Kommentar zum UnispitalEin Lehrstück, wie man nicht mit Whistleblowern umgeht
Ein Untersuchungsbericht verteidigt den Arzt, der Mängel in der Zürcher Herzchirurgie aufdeckte. Seinen Job ist er trotzdem los. Es ist ein verheerendes Signal an alle Hinweisgeber.
Der leitende Arzt war besorgt über die Zustände an der Klinik für Herzchirurgie. Er meldete der Spitalleitung mutmassliche Verfehlungen seines Chefs. Und leitete so zahlreiche Verbesserungen am Zürcher Universitätsspital (USZ) ein. 75 Empfehlungen formulierte die Politik im Nachgang zum Whistleblowing des Herzchirurgen. Falsch verrechnete Honorare in Millionenhöhe flogen genauso auf wie geschönte Publikationen und verschwiegene Komplikationen.
Trotzdem erfuhr der Hinweisgeber kaum Anerkennung. Im Gegenteil. Sein Chef setzte sich zur Wehr und trat als Opfer auf. Ein Onlinemagazin stellte den Verdacht in den Raum, der Whistleblower habe Patienten geschädigt. Politikerinnen des Zürcher Kantonsrats nannten den Herzchirurgen in einem Untersuchungsbericht mit Namen und kolportierten Vorwürfe gegen ihn.
Die mutigen Hinweisgeber verkommen in der öffentlichen Wahrnehmung zu intriganten Nestbeschmutzern.
Zwar entlastete ein medizinisches Gutachten den Hinweisgeber schon 2021 von jeglichen Arztfehlern. Doch das ging in der Kampagne gegen ihn praktisch unter. Statt um seine Vorwürfe ging es immer mehr um seine Person und um seine Beweggründe. So behauptete die «Weltwoche», der Arzt habe sich nur deshalb über den Klinikchef beklagt, weil seine eigene Karriere ins Stocken geraten sei.
Und irgendwann passierte genau das, was in der Schweiz oft mit Whistleblowern passiert. Die mutigen Hinweisgeber verkommen in der öffentlichen Wahrnehmung zu intriganten Nestbeschmutzern, die aus niederen Motiven handeln. Die Missstände, die sie anprangern, geraten in den Hintergrund.
Es mag an der hiesigen Mentalität liegen: Aufmüpfige Leute gelten als undankbar und illoyal. Und sicher hat es auch mit dem Gesetz zu tun: Im Vergleich zur EU haben wir bis heute keine national verbindlichen Richtlinien, die Whistleblower schützen.
Der Whistleblower platzierte seine Vorwürfe völlig zu Recht.
Der Hinweisgeber am USZ verlor seinen Job. Dabei gibt ihm ein bisher geheimer Untersuchungsbericht recht, den das Spital in Auftrag gegeben hatte. Warnungen wie die des Arztes seien unabhängig von der Quelle und deren allfälliger Motivation zu prüfen, ist dort zu lesen. «Jedenfalls waren die Hinweise im vorliegenden Fall nicht von vornherein haltlos; immerhin stellte sich ein Teil der Vorwürfe als begründet heraus.»
Der Whistleblower platzierte seine Vorwürfe also völlig zu Recht.
Seine Geschichte sendet ein verheerendes Signal an all jene, die Missstände anprangern wollen: Am Ende geraten sie und ihre Motive in die Kritik. Selbst wenn ihre Vorwürfe zutreffen.
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