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Meinung

Trump hat einen Sündenbock gefunden

Donald Trump bei seiner nächtlichen Ansprache im Weissen Haus. Foto: Keystone
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Zuerst nannte er es einen «Schwindel». Dann sprach er von einem «Problem, das verschwinden wird». Und bis vor kurzem schüttelte er bei Wahlkampfauftritten wie gewohnt viele Hände. Nun aber kann auch Donald Trump das Coronavirus nicht länger kleinreden, es ist in Amerika angekommen und breitet sich aus. Trotz aller Mauern, die der US-Präsident bauen liess. Ausserdem spricht die Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen von einer Pandemie, was auch Trump nicht ignorieren kann, obwohl er der internationalen Behörde die amerikanischen Beiträge kürzen wollte.

Da blieb ihm nur der Gegenangriff mittels Schuldzuweisungen. Er sprach in seiner kurzen Rede ans amerikanische Volk von «ausländischen Viren», die eingesickert seien; die Assoziation mit den Migranten aus Lateinamerika ist ohne Zweifel beabsichtigt. Und der US-Präsident gab auch vor zu wissen, woher die Krankheitserreger kommen, nämlich aus Europa. Die Europäische Union, die er besonders gerne anfeindet, habe bei den Vorsichtsmassnahmen geschlampt. Ein Vorwurf, den Trump wohl wider besseres Wissen erhoben hat, denn Europa sei, wie die «New York Times» schreibt, bisher keine Hauptquelle für bekannte Infektionen in den USA.

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Aber eben, das ist Trump: Hauptsache, man hat einen Sündenbock. Darauf basierte sein Wahlkampf 2016, und das ist auch 2020 wieder so. Der US-Präsident befürchtet, wohl nicht ganz zu Unrecht, dass ihm ein kleines, lästiges Wesen die Wiederwahl vermiesen könnte. Er hat deshalb zwei Gegner im November: wahrscheinlich den alten Joe Biden von den Demokraten sowie ziemlich sicher das junge Coronavirus von der Natur. Letzteres dürfte heimtückischer und vielleicht sogar gefährlicher sein als der politische Gegner. Deshalb hat Trump nun verfügt, den Flugverkehr einzustellen zwischen den USA und den 26 Ländern des Schengen-Raums, also auch der Schweiz.

Diese Massnahme ist nicht nur dramatisch, sondern deren Wirksamkeit auch umstritten. Doch Trumps Anhänger sollen wissen, wer schuld ist an allem, was da auf die USA zukommen könnte. Keine Rede davon, dass die Corona-Tests knapp sind, dass der US-Präsident das öffentliche Gesundheitssystem einschränken möchte, dass er plant, das kommende Budget zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu kürzen, und dass er in seinem Nationalen Sicherheitsrat den Job des für Pandemien zuständigen Beraters gestrichen hat.

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Noch ist nicht ganz klar, wem das Coronavirus nahesteht, den Republikanern oder den Demokraten. Falls es der Pharmaindustrie – wider Erwarten – schnell gelingt, ein wirksames Medikament zu entwickeln, wird sich Trump mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als den Helden feiern lassen, der das Virus besiegt hat. Wenn Corona jedoch im Herbst noch ein Thema ist – und darauf deuten die meisten Prognosen hin –, dürfte es zum Wahlhelfer der Demokraten werden. Jenem mächtigen Wahlhelfer, den die Demokraten brauchen, um Trump zu besiegen.

Video: So chaotisch kommuniziert Trump während der Coronavirus-Krise

Von einem Extrem ins andere: Donald Trump verunsichert mit seinen widersprüchlichen Aussagen zum Coronavirus. Video: Tamedia