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Zölle, Handel, Geldflüsse
Wo Trump mit seinen Behauptungen richtig liegt – und wo nicht

Donald Trump präsentiert den unterzeichneten Erlass zu Reziprozitätszöllen im Oval Office am 13. Februar 2025.
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In Kürze:
  • Trump kündigt neue «Reziprozitätszölle» gegen Handelspartner an. Er will damit das Handelsdefizit der amerikanischen Wirtschaft ausgleichen.
  • Experten bezweifeln aber, dass das gelingt. Importzölle verteuern inländische Waren, schaden US-Industrien und vernichten mehr Jobs, als sie schaffen.
  • Ob ein Land im Aussenhandel Überschüsse oder Defizite erzielt, hängt mehr mit anderen Faktoren wie der Konjunktur und dem Staatsdefizit ab.

Was den Welthandel angeht, hat Donald Trump eine klare Meinung: Die Vereinigten Staaten würden benachteiligt und müssten Vergeltung üben.

«Viele Jahre lang wurden die USA von ihren Handelspartnern, ob befreundet oder feindlich, unfair behandelt», heisst es dazu in einem Memorandum, das der US-Präsident diese Woche veröffentlicht hat. Das habe die wirtschaftliche und nationale Sicherheit der USA gefährdet, ihre Wettbewerbsfähigkeit verringert und das Land abhängig gemacht.

Um das vermeintliche Problem zu lösen, will Trump zusätzliche Zölle auf Importe aus anderen Ländern erheben. Sie sollen dazu führen, dass der Handel ausgeglichener wird, sprich: dass die USA mehr exportieren können.

Stimmt diese Diagnose? Und was taugt die angedachte Lösung? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Handelspolitik des US-Präsidenten.

Was stört Trump konkret?

Den US-Präsidenten ärgern die Handelsdefizite, die die Vereinigten Staaten gegenüber den meisten Ländern aufweisen.

China beispielsweise lieferte 2023 Waren und Dienstleistungen im Umfang von 448 Milliarden Dollar in die USA. Umgekehrt gingen nur Waren und Dienstleistungen über 196 Milliarden Dollar von den USA nach China. Das ergibt aus Sicht der USA eine negative Bilanz von 252 Milliarden Dollar.

Ähnlich wie mit China ergeht es den USA mit vielen weiteren Ländern: Die Importe übersteigen die Exporte deutlich. In den meisten Fällen führen die USA dabei viele Industrieprodukte ein (etwa Autos aus Europa und Mexiko oder Smartphones aus Asien) und liefern weniger Industrieprodukte aus.

Teils liegt das bilaterale Defizit auch an speziellen Rohstoffen wie Erdöl, das in Kanada gefördert und in US-Raffinerien weiterverarbeitet wird.

Zwar erzielen die Vereinigten Staaten im Handel mit Südamerika und mit Umschlagplätzen wie Singapur einen Überschuss. Doch insgesamt fällt das kaum ins Gewicht. Alles in allem importieren die USA deutlich mehr Güter und Dienstleistungen, als sie exportieren.

Wie lang geht das schon so?

Bis in die 1980er-Jahre war die Handelsbilanz der USA ausgeglichen. Unter Ronald Reagan öffnete sich erstmals ein zeitweiliges Defizit. Gründe dafür waren die Geldpolitik der Federal Reserve, deren hohe Zinsen dazu führten, dass der Dollar sehr stark wurde – was Importe verbilligte und Exporte verteuerte –, sowie das sich ausweitende US-Staatsdefizit.

Um die Jahrtausendwende rutschte die Handelsbilanz der USA erneut ins Minus. Staatsdefizite spielten dabei abermals eine Rolle: Unter George W. Bush begann die Regierung wieder mehr Geld auszugeben, als sie über Steuern einnahm, was den Konsum und die Importnachfrage ankurbelte.

Eine wichtige Rolle spielte aber auch der Tech-Boom. Mitte der 1990er-Jahre entwickelte sich der Internetsektor, die US-Wirtschaft wuchs rasant. Das machte Anlagen in Amerika für Investoren aus aller Welt interessant. Und es führte dazu, dass viel Kapital in die USA floss – mit diesem Kapital finanzierte Amerika im Gegenzug zusätzliche Importe. So stieg das amerikanische Handelsdefizit in den 2000er-Jahren auf über 5 Prozent des BIP.

Nach der Finanzkrise pendelte sich das Defizit in der Gegend von 3 Prozent des BIP ein, wo es noch heute steht. Würde man nur die Waren betrachten, wäre es sogar noch etwas grösser. Doch im Dienstleistungshandel erzielen die USA zunehmend Handelsüberschüsse, das wirkt dem entgegen. Zu den Einnahmen im Dienstleistungshandel tragen beispielsweise die Gelder bei, die Firmen wie Google oder Netflix von Kunden aus aller Welt erhalten.

Sind Handelsdefizite schlimm?

Eigentlich nicht. Sie deuten lediglich an, dass ein Land mehr Güter aus anderen Ländern bezieht als umgekehrt – während die anderen Länder mehr Geld in dem Land investieren, welches das Handelsdefizit aufweist.

Dieser spiegelbildliche Zusammenhang lässt sich anhand der sogenannten Kapitalbilanz illustrieren. Auf einer Grafik der letzten Jahrzehnte erkennt man gut, dass die USA immer dann ein grosses Handelsdefizit aufwiesen, wenn sie im Kapitalverkehr einen grossen Überschuss verzeichneten.

Warum ist die Handelsbilanz das Spiegelbild zur Kapitalbilanz? Man kann sich dazu etwa das folgende, stark vereinfachte Beispiel vorstellen:

  • Eine Europäerin geht mit Euro-Geldscheinen in die Wechselstube und tauscht sie gegen 100 Dollar, um damit ein US-Wertpapier zu kaufen.

