Urteil gegen VerschwörungsanhängerUnd Alex Jones sendet einfach weiter
Selbst eine Busse von 50 Millionen Dollar kann den Verschwörungsanhänger nicht zum Schweigen bringen. Kurz nach der Urteilsverkündung war der US-Hassredner schon wieder auf Sendung.
Auf einem riesigen Berg Geld. Das ist eine womöglich naheliegende Antwort auf die Frage, die Alex Jones immer wieder gestellt wird: Wie er nachts eigentlich schlafen könne angesichts der Lügen, der er täglich und voller Hass verbreitet? Es gibt viele Bezeichnungen für Jones: rechtsnationaler Hassredner, Verschwörungsschwurbler, Lügner. Aber auch seine Millionen Fans haben Titel für ihn: Stimme der Unterdrückten, Freiheitskämpfer, gesellschaftlicher und politischer Querdenker.
Die einzig objektive Bezeichnung für Jones lautet wohl: Geschäftsmann.
Doch Jones Vermögen ist signifikant kleiner geworden. In zwei Gerichtsverfahren in Austin (Texas) wurde er vergangenen Donnerstag und Freitag zu einer Zahlung von insgesamt 49,3 Millionen Dollar verurteilt für die Unwahrheiten, die er über das Massaker an der Sandy Hook Elementary School im Jahr 2012 verbreitet hatte. 28 Menschen sind damals getötet worden, darunter 20 Grundschulkinder. Jones hatte den Amoklauf als «giant hoax» bezeichnet, als riesigen Schwindel; in seiner Radio-Sendung «The Alex Jones Show» sowie auf Internet-Plattformen wie «Infowars» verhöhnte er die Angehörigen und beschimpfte sie als Mittäter einer Verschwörung der US-Regierung mit dem Ziel, den Amerikanern ihre Waffen wegnehmen zu wollen.
Es gibt noch zwei weitere Prozesse von Sandy-Hook-Angehörigen gegen Jones; Experten schätzen, dass die Gesamtstrafe im dreistelligen Millionenbereich liegen könnte - Jones Holding-Firma Free Speech System, zu der seine Webseite «Infowars» gehört, hat bereits am 30. Juli Gläubigerschutz beantragt. Allerdings sagte ein Experte während der Verhandlungen aus, dass sich Jones Privatvermögen über ein Geflecht aus Briefkastenfirmen und Beteiligungen auf bis zu 270 Millionen Dollar belaufe.
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Das jüngste Urteil von Freitag, so kathartisch es für viele daherkommen mag, könnte in Wirklichkeit gefährlich sein, weil dadurch ein paar unbequeme Wahrheiten herausgekommen sind.
Waffen und Pillen gegen Erektionsstörungen
Jones, 48, hat einige unfassbare Dinge gesagt in den letzten 23 Jahren, seitdem er selbstständig unterwegs ist; die Themen reichen von den Terroranschlägen des 11. September 2001 (angeblich von der US-Regierung unter George W. Bush initiiert) über «Pizzagate» (hochrangige Mitglieder der Demokraten, darunter Hillary Clinton, sollen im Keller einer Pizzeria einen Kindersex-Ring betrieben haben) bis hin zum 6. Januar 2021. Am Tag vor dem Sturm aufs Capitol nannte Jones den US-Präsidenten Joe Biden «einen Sklaven Satans», kurz vor dem Angriff rief er den Leuten bei seiner Rede im Lafayette Park unweit des Capitols zu, dass er allen salutieren werde, die dorthin marschieren werden.
Aufmerksamkeit war ihm mit diesen Lügen gewiss, zumal Jones stets daherkam wie das HB-Männlein auf Kokain - er wirkte wie ein besorgter Bürger, dessen hochroter Kopf kurz vor der Explosion stand angesichts all der Dinge, denen er da vermeintlich auf der Spur war. Seine Radioshow war auf mehr als 100 US-Sendern zu hören, seine Webseite «Infowars» verzeichnete 2017 zehn Millionen Besuche pro Monat und war damit erfolgreicher als journalistische Nachrichtenseiten wie «Newsweek».
