Letzte AmtshandlungDonald Trump begnadigt Steve Bannon
Der scheidende US-Präsident bewahrt seinen Ex-Berater vor der Strafverfolgung. Damit bleibt er seiner Linie treu: Begnadigungen sind für Donald Trump vor allem Freundschaftsdienste.
Am Tag, als Aufrührer im Namen von Donald Trump das Kapitol stürmten, hat Twitter den Account von Trumps früherem Berater Steve Bannon gesperrt, weil der empfohlen hatte, sowohl den FBI-Chef als auch den obersten Seuchenbekämpfer des Landes, Anthony Fauci, zu enthaupten. Jetzt hat Trump den unter Betrugsverdacht stehenden rechten Aktivisten nach ersten Medienberichten offenbar begnadigt. Bannon soll sich Spenden, die für Trumps Mauer an der Grenze zu Mexiko gedacht waren, in die eigene Tasche gesteckt haben. Dafür kann er dank Trump womöglich wohl nicht mehr belangt werden.
Präsident Trump hat sich bis zur Stunde nicht durchringen können, die geplanten etwa 100 Begnadigungen öffentlich zu machen, die er wenige Stunden vor dem Ende seiner vierjährigen Amtszeit erlassen wollte. Sie würden sich zu jenen 49 Personen addieren, denen Trump seit seiner Wahlniederlage eine Begnadigung oder einen Hafterlass zukommen liess (mehr zum Machtwechsel in den USA: Beim letzten Abflug blickt Trump auf Trümmer).
Am Montag noch soll Trump entschieden gewesen sein, Bannon nicht aus der Patsche zu helfen. Er soll aber zu der Überzeugung gelangt sein, dass Bannon ihm noch hilfreich sein kann in den kommenden Wochen und Monaten. So wie im Wahlkampf 2016, den Bannon zu Trumps Gunsten gedreht hat, als es schon aussichtslos erschien.
Bannon gilt als intellektuelle Leitfigur der rechten Szene in den USA. Er vertritt die Theorie, dass das Land erst in Schutt und Asche gelegt werden muss, bevor es sich dann mit neuer Kraft aus dem Staub erheben kann. Der Sturm auf das Capitol, er muss ein Fest für Bannon gewesen sein.
Bannon musste im Sommer 2017 gehen
Der frühere Chef der rechten News-Seite Breitbart stiess erst in Trumps Wahlkampfteam und wurde nach Trumps Amtsübernahme Chefberater im Weissen Haus. Er ist aber an so vielen Stellen angeeckt, dass er schon im Sommer 2017 seinen Posten räumen musste. (Lesen Sie dazu: Trumps ehemaliger Chefstratege in Haft).
Es schien zunächst, als sollte seine letzte Liste von Begnadigungen keinen neuen Anlass für Kritik an Trump erzeugen. Anders als zuvor stehen diesmal wohl eine Reihe von Menschen darauf, die schon viel zu lange auf diesen Moment gewartet haben. Dazu gehört angeblich Darrell Frazier, der bereits über 30 Jahre einer lebenslangen Haftstrafe für ein Drogendelikt verbüsst hat. Oder Craig Cesal, der eine lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung wegen Handels mit Marihuana verbüsst. Lavonne Roach sitzt seit 1994 eine 30-jährige Haftstrafe ab, ebenfalls wegen eines Drogendeliktes.
Trump dürfte diese und andere Fälle nicht grundlos ausgewählt haben. Sie sind alle Opfer einer immens verschärften Strafgesetzgebung, die 1994 von Präsident Bill Clinton eingeführt wurde. Und das unter dem Applaus des Mannes, der an diesem Mittwoch im Oval Office seinen Dienst als neuer Präsident antreten wird: Joe Biden. Ein, das darf man Trump lassen, nicht ungeschickter Seitenhieb auf die an dieser Stelle unrühmliche Vergangenheit seines Bezwingers.
Trump hat offenbar auch von der Idee Abstand genommen, seine erwachsenen Kinder, seinen Anwalt Rudy Giuliani oder gar sich selbst vorsorglich zu begnadigen. Seine Rechtsberater haben ihm dringend davon abgeraten. So ein Schritt könnte neben anderen Komplikationen seine ohnehin schlechter werdenden Aussichten verdunkeln, vom Senat im laufenden Amtsenthebungsverfahren freigesprochen zu werden. Aus dem selben Grund dürfte er auch von Begnadigungen für jene Aufrührer abgesehen haben, die am 6. Januar am Sturm auf das Kapitol beteiligt waren.
Erstaunlich wenig Begnadigungen
Der Fall Bannon fügt sich nahtlos in Trumps bisherige Begnadigungspraxis ein. Über 80 Prozent aller Gnadenakte, die Trump bis zum Sommer erlassen hat, kamen Personen zugute, mit denen Trump auf irgendeine Art in Beziehung stand. Um Weihnachten herum hat er damit nicht aufgehört. Trump hat vor Heiligabend eine Reihe von Personen begnadigt, die in die Russland-Affäre verwickelt waren, die Trumps Amtszeit geprägt hat. Dazu gehören etwa sein früherer Wahlkampfmanager Paul Manafort, sein erster nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn, sein aussenpolitischer Berater im Wahlkampf 2016, George Papadopoulos, und sein langjähriger Kumpel Roger Stone.
