Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

AboCorona-Wirren an Hochschulen
Uni zahlt Tests, ETH nicht – frecher Spruch der Rektorin an die Ungeimpften

Eine gewisse Normalität kehrt zurück: Studierende an einer Uni-Vorlesung im Jahr 2004.

«Ich muss Sie informieren, dass ich Ihre Bedingungen für ein Weiterführen des Studiums nicht akzeptiere.» Dies schrieb eine Studentin der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) an die Hochschulleitung, nachdem diese am vergangenen Samstag in einem Rundmail über die Details der Zertifikatspflicht informiert hatte.

In der Info hatte Prorektorin Silja Rüedi geschrieben, dass die PHZH zum Präsenzbetrieb mit voller Belegung der Räume am Campus beim Zürcher HB zurückkehrt. «Reale Begegnungen zwischen Menschen sind gerade in Ihrer Ausbildung wichtig.» In den Lehrveranstaltungen gilt keine Maskenpflicht mehr, ausserhalb schon. Die Hochschule bezahlt die Covid-Tests bis am 15. Oktober, also noch zwei Wochen nach Einführung der Kostenpflicht für die Schnelltests. Wer bis dann nicht geimpft oder genesen ist, muss die Kosten selber tragen. So lautete die Info damals.

Die erwähnte Studentin protestierte einerseits gegen die anfallenden Kosten für jene Studierenden, welche sich nicht impfen lassen wollen. Anderseits zielte ihre Kritik auch grundsätzlich gegen die Impfung. Ihr Vorschlag: abwarten, bis die Pandemie vorbei ist. Und bis dann Verzicht auf Präsenzpflicht und Onlineunterricht für jene, die sich weder impfen noch kostenpflichtig testen lassen wollen. Alles andere betitelte die Studentin als «nicht fair».

Die Replik der Studentin hatte ein gutes Dutzend wohlwollender Kommentare von anderen Studierenden zur Folge. Tenor: Der Zugang zur Bildung darf nicht erschwert werden, die PHZH soll eine Mischung von Präsenz- und Onlineunterricht anbieten.

Ähnliche Reaktionen gab es an den anderen Hochschulen, welche alle am 20. September ins Herbstsemester starten. Die Zertifikatspflicht und die vom Bundesrat verordnete Test-Kostenpflicht für Ungeimpfte ab 1. Oktober trieb diese Woche die Studierenden und Dozierenden um – und die Leitungsgremien.

Pädagogische Hochschule Zürich

Inzwischen ist das Rektorat der PHZH über die Bücher gegangen. Neu bezahlt sie ein PCR-Pool-Testing. Und dieses wird neu auch vor Ort angeboten. «Diese Lösung ermöglicht einen sicheren Präsenzbetrieb und berücksichtigt gleichzeitig die aktuell geringe Kapazität in den Testzentren und Apotheken bei den PCR- und Antigen-Schnelltests sowie die Kostenfrage», sagt Rektor Heinz Rhyn. Die Kostenübernahme gilt aber nur auf Zeit. «Sobald es sich zeigt, dass die Testkapazitäten im Kanton Zürich genügen, wird das Testkonzept wieder angepasst.»

Die Lösung der PHZH hat aber einen Haken. Bei den Pool-Speicheltests werden fünf bis zehn Proben gemeinsam ausgewertet. Fällt der Test positiv aus, werden diese Personen kontaktiert, und sie müssen sich in Selbstisolation begeben sowie einen – kostenlosen – individuellen PCR- oder Antigen-Schnelltest machen. «Bis das Resultat dieses Tests vorliegt, ist eine Teilnahme an den Lehrveranstaltungen der PH Zürich nicht möglich», heisst es bei der PHZH.

Auch bei der Maskenpflicht gab es eine Anpassung: Sie gilt ausserhalb der Lehrveranstaltungen und auch in den Vorlesungen, bei denen es keine der stichprobenhaften Kontrollen gab. In den überprüften Veranstaltungen ist das Maskentragen freiwillig.

