Hype-Handy von Nothing«Unsere Chancen stehen sehr schlecht»
In Basel feierte das Smartphone des neuen Herstellers Weltpremiere. Gründer Carl Pei sagt, wie er die übermächtigen Platzhirsche wie Apple und Samsung herausfordern will.
Herr Pei, was langweilt Sie so an den heutigen Smartphones, dass Sie ein neues lancieren wollen?
Auf was kann man sich denn noch freuen? Das iPhone ist schon 15 Jahre her. Zu Beginn kamen jährlich grosse Updates. Das war aufregend. Dann kamen die Android-Handys und eiferten dem iPhone nach. Alles wurde immer besser.
Aber die Zeit der grossen Sprünge ist vorbei.
Genau. Manche Leute glauben ja sogar, die grossen Firmen würden Innovationen zurückhalten, um auch noch was fürs nächste Jahr zu haben …
Salamitaktik nennt man das in der Schweiz.
(lacht) Wir wissen natürlich, dass das so nicht stimmt. Man kann einfach nicht mehr so viel verbessern.
Selbst bei den Smartphone-Kameras. Da sind inzwischen auch alle gut genug.
Insgesamt liegt es aber auch daran, dass die meisten dieser Firmen sehr gross und professionell geworden sind. Das hat aber auch zur Folge, dass die Firmen sehr abhängig geworden sind von Statistiken. Das müssen sie auch, um regelmässiges Wachstum zu haben. Aber exponentielles Wachstum gibts so nicht mehr.
Und darum die Langeweile?
Ja. So haben wir in meinem früheren Leben auch gearbeitet und neue Produkte lanciert.
Sie meinen bei Ihrer alten Firma One Plus?
Wir haben Daten angeschaut, Konsumentenumfragen und so weiter. Und dann haben wir uns gefragt: Was für ein Produkt ist gerade gut genug und ohne viel Risiko? Es muss mit der Konkurrenz mithalten können, und wir sollten uns mindestens zu 80 Prozent sicher sein, dass es sich gut verkauft. Aber wenn man zu abhängig von Statistiken ist, werden alle Produkte identisch. Da alle Firmen sehr genau auf Statistiken schauen, sind auch alle Produkte sehr ähnlich geworden.
Und früher war das besser?
In den frühen Tagen des Smartphones auf jeden Fall. Da mussten wir neue Sachen erfinden und neue Ideen ausprobieren. Genau dahin wollen wir zurück. Etwas weniger Rationalität.
Weniger?
Ja, aber klar nicht komplett. Daten sind immer noch elementar. Aber Instinkt soll wieder wichtiger werden.
Wie viel kann man denn überhaupt noch irrational oder aus dem Instinkt heraus entscheiden? Ganz viele Komponenten eines Smartphones sind ja gesetzt, und an denen kann man nicht gross was ändern.
Wenn man ein Auto baut, kann man ganz viel drum herum machen mit Design, da man sehr viel Raum hat. Ein Smartphone muss dagegen kompakt sein. Jeder noch so winzige Leerraum wird für etwas genutzt. Es soll ja so dünn wie möglich sein, sodass es in Hosentaschen passt.
«Wenn man etwas Neues versucht, sind kontroverse Meinungen vorprogrammiert.»
Die Form ist also schon mal fix. Am Rechteck führt kein Weg vorbei.
Nein, da müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Die Front eines modernen Handys ist einfach ein Bildschirm. Und die Tatsache, dass die Kanten nicht mehr abgerundet sind, ist einfach der Effizienz geschuldet. So hat man mehr Platz für Akkus und andere Innereien.
Viel kann man also nicht machen. Wie wollen Sie dennoch mit Apple, Samsung und Co. konkurrieren?
Wir müssen unseren eigenen Weg finden. Heute haben wir ja das Design vorgestellt, und wenn man die Onlinekommentare liest, sieht man zwei Meinungen. Leute mit Design- und Business-Background freuen sich über Abwechslung. Bei den Tech-Blogs fragt man sich dafür, was denn daran so speziell sein soll. Das war uns natürlich schon im Vorfeld klar. Wenn man etwas Neues versucht, sind kontroverse Meinungen vorprogrammiert. Und gerade für uns als kleine Firma ist das sogar wichtig. Man braucht Leute, die einen lieben, und solche, die einen hassen.
Aber natürlich konzentrieren Sie sich auf die Leute, die Sie lieben.
