Die SVP und die GratistestsIm Bundesrat dagegen, vor dem Volk dafür
Vor einem Monat haben Ueli Maurer und Guy Parmelin das Ende der Gratistests durchgedrückt. Jetzt protestiert ihre Partei am schärfsten dagegen.
Nur noch zwei Wochen sind die Corona-Tests für alle gratis – dann werden präventive Tests kostenpflichtig. Das wird teuer für alle jene Ungeimpften, die sich mit Tests den Zugang zum Restaurant oder zum Fitnesszentrum erkaufen wollen. Pro Antigen-Schnelltest müssen sie dann jedes Mal 50 bis 70 Franken hinblättern. Das hat der Bundesrat am 25. August so beschlossen.
Doch jetzt wollen mehrere Parteien diesen Entscheid rückgängig machen. Die Grünen, die SP und die Mitte forderten im «Blick», dass der Bund die Corona-Tests nach dem 1. Oktober weiterhin übernehmen soll. Auch die SVP-Fraktion verlangt in einer Medienmitteilung: «Corona-Tests müssen für die Bevölkerung kostenlos bleiben.»
Die SVP geisselt die Abschaffung der Gratistests am schärfsten: In Verbindung mit der Zertifikatspflicht komme diese einem «indirekten Impfzwang gleich». Nicht geimpfte Personen würden so «diskriminiert», dies sei schlicht «inakzeptabel», so die SVP.
Die Stellungnahmen der SVP und der anderen Parteien werfen eine pikante Frage auf: Wenn SVP, SP und Mitte die Kostenpflicht für die Corona-Tests derart schlimm finden – wie konnte es im Bundesrat dann zu ihrer Einführung kommen? Immerhin besetzen diese drei Parteien fünf von sieben Sitzen in der Regierung.
Gespräche mit bundesratsnahen Personen erlauben es nun, präzise zu rekonstruieren, wie es soweit kam. Und schon das erste Kapitel dieser Geschichte ist pikant.
Parmelin prescht vor
Als erstes Bundesratsmitglied sprach sich ausgerechnet SVP-Vertreter Guy Parmelin, der amtierende Bundespräsident, für die Abschaffung der Gratistests aus. «Wenn ich mich nicht impfen lasse, soll dann der geimpfte Steuerzahler meine Tests mitbezahlen? Für mich ist die Antwort klar: Nein»: Das sagte Parmelin am 1. August im «SonntagsBlick».
Wenig später doppelte Ignazio Cassis (FDP) nach. «Sobald jeder Bürger die Möglichkeit hatte, sich impfen zu lassen, und dies nicht tut – weil er nicht will –, dann liegt es nicht mehr an der Allgemeinheit, seine Tests zu finanzieren», sagte der Aussenminister am 10. August den CH-Media-Zeitungen.
Anders als Parmelins SVP ist Cassis’ FDP seither in dieser Frage konsistent geblieben: Sie hält auch jetzt noch an der Kostenpflicht der Tests fest.
Berset unterliegt
In den Bundesrat kam das Geschäft am 11. August – und dort zeigte der für das Dossier zuständige Gesundheitsminister Alain Berset (SP) kein Gehör für Parmelins und Cassis’ Argumente. Laut zuverlässigen Quellen schlug Berset vor, dass der Staat die Corona-Tests weiterhin zahlen soll.
Doch drei Bundesratsmitglieder bekämpften Bersets Plan: Guy Parmelin und Ueli Maurer (beide SVP) sowie Karin Keller-Sutter (FDP) verlangten in sogenannten Mitberichten, dass der Bund die Tests künftig nicht mehr zahlen soll. Sie überzeugten damit eine Mehrheit des Gremiums und setzten sich gegen Berset durch. Das konkrete Stichdatum vom 1. Oktober hatte Keller-Sutter eingebracht.
«Komfort-Tests»
Laut regierungsnahen Personen brachten die drei in ihren Mitberichten ähnliche Argumente vor, wie zuvor Parmelin und Cassis in ihren Medieninterviews. Parmelin soll die Gratistests für asymptomatische Personen zudem als «Komforttests» qualifiziert haben.
Finanzminister Ueli Maurer argumentierte dem Vernehmen nach mit den Milliardenkosten, die die Corona-Tests dem Bund verursachen. Zudem berief er sich auf die Eigenverantwortung der Leute: Nach Einführung der Impfung lasse sich eine Kostenübernahme durch den Staat nicht mehr rechtfertigen. Denn fast alle Nutzer der Gratistests hätten sich bewusst gegen die Impfung entschieden, so Maurer laut den Quellen.
Ein Widerspruch? Nein, meint die SVP
Und jetzt, nur ein Monat später, spricht Maurers und Parmelins Partei von «Diskriminierung»?
Das sei kein Widerspruch, sagt SVP-Sprecherin Andrea Sommer. Denn zum Zeitpunkt des Bundesratsentscheids habe die Zertifikatspflicht für Restaurants, Fitnesszentren und viele andere Einrichtungen noch nicht gegolten.
Das ist einerseits richtig. Andererseits galt schon damals die Zertifikatspflicht für Grossanlässe. Auch war damals bereits das sogenannte Drei-Phasen-Modell zum Corona-Management in Kraft, in dem die Einführung einer Zertifikatspflicht ausdrücklich vorbehalten war. Zudem schickte der Bundesrat am 25. August – am gleichen Tag, an dem er die Kostenpflicht für die Tests definitiv beschloss – auch die Ausweitung der Zertifikatspflicht in eine Konsultation.
Doch SVP-Sprecherin Sommer bleibt dabei: «Durch die Ausweitung der Zertifikatspflicht ist die Ausgangslage eine andere.» Sie weist auch darauf hin, dass die SVP die Zertifikatspflicht stets abgelehnt habe. Darum fordere die Partei nun wenigstens die Wiedereinführung der Gratistests – «so lange die Zertifikatspflicht gilt».
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