Vorwürfe der AnklageBeging Trump Wahlbetrug – oder ist das Demokratie?
Dem amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump wird Wahlbetrug und Buchhaltungsfälschung vorgeworfen. Seine Anwälte argumentieren, das sei alles ganz normal.
Donald Trump habe die Augen geschlossen, und sein Kopf sei weggenickt, als sei er eingeschlafen, berichteten die wenigen Medienschaffenden im Saal. So begann in dem historischen ersten Strafprozess gegen einen früheren US-Präsidenten der erste Tag, an dem die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe vortrug.
Nachdem die Vorwoche der Auswahl des Geschworenengremiums gewidmet war, geht es von jetzt an um das, was der Angeklagte gern in Hamburgerform zu sich nimmt: das «Beef», den Kern der Sache. Hellwach wirkte der 77-Jährige, als Staatsanwalt Matthew Colangelo sagte: «Es war reiner Wahlbetrug.» Eine Dreiviertelstunde lang führte Colangelo im Namen der Anklage aus, was sie Trump vorwirft: eine kriminelle Verschwörung mit seinem damaligen Anwalt Michael Cohen und dem damaligen Verleger der Boulevardzeitschrift «National Enquirer», David Pecker, im Wahlkampf 2016.
Negatives über Trump aufspüren und begraben
«Catch and kill» war ihre Methode, negative Nachrichten über Trump aufspüren und begraben. Pecker brachte in Erfahrung, welche Gerüchte über den notorischen New Yorker Lebemann kursierten. Dann kaufte er Zeugen die Geschichten ab und publizierte sie nicht, um den Präsidentschaftskandidaten zu schützen. Cohen bekannte sich schuldig und sass eine Haftstrafe dafür ab, Pecker erhielt Immunität zugesichert, damit er als Zeuge aussagt.
Dreimal kam das Schema in Varianten zur Anwendung: Einem Türsteher des Trump Tower, der von einem angeblichen unehelichen Kind berichtete, liess Pecker 30’000 Dollar zahlen. Playmate Karen McDougal, die über eine Affäre mit Trump erzählte, erhielt 150’000 Dollar. Und der Pornodarstellerin Stormy Daniels, die sagt, sie habe Sex gehabt mit Trump, als dessen Frau Melania soeben Sohn Baron zur Welt gebracht habe, überwies Anwalt Cohen 130’000 Dollar. Hintenrum sollte Trump die Summen zurückerstatten, im Fall von Stormy Daniels getarnt durch gefälschte Rechnungen – was ihm nun juristisch zum Verhängnis werden könnte. 34 falsche Einträge in die Buchhaltung wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor.
Im Gerichtssaal verteidigte Anwalt Todd Blanche den früheren Präsidenten, der unschuldig sei. «Es ist nicht verwerflich, eine Wahl zu beeinflussen. Wir nennen das Demokratie», sagte Blanche. «Ein Vertrag, um Schweigen zu erkaufen, ist nicht illegal.» Die Überweisungen an den damaligen Anwalt Cohen seien keine Schweigegeldzahlungen gewesen, sondern dessen Honorar als persönlicher Anwalt des damaligen Präsidenten und seiner Frau.
Die Verteidigung stellte die Glaubwürdigkeit von Cohen infrage; der frühere Trump-Anwalt hat nicht nur zugegeben, in einer Anhörung vor dem Senat gelogen zu haben, sondern auch in einem anderen Verfahren wegen Steuerbetrugs in Trumps Konzern. Cohen sei enttäuscht, weil er gehofft habe, ein Amt im Weissen Haus zu erhalten, behauptete die Verteidigung. Nun nenne er seinen einstigen Boss einen «verwerflichen Menschen» und sage öffentlich, er wolle ihn in oranger Gefängniskluft sehen. Mehrmals erhob die Anklage Einspruch gegen die Wortwahl von Trumps Anwalt – ob die Geschworenen dem Kronzeugen Glauben schenken, dürfte entscheidend sein.
Erster Zeuge war Verleger David Pecker, dessen Befragung unterbrochen wurde, weil der Prozesstag kurz nach Mittag endete. Am Dienstagmorgen geht es weiter. Ob auch Stormy Daniels und Donald Trump aussagen werden, ist ungewiss. Der Angeklagte will selbst in den Zeugenstand treten. Allerdings entschied Richter Juan Merchan am Montag, dass ihn die Staatsanwälte nicht nur zum laufenden Prozess befragen dürften, sondern auch zu den Urteilen in den Zivilprozessen, etwa jenem wegen sexueller Belästigung der Autorin E. Jean Carroll und wegen Kreditbetrugs.
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