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Meinung

Kommentar zur Meinungsfreiheit
Ueli Maurer und die Corona-Diktatur

Gut gezielt und doch knapp daneben getroffen: Ueli Maurer.
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Der Finanzminister macht sich Sorgen um die Meinungsfreiheit. Das sagte er am Samstag an der Delegiertenversammlung der SVP. Die Leute hätten das Gefühl, nicht mehr frei reden zu können. Viele würden ihm schreiben, sagte Maurer, man grenze sie aus, weil sie anders dächten.

Meint Maurer wirklich, die Schweiz mutiere zur Corona-Diktatur?

Zum Beispiel bezüglich der Corona-Pandemie. Solche Menschen würden weggesperrt, sagte Maurer – und erwähnte als Beispiel ein Video, das ihm in den sozialen Medien begegnet sei. Ein älterer Mann habe demonstriert und sei von der Polizei abgeführt worden. «Solche Dinge tun mir weh in einer Demokratie», so Maurer.

Rentner, die von Polizisten abgeführt, Menschen, die wegsperrt werden, weil sie sich frei äussern – meint Maurer wirklich, die Schweiz mutiere zur Corona-Diktatur? Dann meint Maurer falsch, wie ein näherer Blick zeigt.

Laut Recherchen der «Aargauer Zeitung» bezieht Maurer sich in seiner Rede auf Geschehnisse rund um eine unbewilligte Demonstration in Ebikon. Die dortige Primarschule hatte die Einführung einer Maskenpflicht erwogen, worauf einschlägige Corona-Rebellen anreisten, um dagegen zu demonstrieren (obschon die Maskenpflicht dann nicht einmal beschlossen wurde, sie also «Rebels without a cause» waren). Die Polizei forderte sie erst zum Weggehen auf und nahm sie fest, als sie das nicht taten.

Maurers Beispiel ist reichlich daneben gewählt. Die Luzerner Polizei verhaftete den Mann in Ebikon nicht, weil er die falsche Meinung äusserte, sondern, weil er sich ihren wiederholten Aufforderungen widersetzte. Genauso gut könnte Maurer sich darüber beklagen, dass die Polizei jeweils am 1. Mai in Zürich den schwarzen Block wegen seiner missliebigen Meinungen festzusetzen versucht. Was natürlich genau so falsch wäre.

Es geht bei solchen Polizeieinsätzen nicht darum, andere Meinungen zu unterbinden. In einer Demokratie hat jeder das Recht, seine Anliegen auf die Strasse zu tragen. Gleichzeitig ist er dazu angehalten, sich an die Regeln zu halten und die öffentliche Ordnung nicht zu stören. Indem die Polizei das durchsetzt, sorgt sie gerade für die Freiheit aller. So viel Differenzierungsvermögen sollte man einem Bundesrat zutrauen können.

Maurer spricht ein Thema an, das durchaus Aufmerksamkeit verdient.

Maurers exemplarischer Missgriff ist auch deshalb bedauerlich, weil er ein Thema anspricht, das durchaus Aufmerksamkeit verdient. Nicht erst seit der Corona-Pandemie gibt es in der Politik, den sozialen Medien und zum Teil auch den klassischen Medien eine Tendenz, Menschen mit missliebigen Positionen zu diskreditieren und auszugrenzen.

Man denke nur, wie schnell der Begriff «Covidioten» auf all jene gemünzt wurde, die es wagten, Fragezeichen hinter die bundesrätlichen Corona-Massnahmen zu setzen. Diese Tendenz betrifft aber nicht nur das Thema Corona. Sie wird auch leidenschaftlich am Phänomen «Cancel Culture» diskutiert, von der die einen bestreiten, dass sie existiere, während die anderen immer wieder neue Beispiele von Betroffenen finden, die wegen angeblichen Rassismus oder Sexismus Jobs, Gelder, Engagements und Aufträge verlieren.

Es trifft zu, dass man in der Schweiz und im übrigen Europa immer noch alles sagen kann. Es trifft aber auch zu, dass das soziale Risiko, sich zu gewissen Themen frei zu äussern, enorm zugenommen hat. Und dass anstatt auf Dialog zwischen opponierenden Meinungen zunehmend auf soziale Ausgrenzung oder offene Gewalt gesetzt wird. Das sind Tendenzen, die uns durchaus Sorgen machen müssten.