Universität Zürich

Auch die Uni hat bis zuletzt mit Lösungen gerungen. Klar war seit dem Beschluss, die Zertifikatspflicht einzuführen, denn «Personen ohne Impfung sollen nicht benachteiligt werden», wie es bei der Uni heisst. Deshalb bietet sie «vorläufig bis Ende Oktober» Gratistests für Studierende und zertifikatspflichtige Mitarbeitende an. Aktuell kann man sich in der Teststation auf dem Campus Irchel und im Corona-Zentrum am Hirschengraben testen lassen. Weitere Testkapazitäten würden aufgebaut, heisst es weiter.

Speziell an der Uni ist, dass sie zusätzlich zum Schweizer Covid-Zertifikat auch ausländische Impfzertifikate anerkennt, wenn der Impfstoff in der EU oder gemäss WHO Emergency Use Listing zugelassen ist. Darunter fallen auch Zertifikate für Impfungen mit den chinesischen Impfstoffen Sinovac und Sinopharm. Nicht anerkannt werden aber die Zertifikate der Impfung mit dem russischen Impfstoff Sputnik.

Die Einhaltung der Zertifikatspflicht wird «mit einem regelmässigen Stichprobenverfahren» überprüft. Dozierende sind für die Durchführung der Stichproben nicht verantwortlich, dürfen aber Kontrollen durchführen, «falls sie dies als zwingend notwendig erachten». Die Maskenpflicht gilt in allen öffentlich zugänglichen Räumen. In den Vorlesungssälen entfällt sie – dort wird die Maske aber «nachdrücklich» empfohlen. Die Fakultäten sind aufgerufen, dass Studierende ohne Zertifikat «eine angemessene Alternative zum Präsenzunterricht erhalten» – zum Beispiel digitale Unterlagen.

Uni und ETH Zürich bieten ab dem 20. September an neun Tagen und verschiedenen Standorten Impfmöglichkeiten an.

ETH Zürich

Kritische Resonanz hatte auch die Ankündigung der Zertifikatspflicht vonseiten der ETH hervorgerufen – zumindest in den öffentlich zugänglichen Onlinekommentaren. Diese waren grossmehrheitlich negativ. Eine SVP-Kantonsrätin bot sogar an, einen allfälligen Rekurs zu machen – gratis. Das kontrastiert mit der Haltung des Studierendenverbands, der sich positiv zum Präsenzunterricht äusserte. «Der VSETH ist überzeugt, dass die Impfung der einzige Weg aus der Pandemie ist und unerlässlich, um den Präsenzunterricht sicher bei voller Kapazität durchführen zu können», sagt Präsident Luca Dahle. Der VSETH spricht sich für eine zeitlich begrenzte Übernahme der Testkosten für Studierende durch den Bund aus.

«Wir wollen verhindern, dass Geimpfte durch individuelle Entscheide von Nichtgeimpften Nachteile in Kauf nehmen müssen.»

Sarah Springman, ETH-Rektorin

Wie an der Uni gilt die Zertifikatspflicht an der ETH nur für die Vorlesungen, die Maske muss in allen öffentlich zugänglichen Räumen und – anders als an der Uni – zwingend auch während der Vorlesungen getragen werden. Kontrolliert wird stichprobenartig und «mit Augenmass», wie Rektorin Sarah Springman in einem am Freitagnachmittag auf der ETH-Website aufgeschalteten Interview sagt. Sanktionen behalte sich die ETH vor, auch wenn die Rektorin davon ausgeht, dass dies nicht nötig sein wird. Gemäss Springman hat die psychische Gesundheit der Studierenden gelitten, weshalb sie es sehr begrüsst, den Präsenzunterricht wieder einzuführen. An die Adresse der Impfskeptiker sagt sie: «Wir wollen verhindern, dass Geimpfte durch individuelle Entscheide von Nichtgeimpften Nachteile in Kauf nehmen müssen.»

Wer sich weder impfen noch testen lassen will, kann gemäss der Rektorin praktisch alle Veranstaltungen online besuchen. Die ETH bietet im Zentrum und am Hönggerberg im Center Tests an. Ob diese ab dem 1. Oktober für die Studierenden kostenpflichtig werden, bleibt unklar. Springman sagt, es gebe auf politischer Ebene Bestrebungen, die Dauer der Gratistests auszudehnen. Die ETH suche parallel «sozialverträgliche Lösungen». Allerdings sei noch nichts spruchreif.