Jones wusste diese Aufmerksamkeit zu monetarisieren. Der Online-Shop auf seiner Webseite ist ein Füllhorn für alle, die an Verschwörungen und bevorstehende Apokalypsen glauben. Es gibt dort schusssichere Westen, Waffen und Zubehör. Es gibt aber auch diverse Nahrungsergänzungsmittel, die Alex-Jones-Jüngern angeblich helfen sollen, besser zu schlafen, besser zu denken und, ja wirklich, besser eine Erektion zu bekommen. Der Umsatz in den Jahren 2015 bis 2018 soll bei mehr als 165 Millionen Dollar gelegen haben, kam bei der Verhandlung heraus.
Jones hat viele Nachahmer gefunden
Kann man mit konfusen Lügen also stinkreich werden, wenn man nur skrupellos genug ist? Jones jedenfalls lieferte die Blaupause dafür. Es gibt mittlerweile zahlreiche Nachahmer, nicht nur in den USA, die ihre Meinung rausplärren, ohne zu recherchieren, geschweige denn, objektiv zu berichten.
Das ist das Gefährliche am Urteil gegen Jones: Er wurde nicht der Lüge überführt, weil er irgendetwas freiwillig zugegeben hätte, sondern, weil seine Anwälte einen riesigen Datensatz seiner Handy-Kommunikation aus zwei Jahren versehentlich per Mail an die Gegenseite verschickt hatten. Jones gab nur zu, was er nicht leugnen konnte, und es braucht einen Vergleich aus dem Sport, um die Gefahr darin zu erkennen.
Radprofi Lance Armstrong gab auch erst Doping zu, als er nicht mehr anders konnte. Grundsätzlich werden Doper dadurch überführt, dass ihre Blutwerte gewisse Grenzen überschreiten - was zur Frage führt: Lohnt es sich nicht für jeden Athleten, möglichst nah an diese Grenzen heran zu dopen? Im Prozess gegen Jones wurden also Grenzen gezogen, was man behaupten kann und was nicht; und die kennen nun alle, die beim Geschäft mit Meinung auch einen Berg Geld verdienen wollen.
Ein beliebter Trick: Lügen als Fragen formulieren
Das betrifft nicht nur die Medienbranche, sondern auch die Politik. Marjorie Taylor Greene etwa, eine extrem rechte Abgeordnete aus Georgia, klang bei ihrem Versuch, das Massaker in Highland Park kürzlich als Inszenierung für strengere Waffengesetze darzustellen, als zitierte sie Alex Jones - aber nur fast, denn Greene weiss genau, was sie sagen darf. Einer ihrer Tricks: hanebüchene Behauptungen als Fragen zu formulieren und später zu behaupten, lediglich Fragen gestellt zu haben. Und es funktioniert, zumindest bei einigen: Greene hat sich gerade die republikanische Nominierung gesichert, sie dürfte in dem erzkonservativen Bezirk in Georgia als Abgeordnete bestätigt werden.
Auch Alex Jones wird - trotz der Gerichtsurteile - nicht so schnell aufhören, das perfide Spiel um Aufmerksamkeit zu spielen. Er muss viel Geld zahlen, ist aber nicht zum Schweigen gebracht worden. Kurz nach Verkünden des Urteils war er schon wieder auf Sendung, die Verhandlung bezeichnete er als «unglaubliches Spektakel» und versicherte seinen Fans: «Ich werde mit wehenden Fahnen untergehen.» In einem Werbespot während seiner Sendung hiess es: «Wir werden gerade mächtig angegriffen. Bitte helft uns, auf Sendung zu bleiben.»
Fast gleichzeitig schrieb Greene bei Twitter: «Ich werde meinem Freund Alex Jones eine Nachricht schicken, wie stolz ich und Millionen Leute auf ihn sind.»
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