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Deutsche Kanzlerkandidatur
Am Ende einer historischen Sitzung stützt CDU-Führung Armin Laschet

Kaum CDU-Chef geworden, schon mit dem Rücken zur Wand: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet am Montag in Berlin.
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Nach sechs Stunden Sitzung, ziemlich genau um Mitternacht, unterbrach Armin Laschet die Sitzung der Führungsspitzen seiner Partei. «Es läuft alles schief», hatte CDU-Doyen Wolfgang Schäuble davor zweimal entnervt in die Runde gerufen, weil die digitale Abstimmung über die Frage der Kanzlerkandidatur nicht richtig funktionieren wollte.

«Es kann nicht sein, dass wir an einem technischen Digitalproblem scheitern», klagte Laschet und verfügte eine zehnminütige Pause, um die Probleme zu lösen – so erzählen es zumindest Berichterstatter, die von den Teilnehmern der vertraulichen Videokonferenz im Minutentakt mit Informationen versorgt wurden.

Nach einer Pause und weiteren technischen Wacklern wurde endlich über die höchst bedeutsame Frage abgestimmt: In geheimer Wahl votierte der CDU-Vorstand mit 31 Stimmen für Laschet als Kanzlerkandidaten der Union. CSU-Chef Markus Söder erhielt lediglich 9 Stimmen, 6 Stimmberechtigte enthielten sich.

Die Basis ist für Söder, die Führung für Laschet

Söder hatte zuvor den Entscheid, über den er sich mit Laschet seit einer Woche gestritten hatte, ausdrücklich in die Hand der CDU gelegt. In der abendlichen Sitzung des CDU-Vorstands wurde deutlich, dass die Basis der Partei zu Söder neigt, die Vorstandsmitglieder aber zu Laschet.

Deswegen ist nun auch nicht zu erwarten, dass mit dem Votum des Vorstands die Debatte in der CDU beendet ist. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, einer der einflussreichsten Politiker der Partei, warnte in der Sitzung bereits, dass die Legitimation des Entscheids bestimmt in Frage gestellt werden würde – und zwar in der CDU selbst: «Wir müssen uns darauf einstellen, dass das so nicht akzeptiert wird.»

Einige Mitglieder des Vorstands hatten in der Sitzung bereits verlangt, die Hunderten von Kreisvorsitzenden der Partei einzubeziehen, um ein besseres Bild von der Stimmung an der Basis zu erhalten. Die Mehrheit des Vorstandes lehnte dies jedoch ab, wenigstens vorerst. Auch die Bundestagsfraktion von CDU/CSU droht seit längerem damit, in einer Kampfabstimmung selbst über die Personalie abzustimmen.

Nach Ansicht der meisten Beobachter tendieren sowohl Kreisvorsitzende wie Abgeordnete zu Söder. Wie die CDU-Führung und ihr Vorsitzender Laschet mit abweichenden Wahlergebnissen anderer Parteigremien umgehen würden, war am frühen Dienstagmorgen noch völlig unklar.

Eine höchst emotionale Aussprache

Zu Beginn der Sitzung des CDU-Vorstands hatte Laschet noch einmal bekräftigt, dass er weiterhin Kanzlerkandidat der Union werden wolle. Er ermutigte alle Mitglieder, dazu frei ihre Meinung zu sagen. Und im Unterschied zur Sitzung vor einer Woche, als sich viele Mitglieder hinter ihren Vorsitzenden gestellt hatten, obwohl sie an dessen Zugkraft im Wahlkampf sehr wohl zweifelten, geschah das diesmal auch.

Viele Vertreter von Landesverbänden sagten, dass bei ihnen die Stimmung eindeutig zu Söder neige. Die Bundeslandwirtschaftsministerin aus Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther betonten, dass sie «persönlich» zwar von Laschet überzeugt seien. In ihren Verbänden seien sie mit dieser Meinung aber fast allein.

«Seien wir ehrlich», sagte Günther nach Angabe von Teilnehmern der Sitzung: «Die Mehrheit an der Basis ist nicht für Armin Laschet.» Sein Kollege aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, gab an, für alle östlichen Bundesländer zu sprechen, wenn er sage, dass es überall eine klare Präferenz für Söder gebe.

Der erste CDU-Ministerpräsident, der sich von Laschet abwendete: Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt. 

Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier, ein enger Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel, mahnte, die Partei dürfe nicht den Kontakt zu den Wählern verlieren. Ausser in Laschets Heimatverband Nordrhein-Westfalen gebe es vermutlich nirgends mehr eine Mehrheit für ihn.