Wie die Uni akzeptiert auch die ETH die Zertifikate aufgrund der Impfstoffe Sinovac und Sinopharm.

Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK)

«Es gab nur wenige negative und sehr viele positive Rückmeldungen auf die Zertifikatspflicht», berichtet Lea Ingber von der ZHDK. «Der Präsenzunterricht ohne Einschränkungen wird überaus geschätzt.» Gerade für ein Studium in den Künsten, dem Design und der Vermittlung sei die Nutzung von Ateliers, Tanzstudios oder Musikübungsräumen unersetzbar.

Die «Kunsti» hat ein Testzentrum vor Ort, am Eingang der Hochschule findet eine Zertifikatsüberprüfung statt. Dafür entfallen im Innern sowohl Maskenpflicht wie auch Abstandsregeln. Die Tests sind wie überall bis zum 30. September gratis, für Mitarbeitende der ZHDK auch ab 1. Oktober. Ob das Gratisregime ebenfalls für die Studierenden fortgesetzt werde, sei derzeit noch in Abklärung, sagt Sprecherin Lea Ingber.

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)

Infolge des Einsatzes des Covid-Zertifikats entfällt ab 20. September in allen öffentlich zugänglichen Gebäuden der ZHAW die bisher geltende Abstands- und Maskentragpflicht.

Das Zertifikat wird aber anders als an der ZHDK nur stichprobenhaft überprüft. Das kann am Eingang sein oder in den Innenräumen. Am Freitag hat die ZHAW ihre Studierenden informiert, dass sie ab Mitte nächster Woche und bis Ende Oktober in Winterthur und Wädenswil Tests anbieten wird. Die Studis am Standort Zürich können das Angebot der ZHDK in Zürich-West nutzen, welche ihre Testkapazitäten erhöhen wird.

Den Studierenden mit Modulen wie Laborarbeiten oder Skills-Trainings, die eine Anwesenheit erfordern, zahlt die ZHAW die Tests ab 1. Oktober. An den verschiedenen Standorten wird auch der kantonale Impfbus vorbeischauen.

Die Dozierenden sind angehalten worden, hybride Lösungen anzubieten, sprich, ihre Vorlesungen sowohl im Präsenz- wie im Onlinemodus anzubieten. Damit können auch jene Studierenden bedient werden, welche sich weder impfen noch kostenpflichtig testen lassen wollen.

Gegen den ersten Entscheid, Tests weder anzubieten noch zu bezahlen, hatte sich in der ZHAW-Studentenschaft Widerstand gebildet, wie der «Landbote» berichtet hat. Auch Dozierende sind vor den Kopf gestossen, da sie kurzfristig informiert wurden, den Unterricht zweigleisig zu gestalten.

Widerstand in der Politik

Dass die Kostenpflicht für Covid-Tests am 1. Oktober kommt, ist beschlossen, aber noch nicht gesichert. Im Bundesparlament haben sich SVP, SP, Mitte und Grüne inzwischen gegen den Bundesratsentscheid ausgesprochen. Wie die NZZ berichtet, will der Bundesrat die Angelegenheit nochmals besprechen.

Im Nationalrat ist die SVP zudem mit einem Vorstoss gegen die Zertifikatspflicht an den Hochschulen aktiv geworden, und laut «20 Minuten» haben diverse Anwälte Klagen vorbereitet.

Gemäss dem Zürcher Staatsrechtsprofessor Felix Uhlmann kann man sich zwar durchaus die Frage nach der Verhältnismässigkeit stellen, wenn Studierende jedes Mal ein Zertifikat vorlegen müssen, bevor sie ein Gebäude betreten, wie er dieser Zeitung sagte. Klar ist für ihn aber auch, dass die Hochschulen ihre Hörsäle nicht einfach voll besetzen können, als ob es kein Corona gäbe. Denn der Bundesrat verbietet eine Besetzung der Hörsäle zu mehr als zwei Dritteln, wenn das Zertifikat nicht eingesetzt wird. Aus epidemiologischen Gründen lässt sich die Zertifikatspflicht an Hochschulen deshalb aus Sicht des Juristen rechtfertigen.

Mitarbeit: Andrea Thurnherr