Treffen der Nato-VerteidigungsministerTrump will Merkel und ganz Deutschland bestrafen
Der US-Präsident plant, die amerikanische Militärpräsenz beim Verbündeten massiv zu reduzieren. Die Ankündigung überschattet das Nato-Treffen am Mittwoch in Brüssel.
Er hat es wieder getan, wieder einmal die Verbündeten vor den Kopf gestossen. Rechtzeitig vor einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister am Mittwoch hat Donald Trump offiziell bestätigt, die Hälfte der amerikanischen Truppen aus Deutschland abziehen zu wollen, und zwar explizit als Strafaktion gegen die Regierung in Berlin. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versuchte am Dienstag den drohenden Abzug zu relativieren. Noch seien die Pläne ja nicht fix.
«Präsident Trump und ich haben die Frage letzte Woche am Telefon diskutiert», sagte Stoltenberg. Seine Botschaft für Trump sei gewesen, dass die US-Präsenz gut sei für Europa, aber auch gut für Nordamerika und die USA. Das transatlantische Band sei wichtig für Stärke und Erfolg der Allianz. Vor ein paar Tagen hatte Stoltenberg erste Gerüchte über den Truppenabzug noch als Medienspekulation bezeichnet. Nun wollte er zu verstehen geben, dass er immerhin nicht wie alle anderen Verbündeten von der Ankündigung überrascht wurde.
Deutschland «straffällig»
Die Nato und Donald Trump, das war von Anfang an eine schwierige Beziehung. Da ist der Streit ums Geld, aber auch Donald Trumps Abneigung gegen multilaterale Organisationen. Jens Stoltenberg, der Sozialdemokrat aus Norwegen und Sprecher der Allianz, muss die schwierige Balance zwischen den USA und den europäischen Bündnismitgliedern schaffen. In Zeiten von Trump ist das eine ganz besondere Herausforderung. Deutschland sei «straffällig» (delinquent), sei seit Jahren «straffällig und schulde der Nato Milliarden Dollar», begründete der US-Präsident in der Nacht auf Dienstag seine Ankündigung. Er redete davon, die amerikanische Präsenz in Deutschland auf 25’000 Soldaten zu halbieren. Derzeit sind allerdings nur 34’500 US-Soldaten in Deutschland stationiert. Trump rechnete wohl die 17’000 Zivilisten im Dienst der US-Streitkräfte mit. Und natürlich schuldet Deutschland der Nato auch kein Geld, im Gegenteil, Berlin ist nach den USA zweitgrösster Beitragszahler zum Haushalt der Militärallianz. Der Streit dreht sich vielmehr darum, dass Deutschland zu wenig für die eigene Verteidigung tut und dem Nato-Ziel von Militärausgaben in der Höhe von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung hinterherhinkt.
Hoffen auf Trumps Abwahl
Aber vielleicht ist der Spuk bald vorbei und US-Präsident Trump nach der Wahl im November Geschichte. Einige in der Allianz scheinen auf den Faktor Zeit zu setzen. Es sei nicht möglich, innert ein paar Monaten Tausende Soldaten abzuziehen, sagen Nato-Diplomaten. Schliesslich seien viele der Amerikaner mit ihren Familien in Deutschland. Die USA hätten noch keinen endgültigen Entscheid getroffen, wann und wie der Abzug stattfinden werde, sagte Stoltenberg. Möglicherweise wird ein Teil der US-Soldaten nach Polen verlegt, ein Land, dessen rechtsnationale Regierung es mit Trump gut kann.
Ganz anders Deutschland, das der US-Präsident schon wegen der Handelsüberschüsse des Exportweltmeisters im Visier hat. Auch jetzt machte Trump seine Rechnung wieder auf. Die USA müssten für Europas Sicherheit sorgen, während Deutschland als grösstes EU-Mitglied Amerika mit seinen Exportüberschüssen viel Geld koste. Die Ankündigung vom Truppenabzug ist also eine gezielte Strafaktion gegen Deutschland.
Selbst Trumps Botschafterin bei der Nato war von der Ankündigung ihres Präsidenten überrascht worden: «Soweit wir wissen, hat der Präsident die Militärs beauftragt, die Struktur unserer Streitkräfte in Europa zu überprüfen», sagte Kay Bailey Hutchinson bei einem Pressegespräch. Sie glaube, die Planung für einen Abzug habe nicht begonnen. Deutschland sei ein wichtiger Partner, und niemand müsse befürchten, dass die USA Europa und Deutschland verlassen würden.
Rache an Merkel
Es heisst, Trump räche sich dafür, dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel seiner Einladung zu einem Treffen im Juni der sieben grössten Industrienationen G-7 in Washington nicht habe folgen wollen. Die amerikanische Präsenz in Deutschland ist eine bilaterale Geschichte, die auch die Bündnispartner tangiert. Aber vor allem schaden sich die Amerikaner selber, wie Jens Stoltenberg betonte. Denn die US-Präsenz in Deutschland diene nicht nur der Sicherheit Europas, sondern auch jener Amerikas. US-Stützpunkte in Deutschland wie die Luftwaffenbasis Ramstein, das Afrika-Kommando in Stuttgart oder das Militärlazarett in Landstuhl seien essenziell für amerikanische Einsätze im Nahen Osten, Afghanistan oder Afrika, rief der Nato-Generalsekretär in Erinnerung.
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