Analyse zur Klimakonferenz in BakuGemeinsame Verantwortung? Das kann es so nie geben
Mindestens 300 Milliarden Klimahilfe jährlich für die armen Staaten. Dennoch hat Baku gezeigt: Das Prinzip des Pariser Klimaabkommens, gemeinsam die Klimaziele zu erreichen, bleibt Theorie.
Die Klimakonferenz in Baku war eine Finanzkonferenz - und es ging um den ewigen Streit, seit die Welt begann, vor bald 30 Jahren über den globalen Klimaschutz zu verhandeln: Gerechtigkeit und Fairness zwischen Reichen und Armen.
Das Fazit am Samstag nach harzigen und emotionalen Verhandlungen: Die Industriestaaten sollen bis 2035 jährlich mindestens 300 Milliarden Dollar bereitstellen, um Entwicklungsländern den Aufbau einer CO2-freien Energieversorgung ohne Kohle, Erdgas und Erdöl zu ermöglichen. Alle anderen Staaten, aber auch Unternehmen oder Finanzdienstleister werden ermutigt, freiwillig in den Klimaschutz der Entwicklungsstaaten zu investieren – im Wert von mindestens 1,3 Billionen Dollar jährlich.
Fair ist dieses Ergebnis nicht, angesichts des finanziellen Bedarfs: Es braucht mehr als eine Billion Dollar jährlich nach Einschätzungen von Experten, um die arme Welt ins postfossile Zeitalter zu führen. Die Regierungen konnten sich immerhin auf eine kollektive Summe einigen, welche die Industriestaaten aufbringen sollten. Es ist allerdings keine verbindliche Verpflichtung. Es ist deshalb fraglich, ob das tatsächlich gelingt.
Doch die Frage nach Fairness erübrigt sich im Prinzip. Verhandlungen, deren Ergebnisse auf den Konsens aller Beteiligten angewiesen sind, erzielen meistens nur schwache Kompromisse. Und in Baku hat sich einmal mehr gezeigt: Der im Pariser Klimaabkommen festgelegte Grundsatz der gemeinsamen Verantwortung aller Vertragsstaaten, abhängig vom jeweiligen Entwicklungsstand eines Landes, ist ein theoretisches Konstrukt. Gründe dafür sind:
Einseitige Schuldzuweisung
Entwicklungsländer verhandeln noch immer, als seien die reichen Industriestaaten die einzigen Schuldigen des Klimawandels. Dieses Verständnis stammt aus der Zeit des Kyoto-Protokolls, dem ersten Klimavertrag vor 27 Jahren. Dort waren nur die Industriestaaten verpflichtet, verbindlich konkrete Reduktionsziele für Treibhausgase zu erfüllen.
Das hat sich nun geändert. Alle müssen ihren Beitrag leisten. Doch die historische Klimaschuld der Reichen steht nach wie vor über allem, ungeachtet dessen, dass China inzwischen historisch betrachtet deutlich mehr Treibhausgase verursacht hat als Europa.
Reiche Staaten keine verlässliche Partner
Es ist verständlich, wenn die Armen von den Reichen finanzielle Hilfe anfordern, um die Treibhausgase zu reduzieren und sich vor den Folgen des Klimawandels zu wappnen. Viele Wirbelstürme, Überschwemmungen und Dürren können heute der kontinuierlich fortschreitenden Erderwärmung zugeschrieben werden. Betroffene reiche Staaten können (noch) darauf reagieren, doch die viel stärker darunter leidenden armen Staaten werden stets gesellschaftlich und wirtschaftlich zurückgeworfen.
Die Industriestaaten waren bisher aus der Perspektive der Entwicklungsländer keine verlässlichen Partner. Der versprochene bisherige jährliche Betrag zwischen 2020 und 2025 von 100 Milliarden Dollar Klimahilfe wurde erst gegen Ende der Periode erreicht. Solange das Vertrauen zwischen Reich und Arm nicht wächst, bleiben die im nächsten Jahr für alle Staaten geforderten ehrgeizigen Klimapläne Wunschdenken.
Fehlende Transparenz
Der Streit um mehr Klimagelder wird an der Konferenz in Brasilien im nächsten Jahr weitergehen. Solange die Wirtschaftsmacht China und ein Ölstaat wie Saudiarabien keine finanziellen Verpflichtungen eingehen müssen, wird der reiche Westen kaum den Einsatz erhöhen.
Studien schätzen, dass China zwischen 2013 und 2022 im grossen Stil freiwillig Gelder in Klimaprojekte in Entwicklungsländern investiert hat. Sie entsprechen etwa 6 Prozent der Klimafinanzierung der Industriestaaten. Doch konkret lassen sich die Chinesen nicht in die Karten schauen. Das ist auch ein Grund, dass sie sich vehement dagegen wehren, im Rahmen des Uno-Prozesses Gelder zu sprechen. Mehr Transparenz würde möglicherweise den Westen überzeugen, die Summe an Klimageldern zu erhöhen.
Chinas freiwilliges Engagement ist aber nicht uneigennützig. Für die Wirtschaftsmacht tun sich so längerfristig neue Absatzmärkte auf, in denen sie billige Solar- und Windanlagen bauen und Elektroautos einführen können. China hat sich vermutlich gegenüber dem Westen heute schon im armen Süden Handelsvorteile verschafft. Damit sich das Land im Westen nicht allzu stark ausbreitet, führen die USA und die EU Schutzzölle zum Beispiel beim Import von Elektroautos ein.
Solche Handelshemmnisse sind wohl auch nicht vertrauensfördernd für die kommenden Klimaverhandlungen. Das grossartige Ziel des Pariser Klimaabkommens einer gemeinsamen Verantwortung für den globalen Klimaschutz wird es wohl nur in einer idealen Welt geben. Klimapolitik ist schon längst Wirtschaftspolitik. Das kann auch eine Chance für die Zukunft sein.
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