Ukraine-Blog: Fotos, Fakes und FragenRussland macht Vorstösse an der Front
Die russische Armee startete in den vergangenen Tagen mehrere Grossangriffe – und vermeldet nun Erfolge in den Gebieten Donezk und Charkiw.
Die russischen Streitkräfte fahren derzeit zum Gegenangriff auf: In den vergangenen Tagen haben sie heftige Attacken in den Gebieten Donezk sowie in der Oblast Charkiw durchgeübt. Einem Bericht der ukrainischen Streitkräfte zufolge wurden seit dem 22. Oktober an allen Fronten über 90 Gefechte mit russischen Streitkräften registriert. Laut der ukrainischen Zeitschrift «Kyiv Independent» ist dies «eine ungewöhnlich hohe Zahl von Zusammenstössen pro Tag», manchmal doppelt so viele wie noch Mitte Oktober.
Insbesondere die Stadt Awdijiwka steht im Fokus: Wie das in Washington ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) schreibt, hat Russland in den vergangenen Tagen trotz Herausforderungen «zusätzliche Kräfte an die Front nach Awdijiwka» verlegt. Am Montag bestätigte das ISW schliesslich russische Vorstösse nahe der Stadt. Russischen Quellen zufolge sollen Russlands Streitkräfte in den letzten zwei Tagen fast zwei Kilometer in das Gebiet vorgedrungen sein.
Ein «beispielloser» Angriff
In einem Interview mit der «Washington Post» bezeichnete der Leiter der Militärverwaltung der Stadt Awdijiwka, Witali Barabasch, die neue Attacke als «beispiellos»: «Seit Anfang dieses Jahres hat es keinen solchen Angriff in irgendeiner Richtung an der Frontlinie gegeben.»
Russland hat laut Barabash mehr Personal und Ausrüstung Richtung Awdijiwka geschickt, als dies in den vergangenen Jahren in den Kämpfen gesehen wurde. So seien zu Beginn des Angriffskriegs nicht mehr als 30 bis 35 russische Einheiten in der Region aktiv gewesen: «Aber am 10. Oktober haben sie rund 100 Einheiten eingesetzt. Und das war nur der erste Tag.» Wenn Russland Awdijiwka erobert, könnte aufgrund der strategischen Lage ein grosser Teil der Front, die sich über knapp 50 Kilometer von Torezk bis Marjinka erstreckt, zusammenbrechen, so Barabasch.
Die Strasse, die in die ostukrainische Stadt führt, stehe zurzeit «unter ständigem Beschuss», sagte Barabasch in einem anderen Interview gegenüber Radio Free Europe. «Dementsprechend erschwert es sowohl die Evakuierung als auch den Import humanitärer Hilfe erheblich.» Rund 1300 Personen leben derzeit noch in der Stadt. Vor dem Krieg hatte der Ort rund 30’000 Einwohner und Einwohnerinnen.
Erfolge in Charkiw
Auch weiter nördlich, in der Region Charkiw, hat die russische Armee den Beschuss intensiviert. Wie das Institut für Kriegsstudien berichtet, haben die russischen Streitkräfte am 23. Oktober Offensivoperationen in der Nähe der Stadt Kupjansk durchgeführt und einen «begrenzten bestätigten Vorstoss» erzielt.
Der 28-jährige Soldat Schenja, der in Sinkiwka kämpft, einem Dorf nordöstlich von Kupjansk, beschrieb die Kämpfe der letzten Tage gegenüber der «Washington Post» als «verrückt». Die Russen griffen laut Schenja ukrainische Stellungen «mit einer grossen Menge an Munition» an: «Sie haben definitiv mehr Panzer hierhergebracht, ihre Artillerie schiesst fast ununterbrochen.»
Die Ukraine meldete ebenfalls Vorstösse
Die im vergangenen Juni gestartete ukrainische Gegenoffensive ist derweil nach wie vor im Gang. Auch die ukrainischen Streitkräfte vermeldeten in den vergangenen Tagen vereinzelt Erfolge an der Front: So wurden etwa in der Region um Bachmut in den vergangenen Tagen einige bestätigte Vorstösse um die Stadt Klischtschijiwka gemacht, wie das ISW berichtet.
Russland fahre bei seinen aktuellen Offensiven keine neue Strategie, sagte Wolodimir Fitjo, ein Sprecher der ukrainischen Bodentruppen, gegenüber dem ukrainischen Nachrichten-Telemarathon «United News». «Die ukrainischen Soldaten verteidigen sich aktiv. Das gibt uns die Möglichkeit, sowohl zu verteidigen als auch in geeigneten Momenten anzugreifen.»
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