Wahlkampf vor dem Obersten GerichtDonald Trump lobt seine Richter
Darf der ehemalige US-Präsident überhaupt noch einmal zur Wahl antreten? Die Richter des Supreme Court sind skeptisch, ob der Republikaner von Bundesstaaten disqualifiziert werden darf.
Wenn Donald Trump dieser Tage eine Gerichtsverhandlung als «eine schöne Sache» beschreibt, dann ist wahrlich Bemerkenswertes geschehen. In seltener Aufgeräumtheit schritt der 77-Jährige am Donnerstagmittag durch ein schmiedeeisernes Tor auf seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida und stellte sich zwischen zwei riesige USA-Flaggen, ganz so, als wäre er bereits wieder Präsident des Landes und nicht nur der Favorit unter den Kandidierenden der Republikaner.
Er habe gerade dem Supreme Court zugeschaut, sagte er nach ein paar Tiraden über den amtierenden Präsidenten Joe Biden, und was er da gesehen habe, sei ein «sehr schöner Prozess». Es ist das Gegenteil dessen, was die diversen Zivil- und Strafrichter von ihm zu hören bekamen, vor denen er in den vergangenen Monaten von New York über Washington bis Miami erscheinen musste. Dort beklagte sich Trump über «Hexenjagden», beschuldigte die Richter der Parteilichkeit und bewarf sämtliche Beteiligten mit Unflätigkeiten.
Ist Trump ein Aufständischer?
Am Donnerstag aber fand Trump im Supreme Court ein Richtergremium, das wesentlich stärker seiner Position zugeneigt schien als dem seiner Gegner. Es handelte sich zwar erst um eine Anhörung, einen Austausch von Argumenten der Anwälte, im Fall Trump v Anderson.
Norma Anderson, Trumps Gegnerin in diesem Prozess, ist die ehemalige Parlamentspräsidentin von Colorado, eine Republikanerin. Sie hatte die Behörden ihres Bundesstaats aufgefordert, Trump von den Wahlzetteln für die Vorwahlen zu streichen. Der damalige Präsident habe sich am 6. Januar 2021 mit dem Sturm auf das US-Capitol an einem Aufstand beteiligt. Die US-Verfassung verbiete ihm darum, noch einmal ein Amt zu bekleiden, festgehalten im 14. Zusatz, beschlossen nach dem Sezessionskrieg, als die siegreiche Union verhindern wollten, dass die besiegten Südstaatler den Staat von innen heraus zersetzen.
Zuletzt hatte das Oberste Gericht von Colorado bestätigt: Jawohl, Trump gilt als «insurrectionist», als Aufständischer. Deswegen darf er nicht mehr Präsident werden, und das bedeutet auch, ihn gar nicht erst zur Vorwahl zuzulassen.
Zu diesen Fragen hörte der Supreme Court nun am Donnerstag die juristischen Vertreter Trumps, Andersons und des Bundesstaats Colorado an. Üblicherweise lassen die neun Richter bei solchen Anhörungen ihre eigene Meinung nur ansatzweise durchscheinen, üblicherweise lassen sie sich danach auch mehrere Monate Zeit, bis sie ein Urteil veröffentlichen. Diesmal aber hat das Gericht das Verfahren beschleunigt. Und diesmal war die Skepsis unüberhörbar, mit der die Richterinnen und Richter die Streichung Trumps von den Wahlzetteln beurteilten. Zu erwarten war, dass die konservativsten Justices, Clarence Thomas, Samuel Alito und Neil Gorsuch, infrage stellten, warum einzelne Bundesstaaten das Recht haben sollten, einen Kandidaten für ein Amt auf nationaler Ebene, jenes des Präsidenten der Vereinigten Staaten, zu disqualifizieren.
Ein Urteil gegen Trump wäre überraschend
Doch auch Chief Justice John Roberts hakte bei diesem Punkt mehrfach nach und schien mit den Antworten wenig zufrieden zu sein, die er von Anwalt Jason Murray erhielt. Auch die zwei konservativen Richter Amy Coney Barrett und Brett Kavanaugh, beide von Donald Trump nominiert, schienen nicht überzeugt davon, dass einzelne Bundesstaaten einen derartigen Einfluss auf die nationalen Wahlen haben sollten. Und nachdem auch die von Demokraten ernannten Richterinnen Elena Kagan und Ketanji Brown Jackson kritische Fragen zu diesem Punkt zu stellen begonnen hatten, schien dieser zum Dreh- und Angelpunkt des Falls zu werden, in dem die höchsten Juristen des Landes noch diverse andere Schwachstellen orteten. Über die Frage, ob Trump überhaupt ein Aufständischer im Sinn der Verfassung ist, unterhielten sie sich allerdings kaum.
Es käme einer riesigen Überraschung gleich, wenn das Gericht am Ende nicht deutlich im Sinn von Donald Trump entscheiden sollte. Mehrere Richter, insbesondere Chief Justice John Roberts, spielten verschiedene Szenarien durch: Nach welchen Standards kann ein Bundesstaat entscheiden, dass Trumps Verhalten am 6. Januar 2021 der Beteiligung an einem Aufstand gleichkommt? Was würde geschehen, wenn Gerichte in einem anderen Bundesstaat aufgrund derselben Fakten zum gegenteiligen Schluss kämen? Was wäre, wenn der eine Bundesstaat Trump disqualifiziert, ein anderer Bundesstaat hingegen Biden? Müsste der Supreme Court kurz vor dem Wahltag sämtliche Wahllisten sichten und sortieren, welche gültig sind und welche ungültig?
Shannon Stevenson, Rechtsberaterin der Innenministerin von Colorado, argumentierte wohl vergeblich, dass die einzelnen Bundesstaaten halt ihre Verfahren anwendeten und Ungewissheiten in der Natur der Sache lägen. «Wir müssen das mal laufen lassen und akzeptieren, dass Föderalismus ein bisschen unordentlich ist», sagte Stevenson, die dafür plädierte, «Vertrauen in unser System» zu haben.
Sägt er schon am Verbot einer dritten Amtszeit?
Dieses Vertrauen hat Donald Trump persönlich tief erschüttert. Sonia Sotomayor, die Richterin, die am ehesten geneigt wirkte, ihn von der Wahl auszuschliessen, schien sich darum auf präventive Schadensbegrenzung zu konzentrieren. Als Trumps Anwalt argumentierte, Colorado habe gar kein Recht dazu, den Verfassungszusatz über Aufständische durchzusetzen, fragte sie, ob er denn schon jetzt den Boden dafür bereite, dass das Verbot einer dritten Amtsdauer nicht auf seinen Klienten angewendet werden könne. Auch das ist ein Verfassungszusatz, verabschiedet 1951, und auch dieser hält nicht im Detail fest, welche Instanz im amerikanischen Föderalismus berechtigt ist, ihm Geltung zu verschaffen.
Wann der Supreme Court sein Urteil veröffentlichen wird, ist offen, mutmasslich aber vor dem 5. März 2024: Dann finden in Colorado die Vorwahlen statt.
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