Mit Charles Kushner hat er den Vater seines Schwiegersohns Jared Kushner begnadigt. Ausserdem diverse Politiker der Republikaner und vier Söldner der Sicherheitsfirma Blackwater, deren Gründer Erik Prince ein alter Trump-Vertrauter ist.
Mit seiner ersten Begnadigung im August 2017 hat Trump den Ton gesetzt: Eine Begnadigung ist wahrscheinlicher, wenn sie Trump nützt. Sie ging an Amerikas Sheriff Gnadenlos John Arpaio aus Arizona, ein Trump-Unterstützer der ersten Stunde. Arpaio ist ein gefeierter Star in der rechten Szene, weil er ein absurd strenges Regime in dem ihm unterstehenden Gefängnis führte. Und es vor allem auf Immigranten abgesehen hatte. Weil er sich weigerte, die illegale Praxis des Racial Profilings in seinem Zuständigkeitsbereich zu beenden, wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt. Für Arpaios Begnadigung liess sich Trump in rechten Kreisen feiern.
Die Zahl seiner Begnadigungen und Hafterlasse reicht mit dieser letzten Welle knapp an 200 heran. Das ist erstaunlich wenig. Barack Obama hat es in acht Jahren auf 212 Begnadigungen und 1715 Haftverkürzungen gebracht. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger aber hat Trump von seinem Recht deutlich willkürlicher gebraucht gemacht.
In der Regel kommen die Empfehlungen für Begnadigungen vom Gnadenbüro des stellvertretenden Justizministers. Dort werden Gnadenersuche gründlich geprüft, bevor sie dem Präsidenten zur Entscheidung vorgelegt werden. Diese Empfehlungen haben Trump aber kaum interessiert. Nur mit den wenigsten seiner Begnadigungen ist er einer Empfehlung des Büros gefolgt.
Es ist auch in der Vergangenheit vorgekommen, dass Präsidenten eine Begnadigung ausgesprochen haben, die als Freundschaftsdienst gewertet werden kann. George H.W. Bush etwa hat Ronald Reagans Verteidigungsminister Caspar Weinberger vor Haft bewahrt. Bill Clinton hat seinen Bruders Roger begnadigt. Und George W. Bush hat die Haftstrafe eines Beraters seines Vizepräsidenten Dick Cheney ausgesetzt. «Kein Präsident in der amerikanischen Geschichte aber kommt Trumps systematisch eigennützigem Einsatz der Begnadigungsmacht nahe», schreiben der Harvard-Rechtsprofessor Jack Goldsmith und sein Co-Autor Matt Gluck in einem Aufsatz für die Webseite Lawfare.
Hafterlass gegen Bezahlung an Mittelsmänner
Da ist es kaum verwunderlich, wenn es offenbar Versuche gibt, Trumps recht eigennützige Begnadigungspolitik zu Geld zu machen. Nach einem Bericht der New York Times sollen Trumps Leute vor allem nach der Wahl auf reiche, aber mit dem Gesetz in Konflikt geratene Mitbürger zugegangen sein, um ihnen ein für beide Seiten lukratives Angebot zu machen: Sie könnten gegen einen Unkostenbeitrag bei Trump ein gutes Wort einlegen, damit die Geldgeber von Trump noch auf den letzten Metern begnadigt werden oder ihre Haftstrafe verkürzt wird.
Brett Tolman etwa, ein ehemaliger Bundesstaatsanwalt, der das Weisse Haus in Begnadigungsfragen beraten hat, soll sich seine diesbezüglichen Dienste für einen Senator aus Arkansas mit Zehntausenden von Dollar vergütet lassen haben. Dafür sollte er Trump dazu bringen, den Sohn des Senators vor Haft zu bewahren.
Trumps früherer persönlicher Anwalt John Dowd soll sich zu ähnlichen Konditionen wohlhabenden Knastbrüdern angedient haben. Denen habe er – dank seiner guten Kontakte zum Präsidenten – recht gute Chancen auf eine Begnadigung in Aussicht gestellt. Dem früheren CIA-Agenten John Kiriakou – verurteilt, weil er vertrauliche Dokumente weitergebenen hat – sei das Angebot unterbreitet worden, dass sich Trumps Anwalt Giuliani gegen eine Gebühr von etwa zwei Millionen Dollar beim Präsidenten für ihn einsetzt.
Das Justizministerium untersucht derzeit den Fall des inzwischen verstorbenen Milliardärs Sandford Diller aus Kalifornien. Der soll sechs Millionen Dollar an Trump gespendet haben und noch viel mehr Geld in Aussicht gestellt haben, wenn Trump einen befreundeten Psychologen begnadige, der sich wegen Steuervergehen verantworten muss.
Beunruhigend ist an den Fällen vor allem, wie selbstverständlich es manchen Bittstellern offenbar erschien, sich eine Begnadigung im Trump-Zeitalter einfach erkaufen zu können.
Eine Reform des Gnadenrechtes ist eher unwahrscheinlich. Es ist in der Verfassung verankert und gibt dem Präsidenten im Grunde freie Hand, jeden zu begnadigen, der gegen Bundesrecht verstossen hat. Da bleibt nur die Hoffnung, dass nicht noch einmal jemand wie Trump ins Weisse Haus gewählt wird.
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