Kurznachrichten-App ThreadsInstagram-Nutzer sind im Vorteil
Seit letzter Woche ist Zuckerbergs App auch in Europa offiziell verfügbar. Wir zeigen, wie der neueste Twitter-Konkurrent funktioniert.
Was macht Mark Zuckerberg, wenn ein Konkurrent strauchelt? Er erkennt eine günstige Gelegenheit – und schlägt zu. Wie opportunistisch der Meta-Chef solche Chancen nutzt, demonstrierte er in diesem Jahr: Innert Kürze stampfte er einen Konkurrenten für Elon Musks Kurznachrichtendienst aus dem Boden. Die Threads-App soll alle Nutzerinnen und Nutzer auffangen, die dem alten Twitter nachtrauern und mit der in X umbenannten App nichts mehr anfangen können.
In den USA ist Threads fulminant gestartet: Lanciert am 5. Juli, verbuchte sie innert 16 Stunden mehr als 30 Millionen Downloads und übertraf einen erst kurz zuvor durch Chat-GPT aufgestellten Rekord. In Europa hat es aufgrund von Datenschutzfragen länger gedauert, aber seit letzter Woche ist Threads auch in der EU und der Schweiz erhältlich.
Vom Fleck weg der grösste Twitter-Konkurrent
Einmal mehr stellt Meta seine frappante Marktmacht unter Beweis: Threads stellte sich innert kürzester Zeit an die Spitze des Twitter-Konkurrentenfelds: Gut 140 Millionen Nutzerinnen und Nutzer hat die App inzwischen, während Mastodon auf 10 Millionen und Bluesky auf 2,5 Millionen User kommt. Der Drittplatzierte befindet sich noch im Betastadium und limitiert daher die Zahl der Anmeldungen über eine Warteliste.
Trotz des Erfolgs macht Threads einen unfertigen Eindruck. Es gibt weder Direktnachrichten noch Listen oder Lesezeichen. Es fehlt die Möglichkeit, unfertige Posts als Entwurf zu speichern, und es existiert keine Übersicht der gerade beliebten Themen, die bei Twitter unter «Trends» zu finden sind. Die Funktionen zum Stummschalten sind rudimentär; es funktioniert bislang nur für User-Accounts, nicht aber für Hashtags. Auch die Hashtags sind erst seit Anfang Dezember verfügbar.
Die Freunde von Instagram «importieren»
Threads hat auch Stärken: Die grösste ist die Anbindung an Instagram. Wenn Sie sich dort einen Freundeskreis aufgebaut haben, können Sie den «importieren». Es gibt die Möglichkeit, den auf Instagram befreundeten Accounts auch bei Threads zu folgen. Das sorgt gleich zu Beginn für eine lebhafte Timeline. Standardmässig zeigt Threads auch Nachrichten von Leuten an, denen Sie nicht folgen. Wenn Sie das nicht wünschen, schalten Sie auf der Startseite von der «Für dich»-Ansicht auf «Gefolgt» um.
Die Funktion, die der App den Namen gegeben hat, ist die Verkettung von Nachrichten. Ein «Thread» bzw. Faden ist eine Abfolge von mehreren Posts zu einem Thema, die sich in einem Rutsch in der Bearbeitungs-Ansicht erstellen lässt. Ein einzelner Post kann maximal 500 Zeichen aufweisen – eine Beschränkung, die auf den ersten Blick sinnlos erscheint. Wäre es nicht klüger, auch längere Beiträge zu erlauben, damit es keine verketteten Posts braucht? Die Portionierung hat den Vorteil, dass Leute auf jeden Post im Thread separat reagieren können: Das erlaubt spezifische Likes, Antworten und Reposts.
Wenn Sie eine Nachricht veröffentlichen, dürfen Sie einschränken, wer antworten darf und wer nicht: Tippen Sie im Bearbeitungsfenster unten links auf «Jede Person darf antworten» und schränken Sie die Auswahl entweder auf Ihre Follower oder auf Personen ein, die Sie in der Nachricht erwähnen.
Wer blickt bei all den Twitter-Konkurrenten noch durch?
Von einem wichtigen Merkmal ist noch nichts zu sehen: Das Activitypub-Protokoll soll, so hat es Meta versprochen, den Nutzerinnen und Nutzern die Kommunikation mit anderen Diensten erlauben. Ein User auf Threads könnte mit einem bei Mastodon Informationen austauschen; genauso wie sich Mails zwischen den diversen Mailanbietern verschicken lassen. Meta hat sich zu diesem offenen Standard bekannt und auch Tests durchgeführt, aber den Tatbeweis bislang nicht erbracht.
Threads, Bluesky, Mastodon, Twitter – ist das nicht zu viel des Guten? Die Situation zeigt in der Tat, dass mehr Auswahl nicht automatisch besser ist. Wer nichts verpassen will, der sollte sich derzeit zumindest Threads und Bluesky näher ansehen. Es ist aber auch nicht verkehrt, abzuwarten und zu sehen, ob die Kurznachrichtendienste mit dem Niedergang Twitters ihren Zenit nicht generell überschritten haben.
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