Natürlich. Wir wollen uns auf Kreative konzentrieren. Leute, die etwas zur Kultur beitragen. Vielleicht schreiben sie, machen Fotos, filmen, musizieren und so weiter. Mit der Zeit wollen wir diesen Leuten mehr und mehr Werkzeuge zur Verfügung stellen.
Diese Zielgruppe kennen wir nicht zuletzt von Apple.
Die haben das schon früh richtig gemacht. Als sie anfingen, war der PC-Markt überfüllt mit IBM-Klonen. Alle sahen gleich aus, und auf allen lief dasselbe Windows. Alles graue Kisten.
Und dann kam der iMac, der ja ähnlich wie Ihr neues Smartphone auch teilweise transparent war.
Der richtete sich auch an Kreative. Und Apple hat diese Zielgruppe immer gut umsorgt. Und so wurde Apples Marke zum Inbegriff für Kreativität. Und es ist unbestritten cool, kreativ zu sein. Darum fingen auch andere Leute an, Apple-Produkte zu kaufen, weil sie eben auch kreativ sein wollten.
Den Effekt kennen wir ja auch von teuren Leica-Kameras. Anders als mit einem teuren Auto oder einer teuren Uhr sieht man mit einer teuren Kamera immer noch wie ein Künstler aus.
Was man Apple aber hoch anrechnen muss, ist, dass ihre Produkte nicht teuer sind. Gerade wenn man die Qualität und den Gegenwert anschaut. Wer ein teures Angeber-Handy wollte, war bei Vertu besser aufgehoben. Die kosteten viel mehr und konnten viel weniger.
Jetzt ist die Firma aber pleite und der Hauptsitz in England dem Erdboden gleichgemacht. Aber wenn wir es von verschwundenen Marken haben: Essential wollte vor ein paar Jahren den Handymarkt aufmischen und ist gescheitert. Sie haben aber die Reste der Firma gekauft. Warum?
Wir haben ein paar Trademarks und Websites gekauft. Wir haben nicht all ihre Patente und ähnlichen Sachen gekauft. Zu Beginn waren wir eben unsicher, wie wir unsere Firma nennen wollten. Und das Wort «Essential» ist wunderschön.
Ja, das war wirklich ein guter Markenname.
Wir hätten unsere Firma fast so genannt. Aber dann wollten wir doch lieber etwas ganz Eigenes haben.
Und man möchte ja auch nicht das nächste Essential sein.
Man möchte auch nicht auf den Ideen anderer aufbauen und darauf aufspringen. Darum haben wir uns für Nothing entschieden.
Aber wenn uns Essential etwas gelehrt hat, dann, dass Hardware richtig schwierig ist. Sie haben mit One Plus schon Erfahrung. Was macht Sie so sicher, dass es noch mal gelingen kann?
Oh, wir sind uns gar nicht sicher. In den letzten zehn Jahren haben es viele Firmen versucht. In den USA, Europa und China. Jede ist gescheitert. Unsere Chancen stehen also sehr schlecht.
Trotzdem versuchen Sie es?
Wir haben dieses tolle Team aus talentierten und erfahrenen Leuten, und der Markt ist so langweilig. Wenn wir es nicht versuchen, wirds keiner wagen. Vielleicht können wir da was verändern. Auch wenn es schwierig wird.
Zum Schluss werfen wir noch einen Blick voraus. Sie haben schon Kopfhörer lanciert, nun ein Handy, was kommt als Nächstes? Eine Smartwatch?
Ich bin gar kein Fan davon, wie Sie zwei Uhren tragen – eine Smartwatch und eine richtige. Das nervigste an Smartwatches ist aber: Man bekommt schon auf dem Handy viel zu viele Benachrichtigungen. Die will ich nun wirklich nicht auch noch am Arm haben. Darum bin ich kein Smartwatch-Fan.
Aber von was sind Sie denn noch ein Fan?
Benutzeroberflächen und Software. Wenn wir mehr Ressourcen und Zeit haben, möchte ich mich darauf konzentrieren und daran weiterarbeiten. Benutzeroberflächen haben sich in den letzten 15 bis 20 Jahren kaum verändert: Homescreen, Icons und Apps. Überall dasselbe.
Mich erinnert das immer an TV-Fernbedienungen. Einfach ein Rechteck mit Knöpfen. Dabei könnte man mit Touchscreens doch so viel mehr.
Exakt. Da möchte ich experimentieren und Neues ausprobieren.
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