Künstliche IntelligenzEinmal malt der Künstler – einmal der Computer
Tobias Gutmann ist bekannt für seine minimalistischen Porträts. Jetzt hat er einer Software beigebracht, wie er das macht. Wir haben uns von beiden malen lassen.
Als Technikredaktor wird man fast täglich an irgendwelche Präsentationen rund um künstliche Intelligenz, iPads und maschinelles Bildverständnis eingeladen. Meist geht es um irgendwelche neuen Ladenkonzepte, Lagerhallensysteme oder sonst wie ausgefuchste Apps.
Aber ein Kunstprojekt rund um künstliche Intelligenz und ein iPad? Das sieht man nicht alle Tage. Also ab in den Zug und auf nach Zürich.
Im Schwarzescafé des Zürcher Löwenbräu-Areals ist die Installation aufgebaut. Ein Labyrinth aus weissen Kartonschachteln mit kryptischen violetten Zeichen. Dazwischen sieht man – wegen der bunten Hosen – schon von weitem den Künstler Tobias Gutmann.
2012 hat er mit seinem Projekt Face-o-mat angefangen, die Welt zu bereisen und minimalistische Porträts zu zeichnen. Erst letztes Jahr hat SRF ein Porträt über ihn gezeigt:
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Dieses Projekt hat Gutmann in den letzten drei Jahren digitalisiert. Zusammen mit dem Zürcher Augmented-Reality-Unternehmen Dazlus hat er einem Computer beigebracht, wie er Porträts zeichnet. Dazu hat er den Computer mit seinen Porträts und dem jeweiligen Originalfoto gefüttert.
Das Prinzip dahinter ist mathematisch komplex, aber in der Anwendung relativ einfach: Man zeigt einem Computer einfach möglichst viele Bilder, bis er Zusammenhänge erkennt und begreift, was was ist. Selbst habe ich schon vor Jahren einem Computer beigebracht, was eine Biene ist.
Technik rückt in den Hintergrund
Zurück im Schwarzescafé ist dieser technische Hintergrund nebensächlich. Beim Eintritt bekommt man sein Face-o-mat-Ticket. Damit kommt man zum ersten Posten. Ein weisser Kartontisch mit einer Sichtblende mit einem kopfgrossen Loch. Dahinter sitzt Gutmann. Nachdem man das Ticket in den Karton-Automaten geschoben hat, beginnt er mit Tusch und Feder zu zeichnen.
Nun wird auch klar, warum da dieser Sichtschutz steht. Man sieht selbst nicht, was Gutmann malt. Es soll eine Überraschung sein. Erst wenn er fertig ist, öffnet sich unten ein Vorhang und man bekommt das fertige Porträt zu Gesicht.
Dann gehts auch schon weiter zum zweiten Posten. Dieses Mal trifft man auf ein iPad und wieder einen Sichtschutz. Hinter dem Sichtschutz ist aber kein menschlicher Kopf, sondern ein Bildschirm mit dem Sai-Bot. So heisst die künstliche Intelligenz, die nun das zweite Porträt anfertigt.
Als Erstes muss man mit dem iPad ein Selfie machen. Ist man zufrieden, geht es los. Entgegen aller Erwartungen (schliesslich ist man das von Technik-Demos so gewohnt), kommt nicht postwendend ein fertiges Porträt. Der Sai-Bot lässt sich Zeit, überlegt, macht Small Talk. «Nimm mal bitte die Brille ab.» «Setz sie wieder auf!» «Nimm sie noch mal ab.» «Sorry, war nur ein Spass!»
Und erst dann erscheint das Porträt auf dem iPad. Wäre das eine Porträt nicht auf Papier und offensichtlich mit Tusche gemalt und das andere auf einem Tablet-Bildschirm, man wüsste nicht, welches vom Menschen und welches vom Computer stammt. Ja, das Computer-Porträt ist sogar abstrakter.
Auffällig ist, wie ähnlich die Lippen auf beiden Bildern sind. Er male Lippen nicht immer so, meint Gutmann, aber offensichtlich regelmässig bei solchen Gesichtern. Er ist selbst überrascht.
Damit gehts zum dritten und letzten Posten im Karton-Labyrinth: zum Check-out. Dort bekommt man einen Ausdruck des digitalen Porträts und ein Echtheitszertifikat.
Selbst als abgebrühter Techniktester muss man bei dieser Performance schmunzeln. Die Technik rückt elegant in den Hintergrund, und es macht einfach Spass. Sowohl der Prozess wie auch das Resultat. Beide Porträts bekommen einen Ehrenplatz zu Hause.
Nicht mit dem Handy
Wer Tobias Gutmann und den Sai-Bot in Aktion erleben möchte, muss sich sputen. Die Performance gibt es nur heute (bereits alle Porträt-Slots ausverkauft) und morgen Samstag zu sehen. Weitere Daten seien in Arbeit sagt Gutmann. Etwa im Sommer an den Swiss Design Awards in Basel sei eine Performance geplant.
Die Galeristin Barbara Seiler fügt an, dass es gerade auch im Rahmen von Kunstausstellungen sehr gut funktionieren würde. Tatsächlich macht die Installation von Gutmann Technik, Design und Kunst gleichermassen greifbar.
Dank der künstlichen Intelligenz, die im Hintergrund auf einer Cloud-Plattform läuft, könnte er künftig solche Porträts auch ganz ohne Tusche, iPads und Karton-Installationen leicht mit einem Smartphone anfertigen. Aber das führt für ihn dann doch etwas zu weit.
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