Krieg gegen die UkraineWas die nordkoreanischen Soldaten in den russischen Kampf mitnahmen
Ukrainische Truppen stellen auf dem Schlachtfeld Waffen und Dokumente sicher, darunter einen angeblichen Brief von Kim Jong-un. Was sagen die Fundstücke über die Mentalität der Kämpfer aus?

- Nordkoreanische Soldaten hinterlassen Waffen und Notizen in der Region Kursk.
- Von ukrainischen Truppen veröffentlichte Dokumente geben Aufschluss über die mentale Verfassung von nordkoreanischen Kämpfern.
- Die Ukrainer berichten über eine hohe Kampfmoral der Soldaten und die Schwierigkeit von Gefangennahmen.
- Die Gegenstände dienen der Ukraine als Beweise für Nordkoreas Rolle im Krieg.
Ukrainische Truppen analysieren Gegenstände, die sie bei nordkoreanischen Soldaten finden, die in der Region Kursk an der Seite Russlands kämpfen. Neben Waffen befinden sich auch Briefe und Notizen unter den geborgenen Objekten. Einige davon haben Angehörige einer ukrainischen Spezialeinheit Reportern der «Washington Post» gezeigt, wie die Zeitung am Sonntag berichtete.
Unter den Dokumenten findet sich etwa eine Übersetzungstabelle mit in Koreanisch verfassten Phrasen. «Widerstand ist zwecklos», steht da zum Beispiel oder: «Ergeben Sie sich» und: «Sie sind alle umzingelt». Die Tabelle ist auf ein verwittertes Stück Papier gedruckt.
Unter den gezeigten Fundstücken sind auch Körperpanzer, Erste-Hilfe-Sets, Militärausweise, eine Schaufel, ein Messer und zwei moderne russische Sturmgewehre. Die Ausrüstung und die Dokumente würden zeigen, dass die Russen viel schlechter ausgerüstet seien als die Kämpfer aus Nordkorea, sagten die Ukrainer.
Angebliche Worte von Kim
Unter den sichergestellten Schriftstücken finden sich Neujahrsbriefe, die vom nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un stammen sollen. Der Ursprung der Briefe ist unklar. Enthalten sind Neujahrswünsche und Danksagungen an die Truppen für ihren Kampf für ihr Vaterland.
Dem Bericht zufolge ist es möglich, dass sie vom Militär in Pyongyang geschickt wurden, aber auch, dass Soldaten die Zeilen aufgeschrieben und an ihre Kameraden geschickt haben, als sie ihren Kommandanten zuhörten, die die Botschaften von Kim vorlasen.

Die Mentalität der nordkoreanischen Truppen beschreiben die Ukrainer als «hoch motiviert, organisiert, gut ausgebildet und besser ausgerüstet als die russische Infanterie» – dies, obwohl sie schwere Verluste erleiden würden.
Die Gefangennahme nordkoreanischer Soldaten durch ukrainische Truppen gestalte sich als sehr schwierig: Anders als viele russische Soldaten, die sich den Ukrainern zufolge oft freiwillig ergeben, würden die Nordkoreaner bis zu ihrem Tod kämpfen oder sich mit Granaten selber töten, um der Gefangennahme zu entgehen.
Detaillierte Aufzeichnungen der Kampferfahrungen
Die auf Koreanisch verfassten Dokumente lassen dem Bericht zufolge darauf schliessen, dass nordkoreanische Truppen ihre Kampferfahrungen detailliert aufzeichnen und diese Erfahrungen auf dem Schlachtfeld offenbar dazu nutzen, neue Techniken zu erproben.
Ebenfalls scheine es so, dass sie auch aus ihren Fehlern lernten. Die Ukraine warnte bereits, dass Pyongyang den Einsatz in Kursk als Gelegenheit nutzen könnte, praktische Erfahrungen auf dem Schlachtfeld für mögliche zukünftige Konflikte mit dem Westen zu sammeln.

