies ist ein klassisches Beispiel dafür, wie man den Fuchs zum Bewacher des Hühnerstalls machen will.»
Die Vorschläge aus dem Silicon Valley liegen nach Ansicht von aussenstehenden Experten aber nicht im Allgemeininteresse, sondern riechen nach purem Eigennutz.
Die Offensive zur Deregulierung der Kryptomärkte sei ein «unverschämter Versuch, sich zu bereichern», sagt Lee Reiners, ehemaliger Aufseher der Börsenaufsicht über systemkritische Finanzinstitute. «Dies ist ein klassisches Beispiel dafür, wie man den Fuchs zum Bewacher des Hühnerstalls machen will», meint Rechtsprofessor Rohan Grey, der die Demokraten bei der Regelung der Kryptowährungen berät.
Das Lobbying von Andreessen Horowitz zielt darauf ab, die Kryptofonds von der Börsenaufsicht auszunehmen und die Kompetenz des Ombudsbüros für Bankkunden in diesem Markt zu beschneiden.
Ausserdem sollen die Steuervorschriften so gelockert werden, dass die Steuerbehörde nur beschränkt Einsicht in die Kryptotransaktionen bekommt. Damit würden aber so viele Schlupflöcher geschaffen, wenden die Kritiker ein, dass das ganze Regulierungssystem der Finanzmärkte untergraben werden könnte.
Andreessen Horowitz waren schon 2013 mit einer Investition in die Plattform Coinbase in den Kryptomarkt eingestiegen. Seither hat das Unternehmen mehr als 3 Milliarden Dollar investiert.
Der Erfolg ist immens: Coinbase wird an der Börse mit über 92 Milliarden Dollar bewertet. Auch die führenden Währungen Bitcoin und Ether sind auf Rekordlauf. Dank ihnen ist der Wert des Markts zum ersten Mal auf mehr als 3 Billionen Dollar gestiegen.
Doch Kryptowährungen seien nicht nur ein Anlagevehikel, sagte Katie Haun kürzlich am Most Powerful Women Summit in Washington. «Krypto ist viel mehr als eine Währung. Krypto ist die Antwort auf die Bigtechplattformen. Diese neue Technologie wird die Macht der riesigen Plattformen brechen, weil sie nicht mehr länger als Gatekeeper gebraucht werden. Dank Krypto werden die Leute zum ersten Mal digitale Eigentümer ihrer eigenen Dinge.»
Gemeinsame Zielscheibe ist China
Vor dem Hintergrund des digitalen Wettrüstens zwischen China und den USA spüren die Wagniskapitalunternehmen den Wind im Rücken. Seit dem scharfen Durchgreifen der chinesischen Regierung gegen die Kryptobranche im vergangenen Mai hat sich das Geschehen in die USA verlagert, wo nun fast 40 Prozent der Bitcoin-Aktivitäten abgewickelt werden – doppelt so viele wie zuvor.
Diese Entwicklung ist im Interesse des US-Kongresses. Erklärte Absicht beider Parteien ist, China zu verdrängen und den Kryptomarkt unter amerikanische Kontrolle zu bringen. Dies ist die gleiche Strategie, die bei den Hightechplattformen angewendet wurde und Facebook und Google eine weltweite Übermacht verschafft hat, die kaum mehr wettzumachen ist.
Dieses politische Kalkül spiele Andreessen Horowitz in die Hand, gibt Tillemann zu. «Wenn die Politiker gute Informationen (von Andreessen Horowitz) bekommen, so hilft das ihnen, die nächste Internetgeneration zum Blühen zu bringen. Das ist in ihrem und das ist in unserem Interesse.»
Mit Manipulationen zum Monopol
Die Regulierung der Kryptomärkte soll federleicht sein und damit die Innovation fördern, fordern die Investoren. Doch aussenstehende Experten sehen diese Erklärung nur als Vorwand, sich eine monopolartige Position zu schaffen, die ähnlich wie die sozialen Medien schwer zu kontrollieren wäre.
Dan Awrey, Rechtsprofessor an der Cornell-Universität in New York, vergleicht das Vorgehen mit einem Taschenspielertrick. «Sie schieben die Kugeln hin und her und hoffen, dass die Zuschauer nicht verstehen, wie das Spiel manipuliert ist.»
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