Tim WalzEin Vizekandidat ohne Aktien wühlt das kapitalistische Amerika auf
Tim Walz spekuliert nicht an der Börse und besitzt im Gegensatz zur Mehrheit der Amerikaner keine Immobilie. Rechte Medien greifen ihn deswegen an.

Erhält das kapitalistische Amerika mit Tim Walz bald einen Vizepräsidenten, der keine einzige Aktie besitzt? Der Gouverneur von Minnesota ist in der US-Politik definitiv ein Aussenseiter. Denn zumindest in Washington bestimmen ältere Multimillionäre. Laut der Website Opensecrets war 2020 jeder zweite Senator oder Abgeordnete Millionär. Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten haben mehrere Kongressmitglieder, die über 100 Millionen schwer sind.
Walz hingegen besitzt laut den neuesten Zahlen aus dem Januar nicht nur keine Aktie. Im Gegensatz zu 63 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner hält er auch keine Immobilie. Sein 1997 für 145’000 US-Dollar gekauftes Häuschen in Mankato verkaufte die Familie 2019 für 315’000 US-Dollar. Als Gouverneur von Minnesota wohnt Walz allerdings seither umsonst. Sein derzeitiges Gehalt beträgt rund 127’000 Dollar. Der US-Medianlohn lag 2022 bei 74’580 Dollar. Walz’ Einkommen ist also relativ hoch, allerdings nicht so hoch, dass man ihm das bodenständige Image nicht mehr abnehmen würde. Zumal er auch nie als Lobbyist tätig war.
Walz’ grösster Vermögensposten ist seine Altersrente. Laut einer Analyse des «Wall Street Journal» dürfte sich seine Pension auf rund 800’000 Dollar belaufen. Das tönt nach viel Geld, ausgezahlt werden pro Monat aber 5000 Dollar. Dennoch hebt sich Walz hier klar von seinen Mitbürgern ab, schliesslich haben viele Amerikaner keinen Zugang zu einer Rente.
Der Hillbilly mit dem Risikokapital
Im Gegensatz zu Walz ist der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Trump-Vizekandidat J. D. Vance längst Multimillionär. Vance und seine Frau besitzen mehrere Immobilien. Der vom rechtslibertären Investor Peter Thiel geförderte Vance pflegt zudem zahlreiche Investments und erhält Tantiemen aus seinem Buch «Hillbilly Elegy». Das «Wall Street Journal» schätzt das Vermögen des Absolventen der Eliteuniversität Yale auf 4 bis 10,4 Millionen Dollar. Dazu kommen noch die Immobilien.

Walz hat bereits vor seinem Aufstieg zum Vizekandidaten über Vance gesagt, er sei wohl aus dem ländlichen Amerika, aber er sei kein Kandidat für das ländliche Amerika. «Keiner meiner Hillbilly-Cousins ging nach Yale oder wurde Risikokapitalgeber. Das ist nicht, was diese Menschen ausmacht.» Die grosse Frage ist, wie gut verfangen solche Argumente und Walz’ Bescheidenheit in einem Land, das Aufsteigergeschichten liebt? Auch Donald Trump verdankte seinen Wahlsieg 2016 der Tatsache, dass ihn ein Teil der Bevölkerung für einen erfolgreichen Geschäftsmann und Dealmaker hält.
Rechte stempeln Walz zum «Kapitalismushasser»
Laut Erhebungen halten 22 Prozent der US-Bevölkerung direkt Aktien und insgesamt 58 Prozent über Anlagefonds. Rechte US-Medien machten deshalb die Finanzen von Kamala Harris’ Vizekandidat in den letzten Tagen immer wieder aufs Neue zum Thema. Walz wurde auf Fox News als «finanzieller Analphabet», «Kapitalismushasser» und als ein Politiker beschrieben, der keine Ahnung habe von der grössten Volkswirtschaft der Welt. Eine Kolumne der konservativen Ökonomin Allison Schrager war überschrieben mit dem Titel: «Tim Walz ist nicht sehr reich, und das sollte die US-Wähler beunruhigen».
Historisch ist Walz eher eine Ausnahme. Die letzten demokratischen Vizekandidaten Kamala Harris, Tim Kaine, Joe Biden, und Al Gore verdienten mehr als Walz, sie waren Anwälte und US-Senatoren. Wie Geschichtsprofessor Allan Lichtman der «Washington Post» sagte, war aber auch der wie Walz aus Minnesota stammende Hubert Humphrey nicht vermögend, als er unter dem Demokraten Lyndon B. Johnson 1965 Vizepräsident wurde. Am anderen Ende reiht sich Dick Cheney ein. Der von George W. Bush 2000 zum Vizepräsidenten gewählte Ex-CEO des Energiekonzerns Halliburton hatte damals bereits über 50 Millionen Dollar Vermögen.
nlu
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