Trump ermuntert RusslandDie nächste Stufe des Irrsinns
Donald Trump ruft Russland dazu auf, mit säumigen Nato-Alliierten zu tun, «was es tun will». Dies sollte in Europa endlich zu Konsequenzen führen.
Die gerade gern gebrauchte englische Vokabel «unhinged» hat gute Chancen, als Adjektiv des Jahres den Wahnsinn mit und um die Figur Donald Trump zu bündeln. Das Übersetzungsspektrum reicht von «aus den Angeln gehoben» bis «irre» und beschreibt damit alles, was über den Mann zu sagen ist. Donald Trump ist von der Leine, und bis zum Wahltag vergehen noch elend lange neun Monate. Wenn Trump bereits jetzt als Kandidat diesen Schaden anzurichten in der Lage ist – was erst wird er als Präsident tun?
Trumps Bemerkung zum Nato-Bündnis, frivol leichtfertig dahingequatscht während einer Wahlveranstaltung auf dem Land in South Carolina, zeugt vom Irrsinn, der ihn umwölkt. Der ehemalige Amtsinhaber, mutmasslich nächste Präsidentschaftskandidat der Republikaner und Umfragekönig zum jetzigen Zeitpunkt setzt nicht nur die Bündnisidee (alle für einen, einer für alle) der Nato ausser Kraft. Er entzieht allen US-Verbündeten – also auch Südkorea, Japan oder all den anderen Alliierten – die Sicherheit des Schutzversprechens und damit die Abschreckungskraft, die bisher so zuverlässig Kriege verhindert hat. Die Taue, die den amerikanischen Kosmos zusammenhalten, werden gerade gelöst.
Als wäre dies alles nicht dramatisch genug, geht Trump einen Schritt weiter und lädt Russland ein, «zu tun, was zum Teufel es tun will», sollten die Bündnisstaaten ihre Schulden an Amerika nicht begleichen. Abgesehen davon, dass Nato-Mitglieder allenfalls dem Bündnis die Erfüllung von politischen Verteidigungszusagen schulden (2-Prozent-Ziel) und keinerlei Ausstände gegenüber den USA selbst haben, überbietet diese Aussage alle bisher gekannten Trump-Exzesse: Ein früherer US-Präsident lädt Russland zum Überfall auf Verbündete ein. Er stellt in einer existenziellen Phase der Bündnisverteidigung die Grundregeln der Sicherheitspolitik infrage und teilt den Partnern mit, dass er sie an die Löwen verfüttern möchte.
Eigentlich sollte man meinen, dass eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in den USA die Gefahr erkennt, die Trump auch für das eigene Land schafft. Tatsächlich helfen Trumps Wütereien, das Wahlvolk zu sensibilisieren und vor allem zu mobilisieren. Das wirkt auch gegen den Kandidaten. Trump bedient allerdings auch das Bedürfnis seiner Basis, deren triviales Weltbild – wir zahlen, ihr schmarotzt – den amerikanischen Isolationismus erklärt. Diesen Isolationismus halten die Trumpisten als Schutz vor Migration geradezu für zwingend.
Neun Monate bleiben noch Zeit
Neun Monate reichen nicht aus, um die Nato, Europa und überhaupt die globale Sicherheitsarchitektur Trump-fest zu machen. Die europäischen Nato-Staaten sind dennoch gezwungen, mit dem plötzlichen Zusammenbruch ihrer Sicherheitsordnung zu rechnen. Wer sich heute nicht auf diese Gefahr vorbereitet, begeht ein historisches Versäumnis. Motiv für den Selbstschutz darf dabei nicht nur der Angstreflex vor einem Trump-Amerika in seiner ungebremsten Zerstörungskraft sein.
Auch die tatsächliche Stärke Russlands und die strategischen Ambitionen Wladimir Putins zwingen zu einer nüchternen Bewertung der eigenen Sicherheit – und zu radikalen Entscheidungen. Der Mann, der am liebsten in den Spiegel schaut und sich selbst bewundert, hält allen anderen ebenfalls einen Spiegel vor. Es wird höchste Zeit, die Selbstbetrachtung zu beenden und zu handeln.
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