Papablog: Mottoparty vs. MinimalismusUnd wie feiern Sie Kindergeburtstage?
Markus Tschannen berichtet aus dem Indoor-Spielplatz, wo zeitgleich zwei ziemlich unterschiedliche Geburtstagsfeste stattfinden.
Hastig werfe ich drei Luftschlangen über den Tisch, damit man wenigstens sieht: Hier findet ein Kindergeburtstag statt. Am Nebentisch wird Lydia-Beyoncé ebenfalls acht, das kommunizieren die aufwändige Tischdekoration, die liebevoll verzierten Cupcakes und der riesige über dem Tisch schwebende Ballon in Form einer 8. Ich will nicht sagen, dass wir faule Eltern sind. Persönlich bevorzuge ich den Begriff «ressourceneffizient». Deshalb feiern wir dieses Jahr im Indoor-Spielplatz, wo die Infrastruktur schon vorhanden ist. Die Vorbereitung bestand aus den vom Brecht erstellten Einladungen und einem 20-minütigen Einkauf in der Migros.
Es ist der Tag im Jahr, an dem ich froh bin, hat der Brecht nicht so viele Freunde. Er und seine vier Geburtstagsgäste sind hart ins Spiel vertieft. Nach 15 Minuten kommen sie erstmals am Tisch vorbei – mit hochroten Gesichtern, eingerahmt von verschwitzten Haaren. «Wasser», keucht Maximilian-Jason. Sie schütten sich die Flüssigkeit ein, als bestritten sie einen Marathon. «Wir haben auch Apfelsaft», sage ich noch, aber da kleben sie schon wieder wie die Bergziegen im oberen Drittel der Kletterwand. Gemütlich schaue ich zu, wie die Eltern und Verwandten von Lydia-Beyoncé den rund 12 Geladenen individuelle Kindercocktails mixen. Anschliessend lausche ich den Ansprachen und musikalischen Darbietungen.
Schweiss, Zucker und Barock
Letztes Jahr veranstalteten wir eine Schatzsuche im Wald – ganz simpel, ohne Thema und mit drei Kindern. Alle Familien sollen ihre Kindergeburtstage so feiern, wie es für sie stimmt. Eltern, die Freude daraus ziehen, eine grosse Mottoparty mit Band und Clown zu planen, denen mag ich das von Herzen gönnen. Für mich wäre es, als würde mich ein Clown erdolchen.
Lydia-Beyoncé packt riesige Legosets aus, ein Velo, zwei Ponys – so genau kann ich es aus der Ferne nicht erkennen.
Am Nachbartisch wechselt das Thema gerade von Dschungel zu Barock. Die unterdessen 18 Kinder ziehen ihre Haarreifen mit Leopardenöhrchen aus, schlüpfen in Rüschenhemden und ziehen sich Perücken über. Aus der Musikanlage erklingt Händel und auf der Torte in Form des Salzburger Doms brennen acht Kerzen.
«Stimmt, Kerzen wären auch eine Idee gewesen», denke ich, als ich den Marmorcake aus der Einkaufstasche ziehe und den Aktionskleber abknüble. In der fünften Wasserpause frage ich die Kinder, ob sie Kuchen möchten. Sie stopfen je zwei Stücke rein, bevor ich sie ins Bällebad schicke, um sich das Gesicht zu waschen.
Viele Wege führen zum Glück
Gegenüber eröffnet Lydia-Beyoncé das Dessertbuffet. Ihre 25 Freundinnen und Freunde laben sich an den Köstlichkeiten. Ein Kind ist komplett mit Crème Brûlée beschmiert und wird von einem anderen mit Marshmallows dekoriert. Ich stelle ein Pack Salzstangen auf den Tisch – Elektrolyte für die nächste Wasserpause.
Später beginnt bei der anderen Festgesellschaft das Geschenkritual. Alle 38 Kinder sitzen im Kreis. Zu dramatischer Filmmusik von Hans Zimmer bestimmt ein Glücksrad, welches Kind als nächstes sein Geschenk präsentieren darf. Lydia-Beyoncé packt riesige Legosets aus, ein Velo, zwei Ponys – so genau kann ich es aus der Ferne nicht erkennen. Ich klettere gerade auf den riesigen Vulkan in der Mitte der Halle. Eine Entscheidung, die ich am nächsten Tag bereuen werde.
Als wir gehen, frage ich den Brecht, ob er einen schönen Geburtstag hatte. «Jaaa», ruft er: «Können wir nächstes Jahr wieder genau das Gleiche machen?» – «Klar», sage ich. Dann verabschiede ich mich am Nachbartisch. Die aufräumenden Eltern sehen geschafft, aber zufrieden aus. Auch eine überglückliche Lydia-Beyoncé treffe ich beim Ausgang, wo sie die Ponys in den gemieteten Lieferwagen treibt.
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