Kinostart «Mission: Impossible»-FilmTom Cruise, der Retter
Der Schauspieler ist so tomcruisig wie nie in «Mission: Impossible – Dead Reckoning». Das muss er auch, denn diesmal kämpft er gegen eine künstliche Intelligenz, die sich verselbstständigt hat.
Ein Tom-Cruise-Film ohne waghalsigen Motorradstunt ist kein Tom-Cruise-Film, das ist klar. Wobei man sich im Jahr 2023 natürlich fragen muss, ob der eigentliche Schauwert mittlerweile darin besteht, dass der Mann ohne Helm unterwegs ist.
Aber auch davon abgesehen hat der 61-jährige Cruise sich diesmal wieder wirklich grosse Mühe gegeben, dass einem beim Zuschauen der Mund offen stehen bleibt, wenn er aufs Motorrad steigt. Auf eine Honda CRF 250, um genau zu sein, mit der er über eine Bergklippe rast, mehr als 1000 Meter in die Tiefe fällt. Erst kurz vor dem Aufprall löst er den Fallschirm.
Um nicht einen halben Film umsonst gedreht zu haben, bevor der Hauptdarsteller hopsgeht, wurde diese Szene vorsichtshalber auf den ersten Drehtag terminiert. Denn Cruise macht solche Stunts natürlich selbst. Und vergass auch nicht, PR-wirksam darauf hinzuweisen, dass er diese Nummer dann noch siebenmal wiederholt habe, damit seinem Regisseur auch die bestmöglichen Aufnahmen zur Verfügung stehen. Logisch.
Natürlich könnte man sich mal wieder lustig machen über den nicht altern wollenden Tom Cruise und über die ewige Fortsetzerei.
Der etwas sperrige Titel dieses fidelen Sommer-Actionfilms lautet «Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins». Es handelt sich um den siebten Teil der «Mission: Impossible»-Reihe, die dann kommendes Jahr mit «Dead Reckoning Teil zwei» weitergehen soll. Natürlich könnte man sich an dieser Stelle mal wieder lustig machen über den nicht altern wollenden Tom Cruise und über die ewige Fortsetzerei in Hollywood und die ewigen Verfolgungsjagden in mit fossilen Brennstoffen betriebenen Fahrzeugen. Also: Brauchts das noch?
Klare Antwort: Ja. Tom Cruise ist in diesem Film so tomcruisig wie nie und rennt und springt auch kurz vor dem theoretischen Renteneintrittsalter noch wie ein junges Reh rund um den Globus, um die Menschheit zu retten. Und wer soll es denn auch sonst machen, jetzt, wo James Bond tot ist?
Die Filmemacher um den Regisseur, Co-Autor und Cruise-Intimus Christopher McQuarrie haben sich einen Feind passend zur Zeit ausgesucht: eine künstliche Intelligenz. Diese KI hat sich zu Beginn des Films schon einigermassen unheimlich verselbstständigt und zu einem digitalen Parasiten weiterentwickelt, der von allen Beteiligten als «die Entität» bezeichnet wird.
Diese Entität ist gerade dabei, alle Geheimdienste der Welt zu infiltrieren, und die Geheimdienste der Welt wiederum versuchen, das durchgedrehte Programm unter Kontrolle zu bringen, um damit selbst über alle anderen herrschen zu können. Einzig Ethan Hunt (Tom Cruise), weiterhin Agent der streng geheimen «Impossible Mission Force» (IMF), will die KI schlicht und selbstlos abschalten, damit Ruhe ist und kein irrer Politiker die Weltherrschaft ergreift. Der Schlüssel zur Lösung dieses Problems ist in diesem Fall tatsächlich, nun ja: ein Schlüssel. Er ist golden und besteht aus zwei Teilen, die man ineinanderschieben muss, und die ganze Welt ist auf der Jagd nach diesem Schlüssel.
Wer hier nach der Logik fragt, hat nichts anderes als sofortigen «Mission: Impossible»-Entzug verdient.
Diese Geschichte kann man natürlich komplett gaga finden, zumal im realen Kampf gegen krebsartige KI-Ausbreitungen eher keine Sprints über Hausdächer und Autoverfolgungsjagden notwendig wären, sondern Code knackende Programmierer. Aber geschenkt. Wer hier nach der Logik fragt, hat nichts anderes als sofortigen «Mission: Impossible»-Entzug und die ewige Telekolleg-Verdammung verdient.
Zumal die Macher sich wirklich aufs Rührendste Mühe geben, Gründe zu finden, dass Tom Cruise von Abu Dhabi über Amsterdam nach Rom, Venedig und, kein Witz, hier sind wir fast schon im Bereich des Interrail-Tickets, Innsbruck reisen muss, um das Schlimmste zu verhindern. Die österreichischen Alpen werden in diesem Film übrigens von norwegischen Bergen gedoubelt. Man muss sich diesem Hollywoodunsinn einfach lustvoll ergeben, dann hat man sehr unterhaltsame 163 Minuten vor sich.
Tom Cruise hat quasi im Alleingang das von der Pandemie schwer gebeutelte Kino gerettet.
Während der Produktion, die schon 2020 begann, gab es grössere Covid-Komplikationen, die das Budget auf knapp 300 Millionen Dollar ansteigen liessen. Ausserdem gab es massiven Ärger in Polen, wo die Filmemacher für ihre Showzwecke bei Pilchowice angeblich eine 111 Jahre alte Eisenbahnbrücke sprengen wollten. Das führte zu erbosten Protesten der Einheimischen, die ihre Brücke gern behalten wollten. Laut Regisseur McQuarrie war das lediglich «ein Missverständnis» – und ausserdem sind alle Querelen vermutlich ohnehin längst vergessen.
Denn in der Zwischenzeit hat Tom Cruise mit «Top Gun: Maverick» quasi im Alleingang das von der Pandemie schwer gebeutelte Kino gerettet. Der Film spielte 2022 stolze anderthalb Milliarden Dollar ein und war der erste Post-Covid-Blockbuster, für den die Menschen wieder in Scharen in die Säle strömten und nicht nur Multiplexe vor der Insolvenz bewahrten. Auch in diesem Sommer ruhen die Hoffnungen der Kinobetreiber weltweit auf Tom Cruise. Nachdem in den vergangenen Wochen ein paar Filme, die als sichere Blockbuster galten («Elemental», «Indiana Jones und das Rad des Schicksals», «The Flash»), massiv gefloppt sind, muss die Cruise-Maschine jetzt wieder das Sommer-Boxoffice zum Glühen bringen.
Sollte sich diese Hoffnung erfüllen – und die Chancen stehen nicht schlecht, denn wenn dieses Jahr ein Film erstklassiges Popcornkino bietet, dann dieser –, muss Cruise sich mittelfristig wohl selbst als cruiseliche Intelligenz (CI) in die Cloud hochladen: Losgelöst von der lästigen Sache mit dem Altern und der noch lästigeren Sache mit dem Sterben kann er dann auf ewig Motorrad fahren, böse KI bekämpfen und alle Lichtspieltheater der Welt vor der Schliessung bewahren. So forsch, wie er seit Jahrzehnten seine Karriereplanung betreibt, hat er den Selbst-Upload vermutlich sowieso längst abgeschlossen. Von dieser Stelle aus deshalb ein herzliches: Glück auf!
Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One, USA 2023. Regie: Christopher McQuarrie. Mit: Tom Cruise, Rebecca Ferguson, Hayley Atwell, Cary Elwes, Simon Pegg, Ving Rhames. Paramount, 163 Minuten. Kinostart: 13. Juli 2023.
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