Sweet Home: Borromäische Inseln Trauminseln – fast um die Ecke
Vergessen Sie Fidschi, Hawaii oder die Malediven, die schönsten Inseln liegen nahe und sind eine kleine Sommerreise wert.
Früher verbrachten wir den 1. August jeweils im Ausland, meistens in Colmar. Unser erstes Hündchen Miss C., an das sich treue Sweet-Home-Leser bestimmt erinnern, hatte nämlich fürchterliche Angst vor Feuerwerk. Doch einmal war unser Hotel im Elsass ausgebucht und so erinnerte ich mich an einen Ort, an den ich einmal geschäftlich gereist bin, und der auch nahe an der Grenze liegt – an Verbania. Wir buchten ein freundliches, günstiges Hotel und, da wir nicht Auto fahren, gleich noch ein Taxi an den Bahnhof Locarno.
Schon die Reise von Locarno nach Verbania, die dem Ufer des Lago Maggiore entlang führt, ist eine Wucht. Wir wiederholten sie später noch einige Male, denn wir entdeckten hier ein einfaches, schönes und nahes Ferienparadies. Unser Hotel, in das wir auch immer wieder zurückkehrten, ist eines dieser typischen italienischen Hotels, bei denen vor allem der Ausblick betörend ist und die Zimmer zwar nett sind, aber nicht durch einen besonderen Stil bestechen. Ausser eben dem, den viele italienische Ferienhotels haben. Im Süden lebt und «wohnt» man ja auch vor allem draussen. Es hat im Ort noch ein Grand Hotel mit grossem Park und Retrocharme, aber dort dürfen Hunde nicht in den Park, also blieben wir bei unserem einfachen und viel günstigeren Hotel. Die kleinen Balkone unserer jeweiligen Zimmer zeigten stets eine bunte, üppige Blumenpracht und boten Sicht auf die Schiffsstation Pallanza, so heisst nämlich die Ferienseite von Verbania. Die Ansagen schallten fröhlich durch die offenen Fenster und lockten laut mit Orten wie Isola Bella, Isola Madre und Stresa.
Als wir das erste Mal nach Verbania reisten, hatte ich vorher nichts recherchiert und war vor allem froh, mit einem schönen Ziel vor Augen dem Feuerwerk entfliehen zu können. Die Ansagen am Hafen klangen nach typischen Touristenfahrten, auf die wir damals keine Lust hatten, und Hunde dürfen nicht auf die Inseln. Aber wir verliebten uns in die wunderschöne Umgebung, die vielen Parks, Anlagen und botanischen Gärten und kehrten bald zurück. Das zweite Mal wusste ich dann, dass die Isola Bella nicht einfach bloss ein Touristenparadies ist und es sich lohnt, zu den Borromäischen Inseln zu fahren.
Die Borromäischen Inseln sind private Inseln und gehören heute noch der Familie Borromeo. Drei davon sind für Besucher offen. Die grösste ist die Isola Madre, die üppig grün bewachsen ist.
In der Mitte thront ein Palazzo. Dieser wurde vom Grafen Lancillotto Borromeo als Privatresidenz geplant. Sein Erbe Renato Borromeo übertrug die Bauleitung 1585 an den Architekten Pellegrino Rinaldi, der das Gebäude mit einem manieristischen Stil prägte.
Im Palazzo sind Porzellan, Familiengemälde, Wandteppiche und mit prächtigem Brokat verzierte Himmelbetten ausgestellt. Es sind alles Stücke aus verschiedenen historischen Familiensitzen der Familie Borromeo. Seit 1978 ist der Palast für die Öffentlichkeit zugänglich.
Das schönste Zimmer ist der Salotto Veneziano, der mit Trompe-l’oeil-Wandmalereien einen mit Blumen bewachsenen Pavillon nachempfindet. Vor jedem Fenster offenbart sich eine bildhafte Aussicht auf die betörend schöne Seelandschaft.
Bald wurde mir klar, weshalb Hunde nicht auf die Inseln dürfen. Überall spazieren nämlich Pfaue und andere paradiesisch bunte Vögel elegant durch den märchenhaften botanischen Garten. Dieser wurde im 19. Jahrhundert angepflanzt. Zuvor wurden hier Orangen, Feigen und Oliven angebaut und zuletzt wuchsen Zitronen auf terrassierten Gärten. Das milde Klima des Lago Maggiores lässt auf der Insel auch exotische Pflanzen in aller Pracht gedeihen.
Und von tropischen Pflanzen und solchen aus anderen fernen Ländern hat es im botanischen Garten der Isola Madre unzählige. Besonders eindrucksvoll ist die über 150 Jahre alte Kaschmirzypresse, deren Samen aus dem Himalaja kamen, wo diese herrlichen Bäume leider vom Aussterben bedroht sind. Die Zypresse ist ein Wahrzeichen der Insel geworden und beschattet den Palazzo. Sie ist das älteste Exemplar ihrer Art in Europa, wurde 2006 bei einem Wirbelsturm angeschlagen, aber danach mit aufwendigen Arbeiten gerettet. Im Garten der Isola Madre findet man auch noch andere Bäume und Pflanzen, die auf magische Art entführen, wie Kampferbäume, Blauregen oder Palmen, die Früchte tragen. Wenn man es schafft, dem Touristensturm zu entgehen, ist die Insel ein Paradies, das Frieden, Ruhe und Schönheit vermittelt. Kein Wunder hat sie einst Gustave Flaubert als irdisches Paradies bezeichnet.
