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Reaktion auf Ukraine-Hilfe
Putin versucht es mit einer Einschüchterungs­show gegen den Westen

TOPSHOT - In this pool photograph distributed by Russian state agency Sputnik, Russia's President Vladimir Putin  speaks with heads of International news agencies in Saint Petersburg on June 5, 2024.  (Photo by Vladimir ASTAPKOVICH / POOL / AFP)
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Eine für diese Zeiten ungewöhnliche Runde hatte Wladimir Putin um sich geschart, als er sich im Gazprom-Wolkenkratzer an den Tisch setzte, das Blau der Ostsee im Rücken, ein Lächeln auf den Lippen. Er hatte internationale Nachrichtenagenturen am Rande des Sankt Petersburger Wirtschaftsforums eingeladen, in das mehr als dreistündige Gespräch packte er mehr oder weniger versteckte Drohungen gegen den Westen.

Genau danach hatte ihn auch die Deutsche Presse-Agentur in dieser Runde gefragt: ob Putin den deutschen Kanzler davor gewarnt habe, Waffen in die Ukraine zu liefern. Putin holte weit aus, erklärte, warum aus seiner Sicht nicht Russland diesen Konflikt begonnen habe. Zu den Waffenlieferungen sagte er, dass die deutschen Panzer auf ukrainischem Boden bereits ein «moralischer und ethischer Schock» für Russland gewesen seien, wo die Bevölkerung doch eigentlich eine positive Haltung zu Deutschland habe. (Lesen Sie hier mehr über Putins Hybridkrieg: «Russische Sabotageakte in Europa werden sich häufen».)

Wenn jetzt auch noch russisches Territorium von Raketen getroffen würde, «dann zerstört das die russisch-deutschen Beziehungen natürlich völlig», so Putin. Nur um hinterherzuschieben, dass Deutschland ja ohnehin nach dem Zweiten Weltkrieg nie ein «souveräner Staat im wahrsten Sinne des Wortes» gewesen sei.

Sensible Objekte im Visier

Es ist eine für Moskauer Verhältnisse einigermassen milde, vor allem erwartbare Drohung. Später wird Putin noch nach den Signalen aus dem Westen gefragt, dass Kiew aus Europa und den USA gelieferte Waffen auch gegen Ziele auf russischem Territorium einsetzen darf.

Wenn dies in Erwägung gezogen würde, so Putin, habe Russland auch das Recht, Waffen derselben Klasse dorthin zu liefern, wo sensible Objekte dieser Lieferländer stünden. Sein Sprecher Dmitri Peskow verdeutlichte später die schwammige Drohung seines Chefs: Westliche Länder, die Waffen für Angriffe auf russischen Boden liefern, müssten definitiv mit Konsequenzen rechnen. Nur, mit welchen? Das liess er bewusst offen.

Plakat nahe der französischen Botschaft in Moskau

Der Kreml hat seit Kriegsbeginn immer umgehend auf Äusserungen oder Gedankenspiele im Westen reagiert, wenn es um Beistand für die Ukraine ging. So war es auch in den vergangenen Wochen: Als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Anfang Mai erneut von der Möglichkeit sprach, Bodentruppen in die Ukraine zu schicken, kündigte das russische Verteidigungsministerium eine Übung mit taktischen Nuklearwaffen an.

Das Ministerium begründete die Übung mit «provokanten Äusserungen» westlicher Beamter. Nahe der französischen Botschaft in Moskau hängt jetzt ein Plakat an einer Bushaltestelle, das französische Soldaten zur Kapitulation aufruft: «Wiederholen Sie nicht die Fehler Ihrer Vorfahren» steht dort; deren Schicksal sei schliesslich bekannt. Gemeint ist wohl der Russlandfeldzug Napoleons.

Botschafter einbestellt

Mit den «provokanten Äusserungen» aus dem Westen dürfte Moskau neben Frankreich auch Grossbritannien gemeint haben. Aussenminister David Cameron hatte Anfang Mai verkündet, es sei Sache der Ukrainer, ob sie mit den gelieferten Waffen Ziele auf russischem Boden angriffen oder nicht. Beide Botschafter, der britische und der französische, wurden damals einbestellt. Grossbritannien habe sich de facto zur Konfliktpartei gemacht, schrieb das russische Aussenministerium. Der Botschafter sei gewarnt worden, dass jede britische Militäranlage – in der Ukraine oder ausserhalb – zum Ziel werden könnte, sollten britische Waffen auf russischem Boden eingesetzt werden.

Putin hat die Diskussion in der Nato über den Einsatz westlicher Waffen bereits vor dem Treffen in Sankt Petersburg persönlich kommentiert. Die beteiligten Vertreter dieser Nato-Staaten, «insbesondere in Europa, insbesondere in kleinen Ländern», sagte er Ende Mai, «müssen sich darüber im Klaren sein, womit sie spielen. Sie müssen bedenken, dass es sich in der Regel um Staaten mit kleinem Territorium und sehr dichter Bevölkerung handelt.» Eine kaum verhüllte Drohung.

«Das wird traurig enden»

Für noch deutlich schärfere Ankündigungen schickt Putin allerdings in der Regel seinen Vorgänger im Kreml vor: Dmitri Medwedew. Bereits zwei Monate nach Beginn des russischen Feldzugs hatte der Ex-Präsident und -Premier, nun Vizechef des russischen Sicherheitsrats, auf eine Entscheidung des Deutschen Bundestags zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine geantwortet: «Das wird traurig enden.»

Im vergangenen Jahr drohte Medwedew dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius, dieser solle auf eine russische Parade in Berlin vorbereitet sein. Medwedew unterstellte dabei einfach, dass Pistorius Russland angreifen wolle. Auch mit russischen Atomwaffen hat Medwedew über seinen Telegram-Kanal mehrmals gedroht, «unter Einsatz des gesamten strategischen Arsenals unseres Staates», und zwar «auf Kiew, Berlin, London, Washington». Er dürfte dabei nicht nur die westlichen Staaten einschüchtern, sondern auch seine Klientel in Russland beeindrucken wollen. Medwedews Telegram-Kanal hat mehr als 1,3 Millionen Abonnenten.