«Türkei will keinen erschöpften Mann, der schreit und tobt»
Der CHP-Kandidat Muharrem Ince will als Präsident das «Gegenteil» von Erdogan sein und die Polarisierung der türkischen Gesellschaft beenden.
Der türkische Oppositionskandidat Muharrem Ince will als Präsident das «Gegenteil» des bisherigen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan sein, den er bei der Präsidentschaftswahl am 24. Juni herausfordert. «Seit 16 Jahren polarisiert und spaltet Erdogan die Gesellschaft. Ich werde ganz das Gegenteil sein. Ich werde ein Präsident sein, der vereint», sagte der Kandidat der Republikanischen Volkspartei (CHP) am Freitag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP in seiner Heimatstadt Yalova.
«Die Türkei will atmen, sie will Frieden, sie will Ruhe», sagte der 54-jährige bei dem Interview im Garten des Hauses seiner Familie im Dorf Elmalik südwestlich von Istanbul. «Sie will keinen erschöpften Mann, der schreit und tobt, sondern jemand jüngeres, gelasseneres.» Die Türkei sei «bereit», nach 16 Jahren unter der Regierung von Erdogans AKP eine neue Seite aufzuschlagen. «Das ist sogar, was sie will», sagte Ince.
Präsident für alle Türken
Wenn er an die Staatsspitze gewählt werde, werde er «niemanden ausschliessen», versicherte der frühere Lehrer, der seit seiner Ernennung zum CHP-Kandidaten Anfang Mai betont, als Präsident nicht nur für die Anhänger seiner Partei, sondern für alle Türken da sein zu wollen. «Ob Frau mit Kopftuch oder ohne, ob links oder rechts, Türke oder Kurde, Alevit oder Sunnit, es macht keinen Unterschied», sagte Ince.
Bei der Präsidentschaftswahl ist Erdogan zwar weiterhin klarer Favorit, doch könnte er in der ersten Runde die absolute Mehrheit verfehlen, so dass er am 8. Juli in eine Stichwahl müsste. Laut Umfragen würde er dann gegen Ince antreten, der mit seinem volksnahen Auftreten, seinen scharfen Reden und seinem Humor über die Stammwählerschaft seiner links-nationalistischen Partei hinaus Unterstützung gefunden hat.
Erdogans Wahlversprechen
Die Opposition wirft Erdogan seit langem vor, zunehmend autoritär und willkürlich zu regieren und mit seiner Politik die Gesellschaft zu spalten. Viele Türken sind zudem beunruhigt, dass der 64-Jährige nach der Wahl quasi uneingeschränkt herrschen kann. Denn mit der Wahl tritt das umstrittene Präsidialsystem in Kraft, das bei einem kontroversen Referendum im April 2017 mit knapper Mehrheit gebilligt worden war.
Erdogan wirbt im Wahlkampf für den Bau eines riesigen Schifffahrtskanals zwischen dem Schwarzen Meer und dem Marmara-Meer, um den Bosporus zu entlasten. Doch Umweltschützer sind entsetzt, und auch viele Anwohner teilen nicht seinen Enthusiasmus für das riesige Inftrastrukturprojekt.
Festnahmen nach tödlichen Zusammenstössen
Nach tödlichen Zusammenstössen bei einer Wahlkampfveranstaltung im Süden der Türkei hat die Polizei einem Medienbericht zufolge 19 Menschen festgenommen. Auch ein Kandidat der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) sei am Samstag festgenommen worden.
Dies berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Bei einem Rundgang eines Regierungsabgeordneten in der kurdischen Stadt Suruc waren Medienberichten zufolge am Donnerstag vier Menschen getötet und acht weitere verletzt worden.
Den Berichten zufolge war es zu einem Streit zwischen Ladenbesitzern und dem AKP-Abgeordneten Ibrahim Halil Yildiz gekommen. Yildiz soll den Vorfall unversehrt überstanden haben. Laut Anadolu war ein Bruder von Yildiz unter den Toten. Um wen es sich bei den anderen Opfern handelt, war unklar.
Tathergang unklar
Die Berichte über den genauen Tathergang waren widersprüchlich. Regierungsnahe Medien berichteten, Yildiz und seine Anhänger seien von Oppositionellen angegriffen worden, die mit Stöcken und Messern bewaffnet gewesen seien.
In Berichten pro-kurdischer Medien wurden dagegen die Leibwächter des Abgeordneten für die Tat verantwortlich gemacht. Sie hätten geschossen, nachdem Yildiz von Händlern unfreundlich empfangen worden sei.
Präsident Recep Tayyip Erdogan machte die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für die Tat verantwortlich. In der Türkei stehen am 24. Juni vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an.
AFP/nag
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