  • Jetzt hat jemand in Amerika – der einstige Besitzer der 100 Dollar – Euro-Geldscheine in der Hand, mit denen er im eigenen Land nicht viel anfangen kann.

  • Diese Person kann nun entweder eine Aktie in Europa kaufen. Dann ist die Kapitalbilanz wieder ausgeglichen.

  • Oder sie kann die Euros verwenden, um Waren aus Europa zu kaufen. Dann steht einerseits die US-Kapitalbilanz mit 100 Dollar im Plus und andererseits die US-Handelsbilanz mit 100 Dollar im Minus.

Ungefähr so wie in diesem Beispiel sind die grenzüberschreitenden Geld- und Warenströme in die USA über die vergangenen Jahrzehnte verlaufen.

Warum fliesst so viel Kapital in die USA?

Manuel Oechslin, Wirtschaftsprofessor an der Universität Luzern, sagt: «Die Kapitalbilanz wird primär durch makroökonomische Grössen bestimmt.» Was er damit meint, sind Unterschiede wie diese:

  • Die europäische Bevölkerung ist im Schnitt älter als die amerikanische. Und sie wächst langsamer. Deshalb wird in Europa mehr Geld gespart und weniger investiert. Und das begünstigt wiederum, dass Europäer mehr Geld in den USA anlegen als umgekehrt.

  • Noch viel höher ist die Sparneigung in China. Das hängt damit zusammen, dass es dort keine ausgebaute Altersvorsorge gibt. Zwar wird in China auch viel Geld investiert, doch das reicht nicht aus: Ein Teil des Kapitals fliesst in Länder wie die USA.

  • In den USA borgt der Staat seit geraumer Zeit viel Geld. Die Regierung macht keinerlei Anstalten, den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen, und häuft immer mehr Schulden auf. Ein Teil davon wird durch Kapitalgeber aus dem Ausland finanziert.

  • Weil der Dollar eine Reservewährung ist, kaufen Zentralbanken aus aller Welt viele US-Staatsanleihen. Auch deshalb fliesst viel Kapital in die USA, was einen Teil der chronischen Handelsdefizite erklärt.

  • Und schliesslich läuft die US-Wirtschaft schon länger auf Hochtouren. Sie zieht Geld aus aller Welt an: Allein in der künstlichen Intelligenz wurden zuletzt etwa Hunderte von Milliarden Dollars investiert – Teile davon kamen aus Europa und China, wo zurzeit Flaute herrscht.

Ist also alles in bester Ordnung?

Nein. Es gibt im Welthandel durchaus Probleme. Im Fokus steht dabei ein Land, das auch Trump regelmässig zur Zielscheibe macht: China.

Eigentlich steckt China in einer Krise, seit dort eine Immobilienblase geplatzt ist. Um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, setzt Präsident Xi Jinping auf den Export. China will den Weltmarkt mit Elektroautos, Solarpanels und anderen Industrieprodukten fluten.

Damit diese Strategie aufgeht, unterstützt der Staat Industriefirmen im grossen Stil – etwa mit künstlich verbilligten Krediten, Steuernachlässen und direkten Subventionen. Das verzerrt den internationalen Wettbewerb.

Die chinesische Exportwelle bringt die westliche Industrie in Bedrängnis. Ökonomen sprechen in dem Zusammenhang vom «zweiten China-Schock» (der erste China-Schock datiert aus der Zeit nach der Jahrtausendwende).

Problematisch ist dieser Schock, weil er die Deindustrialisierung im Westen vorantreibt – und zwar zunehmend in strategisch wichtigen Hightech-Branchen. Viele Ökonomen halten es deshalb für legitim, wenn sich der Westen gegen Chinas staatliche Eingriffe in die Marktwirtschaft wehrt.

Sind Trumps Zölle gerechtfertigt?

Zölle sind ein mögliches Druckmittel, um China zu einer Änderung seiner Wirtschaftspolitik zu bewegen. Allerdings wäre es effektiver, wenn die USA solche Massnahmen in enger Absprache mit Europa, Mexiko und Kanada ergreifen würden, statt ihre Verbündeten ebenfalls mit Zöllen zu verprellen.

Will Trump mit Zöllen dagegen erreichen, dass sich die US-Handelsbilanz ausgleicht, dann wird er mit dieser Taktik allerdings nicht weit kommen.

Das einerseits, weil Zölle die Währung stärken. Müssen Amerikaner auf Einfuhren eine Abgabe leisten, dann schwächt das zwar die Nachfrage nach Importen. Als Folge davon wertet aber der Dollar auf. Und das wiederum macht Importprodukte billiger – die Wirkung der Zölle wird konterkariert.

Andererseits schaden Zölle der Wirtschaft. Am Beispiel der Stahlzölle wurde das während Trumps erster Amtszeit gut sichtbar. Die USA importierten als Folge der Zölle zwar weniger Stahl, und in der US-Stahlindustrie entstanden rund 1000 Jobs. Doch wegen der Zölle wurde Stahl auch teurer, und deshalb gingen in Branchen wie der Maschinenindustrie, die Stahl als Vorprodukt benötigen, 75’000 Stellen verloren. Die Exporte dieser Branchen schrumpften, und der Nettoeffekt in der Handelsbilanz war gleich null.

«Wenn die USA wirklich ihr Handelsdefizit verringern wollen, dann gibt es dafür nur einen Weg», sagt Mathias Hoffmann, Wirtschaftsprofessor an der Universität Zürich. «Der Staat muss seinen Haushalt ins Lot bringen, und die Haushalte müssen einen grösseren Anteil ihres Einkommens sparen.»