Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Umstrittener Vorschlag
Ungeimpfte Covid-Patienten sollen Spitalkosten selber bezahlen

Die Kosten für die Behandlung einer Krankheit zahlt in der Regel die Krankenkasse – und damit die Allgemeinheit: Covid-Patient in der Genfer Uniklinik.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Genfs Gesundheitsdirektor Mauro Poggia (MCG) schätzt Leute, die auf der für ihn richtigen Seite kämpfen. Vor wenigen Wochen stellte er im Internet voller Stolz die Ehrenurkunde eines Familienmitglieds aus, das im Zweiten Weltkrieg als Partisan gegen die Nazis sein Leben riskierte.

Auch Poggia führt gerade einen erbitterten Kampf. Er will Schutzbedürftige mit allen Mitteln vor dem Coronavirus schützen. Bei der Wahl der Mittel ist er absolut überzeugt, auf der richtigen Seite zu stehen. Auf Poggias Betreiben hin hat der Genfer Regierungsrat Anfang August beschlossen, dass die Justiz jene Spitalangestellte büssen kann, die sich weder impfen noch wöchentlich auf das Coronavirus testen lassen. Dasselbe Regime gilt für die Pflegenden in Alters- und Pflegeheimen und Spitexdiensten. (Diese Zeitung hat darüber berichtet.)

«Notorische ungeimpfte Testverweigerer werden dem Büro des Kantonsarzts gemeldet, das dann entscheidet, ob es die Strafverfolgungsbehörde einschaltet.»

Mauro Poggia, Genfer Gesundheitsdirektor (MCG)
Droht seinem testunwilligen Spitalpersonal mit bis zu 5000 Franken Busse: Genfs Gesundheitsdirektor Mauro Poggia (MCG).

Seit Montag ist das Bussenregime in Kraft. «Notorische ungeimpfte Testverweigerer werden dem Büro des Kantonsarzts gemeldet», sagt Poggia. Dieses müsse dann über das weitere Vorgehen entscheiden, also auch, ob es den Fall bei der Strafverfolgungsbehörde zur Anzeige bringt. «Wenn das Pflegepersonal sich dem Testen widersetzt, kann man es mit Bussen bis zu 5000 Franken belegen», so der 62-Jährige.

Spitalkosten für Ungeimpfte

Einen weiteren brisanten, bisher aber kaum beachteten Vorschlag lancierte Poggia letzte Woche im lokalen Fernsehen Léman Bleu. Er sähe es gerne, wenn Ungeimpfte, die wegen einer Corona-Erkrankung ins Spital müssen, die Spitalkosten selbst tragen.

Regierungskollege Antonio Hodgers (Grüne) massregelte Poggia dafür öffentlich. «Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Grundrecht und kann nicht aus Gründen der Eigenverantwortung eingeschränkt werden», belehrte Hodgers seinen Kollegen auf Facebook. Poggias Vorschlag, ungeimpften Covid-Patientinnen und -Patienten die Behandlungskosten nicht zu zahlen, vergleicht Hodgers mit der Weigerung, die Spitalkosten für verunfallte Autofahrer zu zahlen, weil diese zu schnell gefahren sind, oder für Herz-Kreislauf-Patienten, weil sie zuvor keinen gesunden Lebensstil pflegten. Die Einschränkungen für nicht geimpfte Personen müssten «minimal und verhältnismässig sein», so der Grüne.

Ob Poggia einen Antrag an der Regierungssitzung vom Mittwoch stellen wird oder ob er es bei der medialen Lancierung der Idee belässt, bleibt abzuwarten. Nach Hodgers Widerspruch verteidigte er am Montag seinen Vorschlag jedenfalls in der Westschweizer «Tagesschau». Poggia sagte: «Jede demokratische Gesellschaft muss sich in Pandemiezeiten die Frage stellen, ob sie Freiheiten ohne Beschränkungen auf Kosten der Solidarität will – oder verlangt die individuelle Freiheit nicht auch Eigenverantwortung? Diese Debatte muss geführt werden, denn aktuell sind neun von zehn Covid-Spitalpatienten ungeimpft.»

Probleme werden kommen

Zurück zur Testpflicht fürs Personal, die Poggia am Montag eingeführt hat: Wurden seit dem Start des neuen Regimes schon Renitente gemeldet? Wurden Bussen angedroht? Gesundheitsdirektor Poggia verneint das. Er sagt: «Noch ist es zu früh zu wissen, ob sich Ungeimpfte den Tests entziehen.» Auch Bertrand Levrat, Direktor der Genfer Universitätsspitäler, rapportierte am Montagabend in der Newssendung «Forum» von Radio RTS, es habe keinerlei Zwischenfälle gegeben. Man stehe aber auch nicht an Eingangstüren und teste das Personal oder kontrolliere die Covid-Zertifikate des Personals, gab Levrat zu bedenken.

Vom gesamten Personal der Genfer Universitätsspitäler sind aktuell 70 Prozent geimpft. Von den 10’000 Ärztinnen, Ärzten und Pflegenden an den Kliniken bräuchten 3000 regelmässige Tests, so Bertrand Levrat. Die Tests müssten individuell und hinter den Kulissen gemacht werden. Darüber hätten die Unispitäler ihre Arbeitnehmer informiert. «Das ist eine heikle Sache, aber sie wird im Grossen und Ganzen gut verstanden», weiss der Spitalchef.

Die Gewerkschaft Avenir Syndical, die einen Grossteil des Gesundheitpersonals vertritt, kritisierte Poggias Bussenregime in den vergangenen Tagen deutlich. Ein Gewerkschaftssekretär sagt nun aber: «Mir sind keine Personen bekannt, die Tests und damit das Covid-Zertifikat verweigern.» Gibt es unter den Impfskeptikern am Ende gar keine Testmuffel? Wird der Berg mit der Einführung des Gesetzes am Ende eine Maus gebären?

Der Gewerkschaftssekretär widerspricht. Er sieht Probleme kommen. Er sagt: «Im Sommer lassen sich die Leute problemlos mit einem Wattebausch in der Nase rumstochern, aber im Winter, wenn die Leute erkältet sind, wird sich das ändern.»

Der Bundesrat wird voraussichtlich am Mittwoch bekannt geben, dass Gratis-Tests für Privatpersonen ohne Symptome kostenpflichtig werden. In Schulen und im Gesundheitswesen soll das zwar nicht gelten – allerdings will der Kanton Genf allenfalls auch hier noch einen Schritt weitergehen. Laurent Paoliello, der Sprecher des Genfer Gesundheitsdepartements, betont, die Test seien zwar gratis, die Logistik koste den Staat aber. Allenfalls würden diese Kosten weiterverrechnet. In diesem Fall wäre Widerstand sehr wahrscheinlich.

Ein explosiver Vorschlag

«Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Grundrecht und kann nicht aus Gründen der Eigenverantwortung eingeschränkt werden.»

Antonio Hodgers, Genfer Regierungsrat (Grüne)

In seinem Kampf gegen das Coronavirus hat Poggia eine klare Haltung. Er sei in der Pflicht, alles dafür zu tun, Patienten und Hilfsbedürftige in Spitälern und Heimen zu schützen, argumentiert er. Die vierte Welle sei da: Niemand dürfe Patientinnen im Unklaren lassen, und ungeimpfte Pflegefachkräfte seien nun mal eine Gefahr für sie, so Poggia.

Und natürlich hat auch Poggia diesen Sommer vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron gelernt. Macron hat durch den Impfzwang für das Spitalpersonal die Leute in Massen in die Impfzentren getrieben. Dasselbe ist Poggia in Genf bislang nicht gelungen.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.