Es gab freilich auch sehr viele Stimmen für Laschet. Aber auffallend viele von ihnen konnten entweder nur für sich selber sprechen, aber nicht für ihren Landesverband, wie etwa Baden-Württembergs Chef Thomas Strobl oder Niedersachsens Bernd Althusmann, oder aber sie waren politische Weggefährten des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten wie Gesundheitsminister Jens Spahn.

Und dann gab es noch jene, die CSU-Chef Söder seine brachialen Versuche, der CDU ihr Vorrecht auf die Kanzlerkandidatur streitig zu machen, übelnahmen und aus prinzipiellen Gründen für ihren Vorsitzenden plädierten: Laschets Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer zum Beispiel, Bouffier oder Bundestagspräsident Schäuble.

Söder spielte der CDU den Ball zu

Der emotionalen abendlichen Debatte im CDU-Vorstand waren am Montagnachmittag zwei wichtige Auftritt vorausgegangen, einer von Laschet, einer von Söder: Laschet hatte in Berlin angekündigt, dass er den CDU-Vorstand für 18 Uhr zu einer ausserordentlichen Sitzung eingeladen habe. Er werde dort einen «Vorschlag» unterbreiten, wie man das Patt in den Gesprächen mit Söder auflösen könne – und zwar «sehr schnell, in dieser Woche». Söder lud er überraschend ebenfalls zur Sitzung ein. Dieser lehnte die Einladung aber kurze Zeit später ab.

Laschet und Söder waren am Sonntagabend beide mit Privatjets aus ihrer Heimat nach Berlin geflogen, um noch einmal miteinander zu verhandeln. Nach drei Stunden gingen die beiden Politiker um halb zwei Uhr morgens erneut ohne Einigung auseinander.

Nach einer Woche harter Konfrontation auf einmal scheinbar konziliant: CSU-Chef Markus Söder am Montag in München.

Nach Laschet trat am Montagnachmittag Söder, im Anschluss an eine Sitzung des CSU-Präsidiums in München, vor die Kameras und erklärte, die Entscheidung nun in die Hand der CDU zu legen. Beraten sei jetzt genug, sagte er, das Meinungsbild klar geworden, die Argumente seien ausgetauscht. Er vergass einmal mehr nicht zu betonen, wie gross sein Vorsprung in den Umfragen gegenüber Laschet sei. «Die Zeit für die Entscheidung ist da.»

Was immer der Vorstand der CDU jetzt entscheide, ob die Wahl auf Laschet falle oder auf ihn, er werde es «ohne Groll» akzeptieren. «Wird es der Armin, hat er meine vollkommene Rückendeckung.» Söder sagte, der CDU stehe die Entscheidung zu, weil sie die grössere und stärkere der Parteischwestern sei – und immer sein werde.

Er habe immer gesagt, fuhr Söder fort, dass er als Kanzlerkandidat zur Verfügung stehe, wenn ihn eine «breite Mehrheit» von Vorstand, Fraktion und Basis der CDU wolle. Sei das nicht so oder werde das «nicht so gesehen», akzeptiere er das. «Meine Bereitschaft ist und war immer ein Angebot zur Unterstützung.»

Der CSU-Chef wehrt sich gegen Vorwürfe

Söder versuchte mit diesen Worten den Eindruck zu zerstreuen, dass er die Basis der CDU mit seinem Vorgehen zuletzt während Tagen quasi zu einem Putsch gegen ihre Führung aufgestachelt hatte. Dass er den «Entscheid der CDU» akzeptieren werde, hatte der CSU-Chef schon am Sonntag vor einer Woche behauptet. Als Präsidium und Vorstand sich danach hinter Laschet als Kanzlerkandidaten stellten, wollte Söder davon nichts mehr wissen.

Die gewählte Führung der CDU, das 19-köpfige Präsidium und den mit beratenden Mitgliedern fast 60-köpfigen Vorstand, bezeichnete Söder danach unversehens als «kleines Hinterzimmer» und verwies darauf, dass in der Bundestagfraktion und in vielen Landes- und Kreisverbänden im ganzen Land der Ruf nach ihm anstelle von Laschet riesig sei.

Am Montag versuchte Söder sein Vorgehen, das in der CDU von vielen zunehmend als aufrührerisch betrachtet worden war, zu rechtfertigen. Es sei nur darum gegangen, tief in die Partei «hineinzuhorchen», um zu hören, wie sie in dieser Frage tatsächlich denke, beteuerte Söder. «Ich habe Respekt vor allen Gremien der CDU.» In einer «modernen» repräsentativen Demokratie müssten die Meinung der Basis und der Umfragen aber ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.