Ukraine-Gipfel in der Schweiz Russland organisiert Gegenkonferenz, ukrainischer Wiederaufbau-Politiker tritt zurück
Vor dem Friedensgipfel in der Schweiz ist der Krieg in der Ukraine auf mehreren internationalen Treffen Thema. Russland sendet ein deutliches Signal an den Westen.
Während in der Schweiz die Vorbereitungen für die Ukraine-Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock laufen, geht in Russland bereits in diesen Tagen eine Gegenveranstaltung über die Bühne: Der Kreml hat am Montag und Dienstag nach Nischni Nowgorod geladen, etwa 400 Kilometer östlich von Moskau. Vertreterinnen und Vertreter der Brics-Staaten, zu denen neben Russland unter anderem Brasilien, Indien, China und Südafrika zählen, waren angereist.
So trafen am Montag auch der russische Aussenminister Sergei Lawrow und sein chinesischer Amtskollege Wang Yi aufeinander. Peking ist vor allem wirtschaftlich ein enger Verbündeter Moskaus. Russland setzt wegen westlicher Sanktionen infolge der russischen Vollinvasion in der Ukraine verstärkt auf Exporte Chinas, darunter insbesondere sogenannte Dual-Use-Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Auf der Konferenz versicherte man einander nun die partnerschaftlichen Beziehungen.
«Unsere Zusammenarbeit entspricht den grundlegenden Interessen jedes unserer Länder (…). Sie richtet sich nicht gegen ein Drittland und ist immun gegen Einmischung von aussen», sagte Wang laut der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Interfax. In der Schweiz war lange gerätselt worden, ob China trotz früher Absage doch auf dem Bürgenstock erscheint – und somit eine breitere Verhandlungsbasis über die Unterstützung der Ukraine ermöglicht.
Westliche Staaten werfen China vor, die Sanktionen gegen Russland zu torpedieren. Das Treffen in Nischni Nowgorod wird deshalb als Signal des Kreml gewertet, dass Russland Verbündete um sich versammelt. Dazu zählt auch der brasilianische Aussenminister Mauro Vieira. Brasilien hatte einst Anläufe gestartet, im russischen Krieg gegen die Ukraine zu vermitteln, es pflegt aber selbst enge wirtschaftliche Beziehungen nach Russland und sieht auch keinen Grund, davon abzulassen.
Die Ukraine versucht, bei der am Wochenende anstehenden Friedenskonferenz in der Schweiz eine grosse Allianz von Unterstützern zu versammeln. Russland wurde nicht eingeladen. (Lesen Sie hier alle aktuellen Entwicklungen zur Konferenz auf dem Bürgenstock am kommenden Wochenende.)
Unterdessen steht ein weiteres wichtiges Treffen für die Ukraine bevor: Am Dienstag und Mittwoch findet die Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin statt. Unmittelbar davor ist aber Mustafa Najjem, Leiter der staatlichen Agentur für den Wiederaufbau der Ukraine, zurückgetreten. Er begründete das mit Spannungen, die es mit der Regierung gegeben habe. Ihm seien bei seiner Arbeit «systematisch Hindernisse» in den Weg gelegt worden, die ihn «am effizienten Ausüben meiner Funktion hindern», schrieb Najjem am Montag auf Facebook. Er kritisierte auch Ministerpräsident Denis Schmihal, der ihm die Reise zur Wiederaufbaukonferenz in Berlin verwehrt habe.
Die Wiederaufbaukonferenz in Berlin soll der Ukraine eine langfristige Perspektive geben. Angesichts massiver Angriffe Russlands geht es auch um Nothilfe mitten im Krieg. Die gemeinsam mit der Ukraine organisierte Konferenz mit rund 2000 Teilnehmern soll auch der Vernetzung von Akteuren aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kommunen dienen.
Najjem ist in der Ukraine vor allem durch seine führende Rolle bei der proeuropäischen Maidan-Revolution 2014 bekannt. Seit Anfang 2023 war er Chef der Wiederaufbau-Agentur des Landes. Der 42-Jährige kritisierte auch Kürzungen im Budget seiner Behörde und verwies darauf, dass «die Gehälter der Mehrheit der Mitarbeiter um 68 Prozent gekürzt wurden». Zudem verzögere überbordende Bürokratie viele Projekte. Najjem warnte davor, für Infrastrukturprojekte – insbesondere Strassenreparaturen – bereitgestellte Mittel in die Verteidigung umzuleiten.
Unterdessen reagierte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski auf Berichte von der Front, genauer zur nordöstlichen Grenzregion Sumi. Er widersprach Meldungen, wonach Russen dort vorgedrungen seien. Die Ukraine kontrolliere die Region vollständig, schrieb Selenski am Montag im Onlinedienst Telegram. Eine «Propagandaoperation» des russischen «Besetzers» im Dorf Rischiwka sei vereitelt worden. «Heute Morgen wurde die russische Flagge in dem Dorf zerstört. Es gibt keine Besatzung.»
Dem vorausgegangen war eine Behauptung des Präsidenten der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow. Ohne Beweise vorzulegen, hatte er am Sonntag mitgeteilt, russische Truppen hätten das Grenzdorf eingenommen. Selenski hatte im Mai gesagt, russische Truppen würden sich an der nördlichen Grenze zusammenziehen.
AFP/SDA/cli
Fehler gefunden?Jetzt melden.