Intensiver russischer BeschussRakete trifft Kinderspital in Kiew – Kreml reagiert mit Propaganda
Russland hat die Ukraine mit heftigen Raketenangriffen überzogen. Mindestens 30 Personen wurden getötet, besonders dramatisch ist der Einschlag in einer Klinik.
Die Mannschaft des Ochmatdit-Spitals in Kiew weiss, was Krieg bedeutet: Ihre Patienten haben gesehen, wie ihre Familien vor ihren Augen von russischen Soldaten ermordet wurden; sie haben gleich zu Beginn des russischen Überfalls ihren Vater oder ihre Mutter in Mariupol verloren oder mussten wochenlang mit Splittern im Kopf leben, bis die Ärzte im grössten Kinderkrankenhaus der Ukraine ihnen helfen konnten: Bis zu 20’000 Kinder werden laut dem Spital hier jedes Jahr behandelt, bis zu 10’000 Operationen durchgeführt.
Am Montagmorgen wurde das Kinderspital selbst getroffen: Mindestens ein russischer Marschflugkörper oder eine Rakete schlug in einem Gebäude des weitgespannten Hospitalgeländes im Zentrum Kiews ein – Teil der tödlichsten russischen Angriffswelle auf Kiew und etliche andere Städte seit Monaten. Mindestens 30 Menschen starben, Dutzende wurden verletzt. Gemäss dem ukrainischen Innenminister starben allein im Kinderkrankenhaus fünf Menschen.
Nicht nur Labors hätten sich in dem getroffenen Spitalgebäude befunden, sagte Gesundheitsminister Wiktor Ljaschko im Fernsehen, auch eine Intensivstation und eine Dialysestation, in der Kinder behandelt wurden, seien nun beschädigt. Krankenhausmitarbeiter sagten im Fernsehen, in dem getroffenen Gebäude seien zum Zeitpunkt des Treffers etwa 20 Kinder behandelt worden.
Hunderte Kiewer kamen nach dem Treffer zum Ort der Zerstörung und halfen in einer langen Menschenkette, Ziegelsteine und Trümmer zu beseitigen. Menschen unter Schock, Eltern und ihre Kinder, sassen vor dem Spital; Aufnahmen aus dem Inneren zeigten zerstörte Räume, blutbefleckte Fliesen, verlassene Zimmer mit Kinderspielzeug in kleinen Betten.
«Die Ärzte behandeln Kinder auf der Strasse. Kleine Krebs- und Dialysepatienten sitzen mit ihren Müttern auf dem Bürgersteig. Feuerwehr, Rettungskräfte und viele Freiwillige helfen vor Ort. Auch wir helfen – tun, was wir können», berichtete der deutsche Botschafter Martin Jäger auf Twitter. «Das ist Krieg gegen Zivilisten. So sehen die Verhandlungsbereitschaft und der Friedenswille Russlands aus.»
Drei Explosionen allein im Zentrum Kiews
Laut dem «Kyiv Independent» waren allein im Kiewer Zentrum an diesem Morgen drei Explosionen zu hören, Militärgouverneur Serhi Popko zufolge wurden Gebäude in sieben Stadtteilen getroffen. Mindestens zwölf weitere Kiewer starben allein an diesem Morgen, mindestens 41 weitere Menschen wurden verletzt, so der Militärgouverneur.
Der Raketenangriff auf das Kinderkrankenhaus war offenbar nicht der einzige Angriff auf eine Gesundheitseinrichtung: Gemäss Militärgouverneur Popko wurde auch eine Wöchnerinnenstation im Kiewer Stadtteil Dnipro getroffen, dort starben mindestens vier Menschen.
Russland griff an diesem Montag besonders aggressiv Ziele in der Ukraine an. In der Grossstadt Kriwi Rih, Heimat von Präsident Wolodimir Selenski, kamen dabei laut Militärgouverneur Olexander Wilkul zehn Menschen ums Leben, zehn weitere seien schwer verletzt worden. Drei weitere Menschen starben in der frontnahen Stadt Pokrowsk im Osten der Ukraine, so Militärgouverneur Wadim Filaschkin. Auch in der Garnisonsstadt Kramatorsk waren schwere Explosionen zu hören. Die Grossstadt Dnipro und andere Städte wurden ebenfalls angegriffen. Präsident Selenski nannte zunächst die Zahl von mindestens 40 Marschflugkörpern und Raketen, die Russland auf die Ukraine abgeschossen habe.
Das russische Verteidigungsministerium bestritt gemäss der Nachrichtenagentur dpa, auf zivile Einrichtungen gezielt zu haben. Es behauptete, ohne Beweise zu nennen, dass Bilder aus Kiew darauf verwiesen, dass die Schäden durch eine ukrainische Luftabwehrrakete entstanden seien.
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Verteidigungsminister Rustem Umjerow rief die westliche Gemeinschaft auf, der Ukraine mehr Luftabwehranlagen zur Verfügung zu stellen. Dies wird auch Thema beim anstehenden Nato-Gipfel sein. Präsident Selenski forderte zuletzt sieben weitere Patriot-Raketenabwehrsysteme aus US-Produktion für die Ukraine. Die Patriot-Systeme sind, soweit bekannt, die einzigen Systeme, die in der Ukraine auch russische Überschallraketen wie Kinschal-Raketen und zudem russische Flugzeuge abgeschossen haben.
Dem Londoner Institut für strategische Studien zufolge gibt es weltweit allerdings gerade rund 90 Patriot-Systeme, 62 davon seien von den USA auf Standorte weltweit verteilt, berichtet die «New York Times». Gemäss einem Nato-Report von Mitte April verfügen in Europa neben Deutschland noch Polen, Spanien, Holland, Schweden, Griechenland und Rumänien über Patriot-Systeme.
Drei von vier an die Ukraine bereits gelieferte Patriot-Systeme kommen aus Deutschland. Zurzeit versuchen Holland, Deutschland und weitere Länder, Abwehrraketen und verschiedene zu einem Patriot-System gehörende Anlagen zu sammeln und Kiew zu liefern. Allerdings hat Russland seit Anfang 2023 die Produktion von Marschflugkörpern und Raketen vervierfacht, so der Nato-Bericht.
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