USA vor Trumps AmtseinführungDie Capitolstürmer im Gefängnis warten auf den 20. Januar
Mehr als 1200 Personen wurden nach dem 6. Januar 2021 verurteilt. Einmal an der Macht, will Donald Trump sie rehabilitieren.
- Wegen des Sturms auf das Capitol vor vier Jahren wurden mehr als 1200 Personen verurteilt.
- Vor dem Gefängnis in Washington demonstrieren Trump-Anhänger täglich für die Freilassung der Verurteilten.
- Donald Trump hat in Aussicht gestellt, dass er viele von ihnen begnadigen wird.
Wie ein ganz normales Land wirkten die Vereinigten Staaten von Amerika am Montag – bis vor den hohen Mauern des Gefängnisses in der Hauptstadt wieder der Graben aufging.
Drüben im Capitol hatte der Kongress am Nachmittag das Resultat der Präsidentschaftswahl bestätigt. Donald Trump: 312 Wahlleute. Kamala Harris: 226 Wahlleute. Es war eine 30 Minuten kurze Formalie. Ganz anders als vier Jahre zuvor, als Tausende Trump-Anhänger in das Parlamentsgebäude eindrangen und die «Joint Session of Congress» unterbrachen, bei der die Wahl von Joe Biden besiegelt wurde.
Terroristen oder Helden?
Im Gefängnis von Washington sitzen mehrere der Capitolstürmer von 2021, verurteilt wegen Gewalt gegen Polizisten und Sachbeschädigung, unter anderem. Es sind nur vier Metrostationen vom strahlenden Capitol zu dem düsteren Betonbau, wo sich Tag für Tag ein Grüppchen trifft, das die Freilassung der Sträflinge fordert. An diesem Abend sind zwei Dutzend Personen da, wegen des Jahrestags, zur 888. Mahnwache.
Zwei Gegendemonstranten sind aufgetaucht. Sie stehen auf der anderen Strassenseite, vor den Mauern des Kongress-Friedhofs, und stören die Mahnwache mit Sirenenheulen. Die Polizei markiert mit Streifenwagen Präsenz, Warnlichter färben den frischen Schnee blau und rot. «Terroristen!», rufen die Gegendemonstranten ins Megafon. «Helden!», antwortet das Grüppchen der Mahnwache.
Terroristen oder Helden – darüber streiten die Amerikaner auch nach vier Jahren noch. Während der Mahnwache rufen jeweils Häftlinge an, via Lautsprecher reden sie mit ihren Unterstützern draussen: Sie hätten nur ihre Rechte gefordert damals, sie sässen zu Unrecht im Gefängnis. Bald kämen sie frei – am 20. Januar, wenn Donald Trump als Präsident vereidigt wird.
Trump solle noch in der Limousine die Begnadigung unterschreiben
Suzzanne Monk geht fest davon aus, sie ist die Gründerin des «J6 Pardon Projects», das sich für eine Begnadigung oder eine Umwandlung der Urteile einsetzt. «Ich erwarte, dass Präsident Trump die Begnadigungen noch in der Limousine auf dem Weg vom Capitol ins Weisse Haus unterzeichnet», sagt Monk. «Das Gefängnis hat dann Zeit bis Mitternacht, um alle freizulassen.» Das habe ihr Trumps Übergangsteam in Aussicht gestellt.
Klar hat der künftige Präsident nie gesagt, wen er begnadigen will. Wird er die vier Proud Boys retten, im Gefängnis wegen Verschwörung zu einem bewaffneten Aufstand? Suzzanne Monk hofft es: «Die Proud Boys gehören zu meinen engen Freunden.» Versprochen hat Trump seine Begnadigung mindestens jenen, die nicht wegen Gewalttaten verurteilt wurden. Viele sagen, sie seien zu hart angegangen worden, ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass sie etwas Illegales getan hätten, sie hätten ja gar keine Ahnung gehabt, was eine «Joint Session of Congress» sei.
«Verheerend», findet der verletzte Polizist
Mehr als 1580 Personen wurden angeklagt und mehr als 1200 verurteilt in der grössten Strafuntersuchung in der Geschichte des US-Justizministeriums. Viele Angeklagte verloren Stelle, Haus, Familie. «Wir können nicht Leute einsperren, die ungerecht verurteilt wurden», sagt Suzzanne Monk. «Das amerikanische Volk wird dem Justizsystem nie mehr vertrauen.»
Trump schreibt nach seinem Wahlsieg die Geschichte um, er redet von einem «Tag der Liebe», von «Patrioten». Tatsächlich rief er sie damals nach Washington, er schickte sie zum Capitol. Dort wurde eine Demonstrantin erschossen, ein Polizist starb, 140 wurden verletzt, mehrere nahmen sich später das Leben. Trump selbst zählte nur kurzzeitig zu den Angeklagten wegen des 6. Januar. Das Oberste Gericht gewährte dem Präsidenten weitreichende Immunität, nach Trumps Wahlsieg zog der Sonderermittler die verbleibenden Anklagepunkte zurück.
«Verheerend» sind diese Vorgänge für Aquilino Gonell, wie er in der «New York Times» schrieb. Der Polizist wurde von Protestierenden zusammengeschlagen, sein Fuss und seine Schulter wurden nie mehr heil, er ist frühpensioniert, wegen der Demonstranten: «Sie zu begnadigen, wäre ein empörender Fehler, der 800 verurteilte Kriminelle auf die Strasse zurücklassen würde.»
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