In den Aufzeichnungen sollen in Kursk stationierte Nordkoreaner auch kritisch über das Verhalten eigener Soldaten berichten. So würden Szenen geschildert, wonach nordkoreanische Kämpfer ukrainische Soldaten getötet hätten, obwohl diese sich hätten ergeben wollen. Diese «Taktik», die die Ukrainer erzürne, führe dazu, dass Kämpfe verlängert würden.
Auch von Schwierigkeiten bei der Planung der Einsätze wird berichtet. So stehe in einem der erbeuteten Dokumente, es hätten den nordkoreanischen Kämpfern entscheidende Informationen über feindliche Stützpunkte, Drohnenstartplätze oder Artilleriestellungen gefehlt, sodass sie das Schlachtfeld unvorbereitet hätten betreten müssen.
Beweise für Trump und die Welt
Bei der Veröffentlichung der gesammelten Gegenstände geht es der Ukraine einerseits darum, Beweise für Nordkoreas wachsende Rolle im Krieg zu sammeln. Dies ist für das Land angesichts des Amtsantritts des neuen US-Präsidenten Donald Trump bedeutend. In der Ukraine sind die Befürchtungen gestiegen, die USA könnten unter Trumps Präsidentschaft die Hilfen kürzen oder Verhandlungen erzwingen, die auf ein Einfrieren der von Russland verschobenen Grenzen in der Ostukraine hinauslaufen könnten.
Trump ist während seiner ersten Amtszeit mit Kim Jong-un zusammengetroffen. Mit zwei gefangen genommenen Nordkoreanern als Kriegsgefangene konnte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski Mitte Januar belegen, dass Moskau sich bei seinem Krieg gegen die Ukraine nicht nur auf den Iran stützt, sondern auch auf die Diktatur Nordkorea.
Andererseits geht es der ukrainischen Armee darum, mehr über die Mentalität der nordkoreanischen Kämpfer zu erfahren. Dem Bericht zufolge haben sich diese rasch an die «moderne Kriegführung» angepasst. So habe es den Anschein gemacht, dass nordkoreanische Truppen, die zuvor ukrainische Stellungen in Kursk eingenommen hätten, vom ukrainischen Widerstand überrascht gewesen seien, schreibt die Zeitung unter Berufung auf ukrainische Soldaten. Gleichzeitig hätten auch die Nordkoreaner erbittert und aggressiv gekämpft und dabei fortschrittliche Kriegstaktiken demonstriert.
Beim selben Einsatz ist der erste nordkoreanische Kriegsgefangene der Ukraine gestorben, wie es weiter heisst. Die ukrainischen Truppen hätten demnach versucht, den verwundeten Festgenommenen durch Sanitäter zu stabilisieren. Als sie sich hätten zurückziehen wollen, hätten die nordkoreanischen Soldaten erneut angegriffen, wobei der Gefangene ums Leben gekommen sei.
Die Gefangennahme von nordkoreanischen Kriegsgefangenen ist Berichten zufolge für die ukrainischen Truppen auch deshalb von Bedeutung, weil sie sich einen Austausch ukrainischer Kriegsgefangener in Russland erhoffen.
Mögliche Anzeichen von Erschöpfung
In den letzten Tagen seien nordkoreanische Truppen nach Wochen unerbittlicher Angriffe kaum noch auf dem Schlachtfeld erschienen, sagten die ukrainischen Soldaten. Die russischen Angriffe würden jedoch weiterhin andauern. Das könne ein Zeichen dafür sein, dass sich die Nordkoreaner in Kursk neu formieren und Angriffe planen – oder aber es könnte darauf zurückzuführen sein, dass viele Kämpfer verwundet und von den jüngsten Angriffen erschöpft seien.
Die Echtheit der Dokumente konnte die «Washington Post» nicht verifizieren, Vergleiche mit anderen Materialien aus Nordkorea würden aber übereinstimmen – ebenso das von ukrainischen Truppen beschriebene Verhalten der nordkoreanischen Soldaten.
Am Montag, dem Tag von Trumps Inauguration, gibt es nicht nur in der Ukraine, sondern auch in den USA die Hoffnung, Trump würde Kim in Pyongyang ins Gewissen reden und ihn davon überzeugen, dass es im Interesse von niemandem sein könne, dass nordkoreanische Soldaten so weit von zu Hause entfernt getötet würden.
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