Wechsel an der Spitze der Swiss ReTop-Banker Ermotti wagt sich auf unbekanntes Terrain
Der frühere UBS-Chef startet seine nächste Karriere. Am Freitag übernimmt er die Leitung des Verwaltungsrats des Rückversicherungsriesen. Der Tessiner hat dort viel Arbeit vor sich.
Als UBS-Chef zählte Sergio Ermotti zur Abteilung Attacke: Die Aufsichtsbehörden brandmarkte er als übereifrig, die Kantonalbanken würden den Wettbewerb verzerren, die Notenbanken mit Negativzinsen den Banken das Leben schwer machen. Offensichtlich beherrscht der Hobby-Fussballer auch die verbale Grätsche.
Im Herbst schied Ermotti bei der UBS aus und wurde vor einem Jahr in den Verwaltungsrat der Swiss Re gewählt. Am Freitag übernimmt der 60-Jährige das Verwaltungsratspräsidium von Finanz-Urgestein Walter Kielholz.
Und plötzlich übt sich Ermotti im Leisetreten. Auf die Frage, was er in seinem neuen Job so vorhabe, antwortete er in einem Interview mit CH Media: «Erst mal mich einzuarbeiten und die Leute kennen zu lernen.»
Ermotti wäre lieber UBS-Präsident geworden
Kein Wunder: Die Welt der Rückversicherer – sie sind die Versicherer von Versicherern wie Axa oder Mobiliar – ist für den Banker neu. Und dem Konzern geht es nicht gut. Zudem ist der Topjob bei der Swiss Re für beide Seiten nur zweite Wahl, sowohl für Ermotti als auch für die Swiss Re.
Denn eigentlich hätte Ermotti lieber Axel Weber bei der UBS als Präsident beerbt. Doch der Deutsche forderte, dass Ermotti nach seinem Ausscheiden als Bankchef eine zweijährige Abkühlphase absitzt, bevor er überhaupt als Präsident infrage kommt. Und so lange im Voraus wollte Weber Ermotti den Präsidentenstuhl nicht fest zusagen.
So kam es im September 2019 zu ersten Kontakten mit der Swiss Re, die einen Nachfolger für den ewigen Walter Kielholz suchte. Der 70-Jährige war schon 1993 in die Geschäftsleitung der Swiss Re eingezogen, amtete von 1997 bis 2002 als ihr Chef und leitet seit 2009 den Verwaltungsrat. Nicht zu vergessen, dass er von 2003 bis 2009 auch Präsident der Credit Suisse war.
Kielholz brauchte Plan B
Auch für Kielholz ist die Ermotti-Lösung der Plan B. Denn nach zwölf Jahren an der Spitze der Swiss Re ist es eigentlich nicht nachvollziehbar, warum Kielholz auf einen externen Kandidaten als Nachfolger zurückgreifen muss. Kielholz erklärte dies damit, dass er zwei interne Kandidaten im Auge gehabt habe, doch beide aus privaten Gründen einen Rückzieher gemacht hätten.
Nun kommt also Ermotti. Ein Banker an der Spitze der Swiss Re? Das ging schon einmal schief. 2006 wurde der französische Investmentbanker Jacques Aigrain Chef, der als Protegé von Kielholz galt. Aigrain expandierte den Versicherer in banknahe Geschäftsfelder, was in der Finanzkrise die Swiss Re Milliarden und Aigrain den Job kostete.
Swiss Re ist nicht in Topform
Niemand glaubt aber, dass Ermotti den Konzern erneut in solche Abenteuer stürzen wird. Seine Investmentbanker-Talente kann er anderswo ausleben. Weil der Swiss-Re-Job kein Vollzeitamt ist, arbeitet er nebenher als Präsident der Blankoscheck-Gesellschaft Investindustrial Acquisition Corp. Solche Firmen sind leere, börsenkotierte Mantelgesellschaften mit viel Geld, die per Übernahme aussichtsreiche Firmen an die Börse bringen.
Trotz Teilzeitpensum: Die Leitung des Verwaltungsrats der Swiss Re ist kein Posten für einen Frühstücksdirektor. Walter Kielholz hinterlässt das Unternehmen nicht in Topform. 2020 verhagelte die Corona-Pandemie die Bilanz, aber auch strategisch lief einiges schief. An der Börse ist der grosse Konkurrent Münchener Rück der Swiss Re enteilt.
So expandierte die Swiss Re in die Verwertung alter Bestände von Lebensversicherungsverträgen. Doch das Geschäft erwies sich als zu kapitalintensiv und wurde wieder verkauft. Auch der Einstieg in Versicherungen für Industriekunden hat bisher primär Verluste angehäuft.
Analysten halten es daher für möglich, dass Ermottis Leisetreten die Ruhe vor dem Sturm sein könnte, der Konzernchef Christian Mumenthaler wegzufegen droht.
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