Auf eine Borromäische Insel dürfen auch Hunde, und zwar auf die Isola dei Pescatori. Es ist die einzige Insel, die seit Anfang des 14. Jahrhunderts durchgehend bewohnt wird. Aber es lebten immer Fischer auf der Insel und keine Aristokraten. Heute ist sie ein Shopping- und Restaurantparadies. Was schön sein muss, ist die Prozession, die jeweils am 15. August stattfindet, und bei der alles wunderbar beleuchtet ist, wie ich einmal auf Instagram, aber nie live gesehen habe.
Die allererste Insel, auf die ich reiste, war natürlich die Isola Bella. Ein barockes kleines Weltwunder mitten auf einem See, der ja auch an unser Land grenzt, und von dem ich nichts wusste, bis wir diese Gegend als Ferienort entdeckt hatten. So reiste ich eines Ferienmorgens mit dem ersten Schiff auf die Insel und hatte sie fast für mich alleine. Noch nie fühlte sich ein Ort für mich so sehr an, als wäre ich durch eine geheime Türe in ein verzaubertes Reich gelangt. Ich ging fast auf Zehenspitzen, weisse Pfauen kreuzten meinen Weg, und die Morgensonne schien mild und golden auf die barocke Pracht.
Die Isola Bella ist eine Art bewachsener Zuckerkuchen, was beim ausgestellten Architektur-Modell sehr schön zur Geltung kommt. Bis zum Jahre 1632 war es eine felsige Insel mit einem kleinen Fischerdorf. Vitaliano I Borromeo begann dann mit einem Palastbau, der Mitte des 17. Jahrhunderts durch eine Pestepidemie zum Stillstand kam. Später übernahmen seine Kinder die Bauarbeiten und gestalteten die Insel so um, dass sie aussah wie ein grosses Fantasieschiff mit dem Palast als Bug und den Gärten als Heck.
Im Palast kann man Gemäldesammlungen, flämische Wandteppiche und vieles mehr bewundern. Mein Liebling aber war die Muschelgrotte. Künstliche Grotten waren in der Zeit des Rokokos und Barocks gross in Mode und solche, die mit Muscheln verziert wurden, besonders beliebt. Sie ahmen Meereshöhlen nach und vermitteln romantische Gefühle.
Die Wände der Muschelgrotte auf der Isola Bella zeigen Muschelmosaike und geschwungene, an Muscheln erinnernde Formen. Darin findet man mystische Gestalten und Kunstwerke aus Muscheln ausgestellt.
Der Höhepunkt der Insel ist das Teatro Massimo, ein Kunstwerk von einem Garten mit Terrassen, Statuen, Obelisken und Brunnen. Büsche sind in barocker Manier in Form geschnitten, dazwischen blühen Blumen aus Töpfen und wachsen Palmen dem Himmel entgegen.
Je nach Saison blühen und duften auf den Terrassen unterschiedliche Pflanzen wie Kamelien, Oleander, Azaleen, Rosen oder Hortensien. Zuoberst auf dem Teatro Massimo bäumt sich ein Einhorn auf, das Wappentier der Borromeo-Familie. Die Gärten der Isola Bella und der Isola Madre wurden 2002 in die englische «Royal Horticultural Society» aufgenommen.
Die abendliche Aussicht von unserem Hotelfenster zeigt auf die kleinste der Borromäischen Inseln. Sie ist privat geblieben und wird von der Familie genutzt. Natürlich habe ich ein bisschen über die Borromeo-Familie recherchiert und dabei gelesen, dass diese kleine Insel zum Bespiel die Location war für die Hochzeitsfeier von Beatrice Borromeo und Pierre Casiraghi von Monaco im Jahre 2015. Es tauchte auch eine glamouröse alte Dame auf, die einmal bei einem Coiffeurbesuch in Mailand mit Bulgari-Schlange an einem Arm und einem Personal Assistant am anderen durch den Salon rauschte. Meine Freundin flüsterte mir zu: «Das ist Marta Marzotto». Der Name sagte mir damals nichts, aber Marta Marzotto (1931-2016) ist die Grossmutter von Beatrice Borromeo und hatte ein Leben wie im Film. Ihre Eltern waren arm, sie verbrachte eine Zeit ihrer Kindheit in einem Waisenhaus, arbeitete erst auf den Reisfeldern und später als Schneiderin und Model. In der Modewelt der Fünfzigerjahre lernte sie den Textilunternehmer Umberto Marzotto kennen, den sie heiratete. Sie wurde zur berühmtesten Salonkönigin Italiens, hatte Liebschaften, war Stylistin, Designerin und eine Influencerin lange vor Instagram.
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